Am Tag nach meiner Ankunft in Santiago de Compostela geht es wieder weiter. Der Camino Finesterre, mit Muxia, steht an. Diese Runde ist besonders gut geeignet, um den langen Camino France zu verarbeiten, herunterzukommen und sich Zeit zu nehmen. Es sind geplante 230 Kilometer, mit dem Rückweg nach Santiago.
Heute, wo ich das niederschreibe, ist bereits über einen Monat vergangen, seit ich dort war. Es ist viel passiert seither und das fließt natürlich in mein Befinden, Fühlen und Bewerten ein. Denn manches verstehe ich jetzt besser, was mir damals noch nicht klar war. Für viele Dinge brauche ich noch immer lange, um es zu verstehen, bzw. es in mein Herz aufzunehmen.
Schon früh starte ich und mache noch Fotos vor der Kathedrale in Santiago. Mein übliches Cafe hat geschlossen, so muss ich mir ein neues suchen. Gesagt, getan und nach einem Kaffee mit Tostada, wie ein getoastetes Brot in Spanien heißt, gehe ich in einen kleinen Supermarkt und kaufe für unterwegs ein. Ich möchte zuerst nach Muxia, erst danach nach Finesterre und wieder nach Santiago zurückgehen.
Da ich Zeit habe, gehe ich langsam und möchte nur genießen, um die Zeit am Camino gut abschließen zu können. "Das Leben zelebrieren", war ein geflügeltes Wort meines Mit-Pilgers Günter, im Jahr 2019. Trinken und Snacks für unterwegs sind besorgt und los geht's.
Bergauf, bergab führt der Weg durch den Galizischen (Regen-)Wald, den ich schon Ende Februar in allen Grüntönen erleben darf. Der typische Eukalyptus Geruch tut mir gut, allerdings ist er hier nicht heimisch und verdrängt immer mehr die heimische Tier- und Pflanzenwelt. Daran muss ich immer denken und es bekommt einen Schalen Beigeschmack dazu.
In Negreira gehe ich in die öffentliche Herberge, wo ich als einer der ersten eintreffe und mein Bett beziehe. Alle öffentlichen Herbergen in Galizien sind neu renoviert, ein Ergebnis aus der Covid-Zeit. Es gibt hier ein eigenes WC und Badezimmer für Behinderte, einzig der Stiegen Aufgang ist der gleiche seit Jahren.
Über Eisengitter geht es nach oben oder unten. Wie ein Flamingo stolziere ich darauf herum, die Propriozeption lässt grüßen. Noch immer habe ich mit Eisengittern, besonders auf Brücken, meine Probleme, da reicht selbst schon ein Stiegen Aufgang. Solche Eindrücke durch die Umwelt, kann mein Gehirn noch nicht richtig verarbeiten. Die Wahrnehmung umfasst dabei Prozesse wie Reizaufnahme, Weiterleitung, Speicherung und Koordination.
Da die Sonne scheint, nutze ich die Zeit zum Waschen und kann die Wäsche im Freien aufhängen. Ein seltener Luxus im Winter, auch weil ich meistens bis zum späten Nachmittag unterwegs bin und die Sonne bereits im Untergehen ist.
Am nächsten Tag geht es nach Oliveiroa. Die öffentliche Herberge hat diesmal offen. Es ist kalt, aber dafür scheint die Sonne. Letztes Jahr hatte ich Regen und Sturm den ganzen Tag über. Besonders über einen steilen Hügel erwischte mich ein Sturmregen, wie ich ihn selten bisher erlebt habe.
Den ganzen Tag spaziere ich dahin und denke nicht viel. Irgendwie fühle ich mich am rechten Platz und auch wieder nicht. Darüber nachzudenken ist mir nicht möglich, um ein Warum zu finden. Ich rekapituliere den bisherigen Camino und versuche mich an Begebenheiten zu erinnern, die mir besonders in Erinnerung geblieben sind. So halte ich Rückschau über meinen bisherigen Weg und was er mir bisher gebracht hat.
Schon früh starte ich, aber alle Cafés haben noch geschlossen. Ich habe mich entschieden zuerst nach Muxia zu gehen und dann erst nach Finesterre. Nach den Camino-Wegweisern, wo einer nach Muxia und der andere nach Finesterre weist, geht es eine Zeitlang durch den Wald. Plötzlich kommen Gedanken in mir auf: Bin ich am richtigen Weg?
