Ich bin jetzt seit zweieinhalb Jahren ein Grenzgänger. Das deshalb, weil ich es noch immer nicht geschafft habe, mehr Energie zu haben, als der Tag lang ist.
So stoße ich jeden Tag an meine Grenze, um sie dadurch weiter zu verschieben. Diese Grenze hat, als ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde, eine halbe Stunde am Tag betragen. Jetzt beträgt sie mehrere Stunden.
Ich hatte eine halbe Stunde am Tag, in der ich aktiv etwas tun konnte. Den Rest des Tages verbrachte ich im Bett schlafend oder dösend. Diese halbe Stunde weitete ich immer mehr aus. Heute sind es mehrere Stunden.
Der Jakobsweg war nur dadurch möglich, dass ich von all den Problemen zu Hause befreit war, ich brauchte nicht nachzudenken. Die gewonnene Energie schlug sich in Gehzeit nieder.
Aber es ist nicht nur diese tägliche Grenze, die mich auch heute noch reduziert und mich täglich zum Grenzgänger werden lässt.
Es ist auch der bewusst gesuchte Grenzgang. Wo ich etwas mache, was mich aus meiner Komfortzone bringt. Was mich weiter bringt.
Deshalb war ich Extremsportler. Ich habe mich immer wieder bewusst Situationen ausgesetzt, die außerhalb meiner Komfortzone gelegen sind.
Ich lerne seit zwei Jahren wieder das Gehen. Auch das ist für mich ein Grenzgang.
Am Anfang kämpfte ich gegen den Schwindel und ohnmächtig zu werden. Dieser Grat war sehr schmal.
Auch sie gehören zum Grenzgang. Meine Barrieren infrage stellen und wenn möglich zu überschreiten. Dazu müssen mir aber die Konflikte bewusst sein. Vieles geht Gedanken mäßig noch nicht. Dazu habe ich noch zu viele Defizite im Denk bereich.
Eine gute Streitkultur und dem Austragen von Auseinandersetzungen gilt es, für mich zu entwickeln. Dafür muss ich mir aber Zeit geben. Ich erfasse noch nicht alles im Gehirn und komme so leicht ins Hintertreffen. Auch da bin ich Grenzgänger.
Früher war es im Sport, wo ich mich einem Grenzgang ausgesetzt habe. Ob beim Bergsteigen oder dem Radfahren. Auch am Rad konnte ich viele Grenzgänge bestehen.
Bei -35 Grad in Alaska, im Sturm am Denali, durch die Sahara mit dem Fahrrad. Ich suchte immer wieder oft extremes aus. Ich scheiterte auch manchmal. Aber gerade das brachte mich weiter.
Mein heutiger Grenzgang ist damit nicht vergleichbar. Es kann ein jonglieren auf einem schmalen Steg über einen Bach sein. Ich bewege mich aber an der Grenze, wie früher.
Was bringt es mir, ständig meine Grenze auszuloten. Nun, nur indem ich mich dem aussetze, komme ich weiter und verschiebe bisherige Bewusstseins grenzen.
Gerade jetzt befinde ich mich wieder in solch einer Situation. Es gilt das zu spüren, was in mir brodelt und meine Lernaufgabe ist es, alles kontrolliert abfließen zu lassen.
Für manches ist es noch zu früh. Östliche Kampfkunst, Boxen oder Tanzen wären gut, um es abfließen zu lassen. Doch mein körperlicher Zustand reicht noch nicht dafür aus.
Es kommen immer öfter Themen auf, die aber noch zuviel Energie kosten. Heikle Themen belasten mich noch zu stark. Aber das ich auf sie treffe, zeigt mir, dass es nicht mehr weit weg ist, sie zu bearbeiten.
Mit dem Jakobsweg habe ich einen Grenzgang bewältigt, der mir eine Menge gebracht hat. Die nächsten Schritte sind nicht mehr weit. Das kontrollierte Abfließen lassen wird in nächster Zeit mein Lernprozess sein.