Eine Trauma Verarbeitung war mir bisher nicht möglich. Es hängt sehr viel daran, ist aber mit Stress verbunden, dem ich mich noch nicht aussetzen soll. Seit dem Krankenhaus schützt mich mein Gehirn davor, über belastendes nachdenken zu können. Ich kann rational darüber sprechen, aber ich kann keine Emotion dazu aufbauen.
Das zu akzeptieren ist nicht leicht, bin ich doch im Denken zu sehr behindert. Es gelingt mir nicht, vernetzt oder aufbauend zu Denken. Ich arbeite sehr intensiv in der Ergotherapie daran. Einfache Übungen helfen mir, wieder vernetzt denken zu lernen. Es kann gleich anstrengend sein, wie im Fitnessstudio zu trainieren. Mein Gehirnmuskel verwindet sich dabei. Danach bin ich fix und fertig.
Ein Trauma kann ein so intensives Ereignis sein, dass das Gefühl von Sicherheit, Vertrauen, Wert und Weltansicht beschädigt wird. Die Verarbeitung kann schwierig sein. Bei mir saß der Abszess am Thalamus, also wurde sowieso meine ganze Gefühlswelt und Bewegungskoordination beschädigt. Daher brauche ich Zeit, um alles zu verarbeiten und wieder auf gleich zu bringen.
Natürlich ist eine Aufarbeitung notwendig, aber alles zu seiner Zeit. Ich kann darüber rational reden, es ist aber unmöglich, es Emotional zu verstehen oder zu bearbeiten. Meine große Herausforderung ist es daher, mich aus allen Zuständen von Stress herauszuhalten und es trotzdem langsam aufzuarbeiten.
Deshalb ist die Freude so wichtig geworden. Denn alles wo Freude dabei ist, bereitet es mir keinen Stress. Sie ist mein Gradmesser, denn Heilung ist nur in einem positiven Umfeld möglich. Daher muss ich darauf schauen, dass ich mich möglichst oft in einem positiven Umfeld aufhalte.
Einer meiner emotionalsten Tage der letzten drei Jahre war der Tag im Krankenhaus, als ich abgeholt wurde. Denn die fünf Monate davor waren etwas, dass ich niemanden wünschen möchte. Ich erlebe es gedanklich, als wäre es gestern. Unter der Sonne erstmals wieder im Gras zu sitzen war unfassbar. Ich wusste nicht, ob ich wieder aufstehen konnte, aber ich war glücklich wie kaum zuvor. Ich werde nie den Moment vergessen, wie ich mit den Fingern durchs Gras streifte.
Ich hatte überlebt und war auf dem Weg nach Hause zu meinen Kindern. Fünf Monate lagen hinter mir, ich konnte aber nicht daran denken. Nur den Tränen lies ich freien Lauf. Irgenwie packte ich das alles nicht und verstand gar nichts. Und dann kam das Auto um die Ecke, dass mich abholen kam. Noch ahnte ich nicht, dass mir noch so viele Jahre bevorstehen sollten, die mich immer wieder an meine Grenze bringen sollten.
Eine Trauma Verarbeitung ist erst seit wenigen Monaten möglich. Sehr geholfen hat mir das Schreiben, um vieles zu verstehen versuchen.
Ich muss aber aufpassen, nicht zuviel darüber nachzudenken. Es sind viele Dinge im Umfeld passiert, wo ich dazu keine Emotionen zulassen sollte. Sie bringen meine Zellen dazu, sich zu verschließen. Ein Wissenschaftler erklärt es damit, das der Mensch eine sogenannte soziale Zugewandheit benötigt.
Eine Erkenntnis dafür ist auch:
"Nur wenn wir gesund sind und fühlen, fördern Nerven den erwünschten Kontakt, Kommunikation sozialer Zugewandheit und das soziale Engagement."
Stanley Rosenberg
Stress kann nicht nur körperlich entstehen, sondern auch psychisch. Diesem können wir uns oft kaum entziehen. Daher muss ich ihn auf ein Minimum reduzieren und meine Gedanken in einem stabilen, positive emotionalem Umfeld zu halten versuchen. Rückzug ist oft die einzige Möglichkeit mich dem zu entziehen.