Die letzten beide Tage waren dafür da, alles bisher Erlebte zu verarbeiten. Es war ein toller, erlebnisreicher Camino, wo ich erstmals das Leben genießen konnte, statt in allem Therapie zu sehen. Es fehlte aber bisher die eine große Erkenntnis oder das Erlebnis, dass immer einen Wow-Effekt ausgelöst hat. Daher war ich mir nicht sicher, auf dem richtigen Weg zu sein. Wäre ich besser zuhause aufgehoben, in meiner Rehabilitation?
Normalerweise ein doch recht scheue Vogel, der schnell davon fliegt. Meistens sieht man seinen roten Schwanz noch im Wegfliegen. Dieser aber blieb etwa eineinhalb Meter vor mir sitzen, starrte mich an und zwitscherte, flog aber nicht weg, so als wollte er mir was sagen.
Am gesamten Weg bisher sah ich viele Rotkehlchen und viele Meisenarten, aber keinen einzigen Hausrotschwanz. Es war mein erster am Weg, nach einem Monat durch Spanien. Erst nach etwa 30 Sekunden flog er davon und ich schaue sofort nach, was er bedeutet.
Die genaue Bedeutung und was er mir sagen wollte, könnt ihr hier nachlesen. Ich habe einen eigenen Blog-Artikel dazu geschrieben (Zum Blog-Artikel). Hier reicht die Überschrift der Beschreibung dafür, die da lautete:
"Du bist auf dem richtigen Weg"
Die mich seit dem Morgen beschäftigende Frage, war damit beantwortet. Die Grübelei hatte ein Ende und ich schritt fröhlich mit mir und der Welt weiter. Es war wichtig, aus dieser Grübelei auszusteigen und wieder mehr auf mein Herz zu hören. Denn das Herz lässt mich im Hier sein und den Moment voll auskosten. Pflanzen, Insekten und die Natur bekommen dann wieder mehr Wichtigkeit und gerade das, tut mir gut.
Wenn diese Grübelei auch zum Glück nicht lange andauert, hält sie mich doch davon ab, mir gutes zu tun. Mein Gehirn funktioniert seit dem Hirnabszess anders und ich lerne jeden Tag dazu und besser damit umzugehen.
Überhaupt habe ich seit dem Beginn des Camino Finesterre das Gefühl, besser geerdet zu sein. Immer öfter weicht die Schwere meines Körpers einer Leichtigkeit, die ich in der Natur besonders spüre. In Städten wird es wieder schwerer, darum bevorzuge ich den Aufenthalt in der Natur.
In Muxia angekommen, gehe ich zuerst ans Meer. In der Nähe der Kirche Virxe da Barca lege ich mich auf die Felsen, hin zum Meer und spüre einen Frieden in mir. Einen Frieden, in mir angekommen zu sein. Minutenlang schaue ich auf die stürmische See, ohne einen Gedanken zu haben. In solchen Momenten fühle ich mich am wohlsten, mit den Elementen der Natur um mich.
Das Gehen hat eine gesundheitliche Komponente, die mir hilft, dem Leben einen Sinn zu geben. Mit dem Erreichen von Muxia habe ich rund 1.000 Kilometer im letzten Monat zurückgelegt. Jeder Meter davon ist ein Meter zu mehr Gesundheit und mehr zu mir selbst. Gesundheit und Heilung hat für mich vielleicht eine andere Bedeutung, als was die meisten darunter verstehen könnten.
Es sind in erster Linie der Geist und die Seele für mein Befinden verantwortlich. Denn ob ich daran verzweifle oder akzeptieren kann, wie es ist, findet in meiner Seele und dem Geist statt, nicht im Körper.
Fähigkeiten, die ich vielleicht nie mehr wiedererlangen werde. Was kaputt ist, ist kaputt, Nervenverbindungen zum Beispiel. Trotzdem arbeite ich daran, denn der Körper ist so toll, wie er manche Dinge plötzlich auf andere Weise zustande bringt und umgeht. Das geht nur Step by Step und gehen war mir am wichtigsten.
Mir fällt eine Sendung auf Arte ein, die vom Gehen handelt. Gehen für die Gesundheit, ist das Thema und es erklärt, was alles im Körper dabei passiert. Jede einzelne dieser Aussagen kann ich nur unterstreichen.
