Über Ostern verbrachte ich einige Tage Urlaub in Kroatien, genauer gesagt in Umag. Es war somit meine erster weiter entfernte Reise seit dem Hirnabszess.
Wir haben ein Appartement einem Hotel vorgezogen, da ich dem Trubel und der Geschäftigkeit dort entgehen wollte. Vordergründig hatte es den Sinn, mir durch einen Ortswechsel einmal im Kopf frei zu geben, soweit dies möglich war.
Seit zwei Jahren komme ich praktisch nicht über Graz hinaus. Daher entstand die Idee, den Frühlingsbeginn am Meer zu verbringen. Ich bin zwar ein Berg-Mensch, bin aber ebenso mein Leben lang gerne ans Meer gefahren. Urlaub und Auszeiten verbrachte ich schon immer gerne am Meer.
Die große Frage war, wie werde ich die Autofahrt vertragen. Es gibt Tage, da ist mir schon die Fahrt nach Graz zu weit und strengt mich ungemein an. Daher hieß es gut planen. Umag wurde deshalb gewählt, da es gut über die Autobahn zu erreichen ist. Große Lenkmanöver blieben mir dadurch erspart.
Außerdem gab es zahlreiche Autobahn-Raststationen, um die Füße aus zutreten und meinen Kreislauf zu stabilisieren. Sitze ich nämlich zu lange aufrecht, bekomme ich noch Probleme mit dem Schwindel.
Den wollten wir dadurch verhindern, dass ich mich im Auto lange ausstrecken konnte. Ich kam zwar nicht ganz in die Waagrechte, aber es half mir deutlich. Ich schloss die meiste Zeit die Augen, um mich nicht den schnellen Bewegungen um mich herum auszusetzen. So war ich bestmöglich auf die Reise vorbereitet.
Das Wetter empfing uns in Kroatien in nicht gerade guter Laune, es war mir aber egal. Ich war dankbar, überhaupt am Meer stehen zu dürfen. Noch vor wenigen Monaten war das für mich unvorstellbar. Es war außerdem ein guter Moment um über meinen Werdegang nachzudenken. Denn vor genau zwei Jahren begann "mein Weg zurück ins Leben". Am 27.März 2016 wurde ich ins Krankenhaus eingeliefert.
Wenn ich zurückschaue, habe ich seit damals viel erreicht. Das ich jetzt hier am Strand von Umag stehen kann, ist einfach toll. Ich habe mir meine Rehabilitation am Anfang sich einfacher und schneller vorgestellt. Ich konnte erst im letzten Jahr realisieren, dass es ein längerer Weg wird. Als der Schleier der Krankheit von mir ging, wurden die Defizite erst wirklich sichtbar.
In der Sommer-Reha in Judendorf fragte mich die Psychologin, was denn wäre, wenn ich bei diesen Defiziten stehen bleiben würde? Es war damals für den Zustand ok, aber für meine Zukunft nicht vorstellbar.
Dazu habe ich zu lange Leistungssport gemacht. Selbst solche Beschränkungen halte ich nicht für ewig. Die Kraft der Gedanken sind endlos. Ich habe oft genug Dinge getan, die unvorstellbar schienen. Und diese Kraft der Gedanken ließen mich das alles bisher Erlebte überstehen.
Zu der Kraft der Gedanken werde ich in nächster Zeit öfter schreiben. Bisher fehlt es mir, dieses Wissen abrufen zu können und in Wort oder Sprache zu bringen. Ich hoffe es bald besser zu können. Denn vieles über was ich gerne Schreiben möchte, kann ich nicht in Wörter umsetzen. Im Geist ist es mir klar, aber ich kann es nicht aussprechen oder niederschreiben. Ein Defizit, das mich noch behindert.
Im Zwiegespräch mit mir selbst oder im Wachliegen und Träumen habe ich alles klar vor mir. Aber sobald ich es in Schrift oder Wort bringen möchte, kann ich es nicht ausdrücken oder umsetzen. Es baut sich eine weiße Wand vor mir auf, die ich nur schwer durchdringen kann. Auch daran übe und arbeite ich.
Ich habe die Tage nicht nur genossen, sondern ich habe auch trainiert - gezwungenermaßen. Denn noch immer ist es so, dass alles Therapie und Training ist.
Besonders die Wege mit den alten Pflastersteinen waren eine Herausforderung für mich. Es war ungewohnt über harte Steine zu gehen. Zu Hause gehe ich doch meist auf Waldboden. Geringfügige Änderungen der Beschaffenheit des Bodens macht mir noch immer zu schaffen.