Die Kunst ist es, diesen Zustand zu erkennen, damit eine erfolgreiche Reizweiterleitung möglich ist. Im Fitnessstudio sind zum Beispiel genug lange Pausen sehr wichtig. Nur dann kann ein Reiz optimal weitergegeben werden. Arbeiten von Weltklasse Trainern im Sport haben mir da viel Input gegeben.
Allerdings bin ich Stress schnell ausgesetzt. Viele Lebenssituationen lassen mich in einen Zustand verfallen, der mir nicht gut.
Zu einem positiven Umfeld gehört auch Emotionale Sicherheit dazu. Nur wenn ich mich gut aufgehoben fühle, können sich meine Nerven entspannen und Heilung zulassen. Dieser Aspekt wird oft nicht beachtet. Kleinste Dinge lassen meine Nerven sich wie eine Muschel verschließen. Es kann Tage dauern, bis die Nerven sich wieder öffnen, sodas wieder ein heilbarer Raum entsteht.
Aus diesem Grund versuche ich alles Negative von mir fernzuhalten. Mein Gehirn ist durchlässig für alle Eindrücke, es kann nicht unterscheiden zwischen gut und schlecht. Es lässt alles ohne Filter durch. Diese Hochsensibilität kann Seegen und Alptraum zugleich sein. Man nimmt feinste Gefühlsregungen und Emotionen wahr, auch von anderen. Deshalb ist es so schwer, sich unter vielen Menschen aufzuhalten. Man kann die vielen Eindrücke nicht verkraften.
Es ist mit Bällen und einem grobmaschigen Netz vergleichbar. Alle Eindrücke fallen durch und belasten dadurch meinen Organismus. Damit weniger durchfallen, brauche ich ein engmaschigeres Netz. Das habe ich zum Lernen. Der einzige Schutz vor Überforderung ist derzeit ein komplettes Abschalten der Gefühle. Es gibt nur Ein oder Aus, aber keine Differenzierung ist möglich.
Meine Rehabilitation ist noch lange nicht abgeschlossen. Ich merke auch jetzt noch, nach und nach, die sich veränderten Folgen. Diese Ausnahmesituation dauerte lange, in der mein Organismus stark belastenden und seelischen Vorfällen ausgesetzt war. Eigentlich noch bis heute.
Ein Teil sind Vermeidungstaktiken, zum Beispiel in der Bewegung, die ich angenommen habe. Es dauert länger als gedacht, sie wieder abzulegen. Das geht nur, wenn ich wieder Vertrauen und Sicherheit gewinne.
Mein in mehr als 20 Jahren erworbenes Wissen um die Gesundheit ist noch da. Es fehlen aber viele Synapsen, auf dieses Wissen zuzugreifen. Es ist zwar ein Wissen um größere Zusammenhänge in mir, aber ohne es genau bestimmen zu können. Die Einzelheiten fehlen. Ich kann mich nicht ausdrücken.
Es ist noch ein weiter Weg zurück ins Leben. Ich darf nicht denken, sofort wieder die Kontrolle über mein Leben erlangen zu müssen. Ich darf mir Zeit zum Ausruhen und Erholung geben. Struktur in mein Leben zu bekommen ist wichtig.
Mein Gesund werden sehe ich als meinen Beruf. Meine Therapien und Übungen versuche ich genau einzuteilen.
Hallo Jörg, mein Sohn ist am Gehirn wegen 8 Abszesse 4 Mal operiert worden. Er ist 39 Jahre. Die letzte OP war vor 2 Wochen. Ich habe Angst um ihn. Er ist desorientiert, kann nur noch ein paar Wörter sprechen und ist sehr unruhig. Zur Zeit liegt er noch auf ITS im Uniklinikum Leipzig. Durch Corona dürfen wir, mein Mann und ich, ihn nur selten besuchen. Wenn wir kommen, weint er sofort, ich streichel ihn und graule ihm den Rücken, ich glaube das tut ihm gut. Wie sollen wir uns noch ihm gegenüber verhalten? Ich glaube, wenn ich ihm von seinen Kindern erzähle, wird ihm das unangenehm, obwohl ich nur das Gute erzähle oder lustiges. Es tut uns so weh unseren Sohn so zu sehen. Er stand als ganzer Kerl mitten im Leben.
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