Das Gehen ermöglicht mir, mich in dieser Welt zurechtzufinden und kein Pflegefall zu sein. Das muss mir immer wieder bewusst bleiben, denn der Grad zurück, kann sehr schnell sein. Solange ich gehen kann, kann ich ein eigenständiges Leben führen und das möchte ich mir erhalten, solange ich kann. Niemals wieder möchte ich in eine so ausweglose Situation geraten.
Vor genau einem Jahr hatte ich den Nierenstein und durfte an mir sehen, wie schnell es auch in die andere Richtung gehen kann. Hier gehts zum damaligen Bogbericht.
Immer wieder ergoss sich ein kurzer Regenschauer über mich und um 16 Uhr komme ich zur öffentlichen Herberge, wo ich wieder der erste war. Nach mir kamen allerdings nur zwei weitere Pilger, die ich aber nur am Rande wahrnahm.
In einem nahen Café genehmigte ich mir einen Burger mit Pommes und ging zurück zur Herberge. Zufrieden schlief ich schon früh ein und konnte nach langer Zeit wieder einmal ohne aufzuwachen durchschlafen.
In der Früh ging ich als Erstes in ein Café, um zu Frühstücken. Dort traf ich auf den Pilger Kai aus Deutschland. Wir hatten einen guten Draht zueinander und in der nächsten Stunde erfuhr ich einiges über mich, bzw. über das, was mir die Numerologie, in Kombination mit der Astrologie, aktuell zu sagen hatte.
Das sind Dinge, die ich teilweise schon wusste, mir aber seit dem Hirnabszess entfallen sind. Die Stunde war eine Wiederherstellung meiner Synapsen in diese Richtung. Vieles habe ich zwar aufgrund des fehlendes Kurzzeitgedächtnis wieder vergessen, trotzdem ist mir einiges in Erinnerung geblieben und vieles war mir neu. Es waren Dinge, die ich hier nicht genau erläutern kann, um es niederzuschreiben. Es wird mir aber viel für die Zukunft bringen, vor allem, welche Themen bei mir in Zukunft eine Rolle spielen werden.
Im Nachhinein gesehen, bekam jede Entscheidung, jeder Schritt und jeder Tag seit dem Losgehen auf diesem Camino seinen Sinn. Manchmal fragte ich mich, warum gehe ich bloß 20 Kilometer? Einen anderen Tag fragte ich mich, warum gehe ich heute 55? Aber jeder Tag war genau richtig, um nach einem Monat, genau um diese Uhrzeit und an diesem Tag, hier in diesem Café zu stehen und diese Begegnung zu haben.
Wäre nur ein kleiner Baustein in den vergangenen vier Wochen anders gewesen, wäre ich nicht an diesem Platz gestanden und hätte den Pilger Kai nicht kennengelernt. Damit bekam das Krafttier Hausrotschwanz vom Vortag noch mehr Bedeutung, auf dem richtigen Weg zu sein. Dieses Gespräch rundete meinen Camino ab und es fehlte nur mehr mein Weg nach Finesterre, um ihn zu vollenden.
Der Camino Finesterre hat ja eine besondere Bedeutung, die ich in dieser Weise noch nie so erklärt bekommen habe. Muxia ist Wasser und Finesterre Feuer. Zusammen mit Santiago ergibt das ein Kreuz und gehört zusammen. Mit diesem neuen Wissen bekam mein Camino Finesterre eine neue Bedeutung, die ich so noch nicht kannte. Bei der Verabschiedung von Kai, gab er mir noch den Tipp, auf halben Wege nach Finesterre, im Restaurant in Lires, Pulpo zu essen. Es war der beste, den er je gegessen hat.
Gesagt, getan, es wurde auch für mich ein bisheriges Highlight in Sachen Kulinarik. Leider hat die ans Restaurant angeschlossene Herberge noch nicht offen, sonst wäre ich geblieben. Überhaupt ging ich es diesen Tag langsam an und trödelte auf dem Weg. An besonders schönen Stellen rastete ich, viel öfter als bisher, hatte keine Eile und nahm mir Zeit, die Gegend zu genießen.
So kam ich erst am späten Nachmittag in Finesterre an und nahm mir ein Einzelzimmer. Ich wollte in Ruhe meine Gedanken ordnen können, dazu war die Herberge nicht geeignet. Ich blieb nur kurz, denn ich wollte noch hinaus ans Cap, wo meine Reise erst wirklich zu Ende war.
