Nach über zwei Jahren habe ich mir die DVD "Die Gabe", von Damien Lichtenstein, wieder einmal angeschaut. Es geht darin um das Thema, dass jeder Mensch eine Gabe hat (oder einen Sinn/Zweck im Leben), den er besonders gut kann. Diese Gabe kann sich zwar verändern, wird aber meistens den gleichen Sinn erfüllen.
"Gabe" wird laut Duden mit Geschenk definiert. Damit ist gemeint, welches Geschenk ich als Mensch für meine Mitmenschen bin. Man kann auch "Berufung" dazu sagen. Seiner Leidenschaft zu folgen und das tun, hinter dem man voll und ganz steht. Die Berufung kann auch seine Seelenaufgabe sein.
Der Film ist ein guter Anstupser, mich um meine eigene "neue" Berufung zu kümmern. Viel hat sich verändert seit dem Hirnabszess. Die Konzentration und das Denken haben so stark nachgelassen. Meinen Beruf der Videoproduktion kann ich damit nicht mehr ausführen. Auch die Bewegung wird noch längere Zeit in Anspruch nehmen. Damit sind meine vormaligen Jobs einmal hinfällig. Aber was bleibt dann für mich übrig? Nun, dass kann ich erst finden, wenn mein Denken wieder funktioniert.
Meine Gabe war es bisher, Informationen (Wissen) weiterzugeben. Briefträger, Vortragender, Energetiker, Gesundheitsvorträge, Filmproduktion - mein bisheriges Leben drehte sich immer darum Informationen weiterzugeben. Den Briefträger habe ich damals nicht recht verstanden, wie er in dieses Konzept passt. Bis ich darauf gekommen bin, dass er Informationen mittels Briefen und Werbung weitergibt.
Auch das Filmen passt gut in dieses Schema. Ich gab damit filmisch meine Informationen weiter. Für Puls4, Pro7 und Sat1 produzierte ich Nachrichtenbeiträge, für Firmen machte ich Werbevideos und in eigener Sache informierte ich mittels Filmen über meine und anderer Abenteuer oder im Gesundheitsbereich.
Die Art der Weitergabe veränderte sich, es blieb aber bei der Weitergabe von Informationen.
Vor dem Hirnabszess habe ich meine Gabe zwar gekannt, aber am Schluss nicht mehr gelebt. Du merkst es, wenn du es nicht mehr lebst. Auch ich habe es gemerkt. Aber ich änderte nichts oder besser gesagt, zu spät.
Aber was ist meine Gabe nach dem Hirnabszess? Das bisher gemachte kann ich ja nicht (mehr) ausüben. Es hat sich zu viel verändert seither.
Nun, es ist dafür noch zu früh. Meine Defizite im Denken und meine körperliche Leistungsfähigkeit sind noch zu sehr beschränkt, als das ich schon an etwas anderes denken kann. Trotzdem beschäftigt es mich immer wieder.
Mit dem Hirnabszess und seinen Folgen habe ich eine neue (Auf-)Gabe bekommen. Ich ahne sie, kann aber noch nicht so weit denken, um es zu formulieren. Das macht ein bisschen Angst, da die Rehabilitation schon zwei Jahre andauert und ich viel neu lernen muss.
Wo etwas nicht umsetzbar ist, müssen neue Strategien her. Bis man das ins Leben übertragen kann, vergeht viel Zeit. Step by Step, wie in allen anderen Bereichen auch.
Ja, heute vor zwei Jahren begann meine Odyssee. Vieles kommt mir hoch und ich bin manchmal sehr nachdenklich. Was mir aber auch nicht hilft, denn die meisten dieser Gedanken lassen sich nicht fortsetzen. Ich bin noch nicht soweit.
Noch immer kommen einzelne Vorkommnisse hoch, die mir entfallen sind. Schwierige Momente auf der Intensivstation oder der OP. Ich durchlebe dann das damals passierte emotional noch einmal durch.