Entlang des Hafens ist alles betoniert. An für sich gut zum Gehen, allerdings gibt es kaum sichtbare Vertiefungen an vielen Stellen. Der Fuß ist auf eben eingestellt und steigt plötzlich ins Leere. Das forderte mein Gehirn.
Es musste immer wachsam sein, das Gleichgewicht auszutarieren. Das wurde mit der Zeit anstrengend. Mein Gehirn stand unter Daueranstrengung. Deshalb werde ich auch ohne Gehen müde.
Der Vorteil von Hafenpromenaden ist allerdings der, dass alle 50 Meter Parkbänke stehen, wo ich mich ausrasten konnte. Umag - ein trotzdem idealer Therapieort.
Es ist sicher schon jedem passiert, dass er ein Loch übersehen hat und stolperte. Das passiert mir schon bei kleinen Bodenvertiefungen. Gerade am Asphalt oder Beton, wo es eigentlich flach ist. Kleine Vertiefungen bringen mich ins Straucheln. Und Kroatien ist Meister damit. Sooft wie hier bin ich selten aus dem Gleichgewicht gekommen.
So musste ich mich auf viel Neues einstellen. Die Spaziergänge am Meer haben mir am besten gefallen. Das Rauschen des Meeres hat besonders gut getan. Ebenso dem Spiel der Wellen zuschauen. Es hatte eine ähnliche Wirkung auf mich, wie der Wald zu Hause.
Das gesamte Stresssystem wurde spürbar beruhigt und das kognitive System verbessert. Damit wurde mir einmal mehr gezeigt, dass die Natur eine der wichtigsten heilenden Komponenten ist.
Ich habe das Gefühl, dass meine Selbstheilungskräfte in der Natur angeregt werden. Der Aufenthalt am Meer wurde so zu einer wichtigen Erinnerung, mich wieder mehr mit der Natur zu beschäftigen. Ich freue mich schon auf den jetzt erwachenden Wald zu Hause.
Wir verlernen leider immer öfter die wohltuenden Kräfte in unserem Leben zu beachten, sind getrieben davon Geld fürs Überleben aufzutreiben und uns nicht wirklich um die wichtigen Dinge des Lebens kümmern zu können. Die Kraft der Natur und der Gedanken sind dabei ein wesentlicher Baustein auf meinem Weg.
Bisher stand alles unter "Urlaub ODER Therapie". In Umag hatte ich erstmals das Gefühl von "Urlaub UND Therapie". Ich bin allen dankbar, die es mir ermöglicht haben hierher zu kommen.
Schön langsam kann ich bereits einige Meter ohne ohne zu denken zurücklegen. Zwar nur am Asphalt, aber immerhin doch. Mein Ziel ist es, dass in den nächsten Monaten auszubauen. Es ist ein wichtiger Schritt zurück ins Leben.
Das Hirnabszess hat genau auf die Schaltzentrale des Körpers, dem Thalamus, gedrückt. Dadurch ist das Gleichgewicht in Mitleidenschaft gezogen worden. Es regeneriert sich nur sehr langsam.
Wo Licht ist, ist auch Schatten. Der Schatten liegt derzeit in der Familie. Es ist mir schleierhaft, wie wichtig für meine Kinder Handy und Computer sind. Sie erleben mein Schicksal täglich mit und sehen meinen täglichen Einsatz für ein neues Leben.
Aber gerade die Wichtigkeit der Natur konnte ich ihnen bisher nicht vermitteln. Sie driften ab in eine neue Welt, die für mich nicht zu verstehen ist und das gilt für fast meine ganze Generation.
Selbst das Meer und die Flora und Fauna konnte sie kaum begeistern.
Das Handy und der Computer waren auch im Urlaub dabei. Aber wo setzt man Grenzen? Und werden die auch eingehalten?
Wie geht ihr mit dem Thema Kinder und Computer um? Verwenden sie ihn verantwortungsvoll oder müsst ihr Zeitlimits und anderes setzen?
Oder habt ihr auch die Herausforderung, die Kinder vom Bildschirm weg zu bekommen, wisst aber nicht wie?
Fragen über Fragen derzeit, die ich mir stelle?
Lieber Jörg
Auf der Suche nach der Bedeutung der Eidechse als Krafttier bin ich bei deiner Geschichte gelandet. Danke dafür. Ich hoffe, es geht dir heute gut und das Krafttier hat dich gut durch den Prozess begleitet.
Alles Liebe und Gute weiterhin
Margit
Übrigens wohne ich auch in der Nähe von Graz. Netter "Zufall"
Hallo, danke für die Antwort. Krafttiere begleiten mich schon lange und besonders seit dem Hirnabszess, helfen sie mir oft weiter.
Danke und alles Liebe
Jörg