Auf dem Weg dorthin traf ich auch eine Pilgerin aus England wieder, die von der Via de la Plata gekommen ist, sowie ihren französischen Freund, der eine Herberge in Saint Jean Pied de Port betreibt und seit Santiago dabei ist. Ich traf sie einige Tage zuvor, noch vor Santiago und konnte so einiges über die Via de la Plata in Erfahrung bringen.
Das neuerliche Gespräch verkürzte den Weg und die Sonne stand schon tief, als wir das Cap erreichten. So waren auch mir bekannte Gesichter am Cap und ich war nicht allein. Trotzdem suchten dort jeder seinen eigenen Platz, denn jeder hat ein eigenes Ritual, um seine Reise abzuschließen. Bald darauf begann der Sonnenuntergang, den ich bisher jedes Mal anders erlebt habe.
Nach längerer Zeit konnte ich diesmal wieder einen Sonnenuntergang erleben, denn letztes Jahr war das Wetter so schlecht, dass ich beide Male nicht bis zum Abend geblieben bin. Diesmal erinnerte es mich wieder daran, dass jeder Tag ein Ende hat und tags darauf neu beginnt. Auf jeden Untergang erfolgt ein Aufgang, als bildliches Gleichnis für das Leben, was besonders für mich gilt.
Es ist ein dankbarer Zustand, in dem ich mich befinde, dankbar dem Leben gegenüber. Es sind auch viele Touristen anwesend, unter denen sich aber nur eine Handvoll Pilger befinden. Allen gemeinsam ist, dass wir den Abend mit dem Schauspiel der Sonne genießen.
Es hat eine besondere Wirkung, bis ans "Ende der Welt" zu Fuß zu gehen und hier die Sonne unterzugehen zu sehen. Ich muss an die Pilger vergangener Zeiten denken und was für Strapazen sie auf sich genommen haben, um hier stehen zu können. Mir kommen auch viele Bilder aus den vergangenen Jahren und was ich seit dem Hirnabszess erleben durfte. Ja, auch ich bin dankbar hier stehen zu können, nach all dem, was ich durchgemacht habe.
Viele Bilder tauchen in meinem Gehirn auf, während ich auf die im Meer verschwindende Sonne schaue. Auf der einen Seite stehe ich hier mit dem Verstand, auf der anderen mit dem, was mein Herz fühlt. Gefühle und Gedanken springen umher und ohne dass ich es steuern kann, rinnen mir auch ein paar Tränen über die Wange.
Da ich um die Wichtigkeit der Tränen und Trauer weiß, möchte ich dem freien Fluss lassen. Daran hindert mich aber der umherspringende Verstand, der alles unterbindet, besonders aber, Gefühle spüren zu können. Kurze Momente sind möglich, aber sofort holt mich der Verstand zurück und lässt keine Emotionen zu. Er lässt mich in einer Verwirrung zurück. Ich arbeite daran, komme aber nur Stück für Stück damit voran.
Trotzdem verlasse ich freudig diesen Kraftort und bei beginnender Dunkelheit gehen wir Pilger zu Fuß zurück nach Finesterre, den schmalen Pfad entlang, neben der Straße. Dort treffe ich wieder auf meine Pilgerfreunde und wir unterhalten uns den ganzen Weg zurück. So erfahre ich viel über das Hospidalero-Dasein und was es für einen Unterschied macht, eine Herberge am Start des Camino France zu betreuen oder später, weiter im Lande.
Den Tag nach meiner Ankunft habe ich als Ruhetag eingeplant. Als Erstes geht es zum Wäschewaschen. Die Bedienung des Trockners ist kompliziert und aufgrund meines letztjährigen Erlebnisses bin ich vorsichtig. Stufe 2 beim Trockner sollte gehen und so warte ich 20 Minuten darauf, bis es fertig ist.
Ich sitze nur im Daunenanorak und der Regenhose da, denn alles andere habe ich gewaschen. Dann der Schock, wieder ist einiges eingegangen. Auch die Stufe zwei ist zu stark. Beide Unterhosen, die Haube und was mich am meisten schmerzt, die Fleecejacke sind derart eingegangen, dass ich sie nicht oder kaum mehr benutzen kann.