Meine Emotionen wechseln sich damit dauernd ab. Es geht mir nahe, dass ich mit der Bewegung und dem Greifen noch immer solche Schwierigkeiten habe. Vom Denken möchte ich gar nicht reden. Alles in allem erhoffte ich mir, schon weiter zu sein und mehr zu können. Zu Akzeptieren, das dem nicht so ist, ist manchmal schwer und vor allem, dass es noch länger dauern wird.
Es haltet mich noch vieles davon ab, meiner Gabe näher zu kommen. Manchmal bleibe ich im Bett liegen und versuche an nichts zu denken. Das funktioniert erstaunlich gut. Meditieren ist keine Herausforderung mehr wie früher. Zum Glück, denn in einem Gedanken festzustecken und nicht weiter zu kommen, kann frustrierend sein.
Zurzeit stehen viele Untersuchungen an. Die EU-Pension läuft aus und vieles mehr. Ich muss ich mich mit der Zukunft beschäftigen, obwohl ich noch nicht richtig Denken kann. Für mein Gehirn zu viel. Hätte ich nicht Unterstützung in der Familie, ich würde es nicht schaffen.
Den Film "Die Gabe", sehe ich als eine Unterstützung, um zurück ins Leben zu kommen. Im Moment bin ich am Abklären, was für mich derzeit möglich und nicht möglich ist. Viele Menschen mit Handicap vollbringen tolle Sachen. Das motiviert mich und zeigt mir, es geht auch so.
Meine persönlichen Handicaps sind noch nichts Definitives. Ich bin noch in Rehabilitation und werde alles dafür tun, meine Defizite so gering wie möglich zu bekommen.
Das Schreiben fasziniert mich zurzeit. Es ist mein derzeitiges Hobby und Therapie. Mit etwa 10 Jahren wollte ich Schriftsteller werden. Ich verschlang ein Buch nach dem anderen und wollte selber schreiben. Das war aber in meinem Umfeld als Beruf nicht angesehen. Ich bekam immer wieder zu hören, das sei kein Beruf und ich würde als armer Schlucker enden. Damals gab ich es auf.
Die Krankheit gab mir Gelegenheit zu Schreiben. Zuerst musste ich einen Kugelschreiber halten lernen. Später entstanden die ersten Kringel und viel später lernte ich die ersten Wörter zu Schreiben. Bis ich ganze Sätze zusammen brachte, verging ein Jahr. Damals begann ich meinen Blog. Vielleicht entsteht aus diesen Erlebnissen wirklich ein Buch. Es wäre eine neue Herausforderung, das Handwerk Schreiben, zu lernen.
Und vielleicht hat das was mit meiner neuen Gabe oder Berufung zu tun. Zumindest jetzt hilft es mir. Ob es vielleicht meine neue Gabe sein wird? Man wird sehen!
Aber das gilt nicht nur für mich. Jeder hat eine Gabe. Aber lebt er sie auch?
Man kann sich einfach des öfteren fragen: Habe ich meine Berufung schon gefunden?
Hallo Jörg!!
Du bist ja wieder mit der Weitergabe von Informationen beschäftigt in dem du mit diesem tollen Blog ein Vorbild für viele bist. Ich glaube nur die wenigsten können sich vorstellen, wie es sich anfühlt wenn von heute auf morgen alles anders ist. Ich werde mir den Film gleich mal ansehen. Finde der Titel paßt ganz gut zur Osterzeit. Vielleicht ist man seiner Gabe oft gar nicht bewusst und man lebt sie mehr oder weniger trotzdem.
Bewegen - Analysieren - Steuern - Lachen
Ich kann dir nach dem Film sicher mehr sagen.
Lg Joachim
Hallo Joachim!
Schön von dir zu hören.
Zum Glück leben viele ihre "Gabe", wenn auch oft unbewusst. Leider aber verlieren sich ebenso viele im Alltag, wie auch ich damals.
Dann tut es gut, seine Gabe zu kennen.
Würde mich freuen wenn wir uns wieder einmal sehen, vielleicht nach dem Film.
LG Jörg