Zum Glück geht meine Hose noch und die Handschuhe. Auch die kurzen Leibchen sitzen etwas strenger, eines muss ich danach wegwerfen. Alles mit spezieller Gummierung ist dahin. Für die letzten Tage eigentlich nicht so schlimm, aber andere Gedanken kommen immer stärker in mir auf. Ich möchte noch weitergehen.
Nach diesem neuerlichen Schock im Waschsaloon spaziere ich durch den Ort und lasse es mir gutgehen. In einer Bar überlege ich, was ich jetzt mache. Ich bin jetzt einen Monat unterwegs und hätte noch Zeit. Der Camino Ingles kommt mir in den Sinn, er wäre in einigen Tagen machbar.
Als Alternative überlege ich auch den Camino Portugiese, der ab Porto in gemütlichen 10 bis 12 Tagen machbar wäre. Allerdings beginnt er eigentlich in Lissabon. Ich überschlage kurz die Distanz von 600 bis 700 km und komme darauf, dass ich es in den verbleibenden 25 Tagen schaffen könnte. Meinen Verstand schalte ich aus und lass das Herz entscheiden.
Da es sich zeitlich nicht ausgeht, nach Santiago zurückzugehen, beschließe ich doch den Bus zu nehmen und dann eine weitere Busverbindung nach Lissabon. Die Überlegung ist nämlich diese, von Graz aus zum Camino nach Lissabon zu gelangen, ist mir bisher zu weit gewesen, denn Fliegen kommt für mich (normalerweise) nicht infrage. Daher war der portugiesische Weg auch noch nie ein Thema für mich.
Als nutze ich die Gunst der Stunde und werde 8 Stunden mit dem Bus nach Lissabon fahren, zum Start des Camino Portugiese. Den Camino Finesterre beende ich somit in Finesterre und werde mit dem Bus zurückfahren. Die drei Tage zu Fuß würden mir am Ende fehlen oder zumindest unnötig Stress verursachen.
In Santiago angekommen, führt mich mein erster Weg in ein Sportgeschäft am Weg. Eine neue Fleecejacke bekomme ich stark ermäßigt und auf dem Weg zur Kassa frage ich noch um Schuhe. Meine derzeitigen haben 1.200 km drauf und reichen für etwa noch weitere 200 km. Da ich dann aber in der Pampa stehen würde, überlege ich mir neue zu besorgen.
Nach vielem Anprobieren bringt mir der Chef des Geschäfts einen Hoka Mafate, sogar das neueste Modell, die er mir mehr als günstig gibt. Allerdings ist er ein wenig zu groß. Die rettende Idee kommt mir im Austauschen der Einlagen, auf meine zwar schon durchgegangenen speziellen Einlagen, aber er passt damit recht gut. Mit diesen neuen Teilen werde ich mich auf den Camino Portugiese wagen.
Mit den Erlebnissen am Camino Finesterre kann ich einen recht guten Zwischen-Abschluss unter einem Monat unterwegs sein ziehen. Meine Wahrnehmung hat sich wieder verbessert und beim Gehen fühle ich mich stabiler.
Das größte war allerdings für mich, dass ich erstmals gehen konnte, ohne etwas verbessern zu wollen. Das brachte mich dazu, den Weg anders genießen zu können, als wie bisher. Bisher war es so, dass ich in allem, was ich getan habe, Therapie sah. Dass es diesmal nicht so war, ist zu einem Großteil auf das therapeutische Tanzen zurückzuführen, mit dem ich schon so lange arbeite.
Mein sechster großer Camino brachte mir viele tolle Momente im Hier und Jetzt, die für mich so wertvoll sind. Aufgrund meines eingeschränkten Denkvermögens und dem fehlenden Kurzzeitgedächtnis, geben mir solche Erlebnisse wie am Camino einen Sinn im Leben. Gehen eröffnet mir eine Tür zur Welt!
Gehen ist für mich eine Kunst geworden. Wie ich mich bewege, so fühle ich mich. Gehen und Bewegen ist ein Gradmesser geworden für mein Befinden geworden, nicht zuletzt durch das therapeutische Tanzen. Am Camino beginnt jetzt auch meine Seele zu heilen, denn wie sagte schon Platon:
"Willst du den Körper heilen, musst du zuerst die Seele heilen!"
Teil 6 wird die Extrameile Camino Portugiese sein. Es ist viel passiert in den letzten Wochen, daher tut es gut, es mit ein bisschen Abstand zu schreiben.
Bis bald und Buen Camino