Meine Muskelschwäche hat sich erst nach und nach heraus kristallisiert. Zwei Jahre konnte ich nur üben und meinen Körper trainieren. Diese Schwäche beim Bergaufgehen und die Kurzatmigkeit waren mir schon länger verdächtig.
Nach dem Camino Norte musste ich mehr nachforschen, denn die Verbesserungen hielten sich in Grenzen. Meine Defizite sind mit dieser Schwäche noch schwieriger zu verbessern. An eine Muskelschwäche in diesem Ausmaß habe ich nie gedacht. Ich arbeite somit nicht nur gegen die normale Alterung des Körpers, sondern auch gegen die neurologischen Schäden und die Muskelschwäche an. Das Kurzzeitgedächtniss und das aufbauende Denken sind eine andere Baustelle.
Die Übertragung der Signale von den Nerven an die Muskeln funktioniert kaum oder gar nicht. Das macht es umso schwieriger, die Bewegung zu kontrollieren. Automatisches Gehen ist noch immer nur schwer möglich, wie auch alle andere Bewegungen, die jeder ohne nachdenken ausführt.
Bei Wikipedia wird Muskelschwäche so beschrieben:
Mein Körper besteht aus etwa 600 Muskeln. Sie ermöglichen mir, mich zu bewegen oder Gegenstände zu heben. Wenn diese Kraft nachlässt, spricht man von Muskelschwäche. In den meisten Fällen ist sie nicht heilbar.
Es gibt sie in verschiedensten Formen. Nach dem Fitnessstudio oder nach Sporteinheiten hat wahrscheinlich jeder eine Muskelschwäche, die normal ist. Die andere Form ist eine durch körperliche Erkrankung erworbene oder eine angeborene, welche die Bewegung einschränkt.
Es gibt viele Arten Die Auswirkung ist einmal erst die gleiche, nämlich eine Körperschwäche, die sich nicht oder kaum verbessern lässt. Der Unterschied liegt im Verlauf. Von wenigen Monaten Lebenserwartung inklusive Muskelschwund, bis keine Auswirkung auf die Lebensdauer ist alles möglich. Allen gleich ist die Kraftlosigkeit.
Welche Art genau ich habe, weiß ich nicht. Die Diagnose ist schwierig und im Endeffekt egal. Seit dem Hirnabszess ist es ein Leben im JETZT und so soll es auch weiterhin bleiben.
Natürlich akzeptiere ich den Ist-Zustand, aber ich gebe mich nicht damit zufrieden. Ich werde auch weiterhin auf mich hören und tun, was mir gut tut.
Die Muskelschwäche begleitet mich seit bald 4 Jahren. Zu lernen, wie ich damit umgehe, ist ein wichtiger Bestandteil. Der Hirnabszess war der Anfang einer Reise zu mir selbst und wird es noch lange bleiben.
Dieser Tage ist mir ein Podcast von Stefan Glowacz unter gekommen. Für ihn war und ist das Klettern auch eine Lebensschule, so wie es bei mir der Radrennsport war.
Ich empfehle ihn anzuhören. Zum Podcast geht es hier.
Ich war öfters beim Bewegungstraining in der Zigeunerhöhle beim "Klettern". Es funktioniert schon immer besser, mich in der Wand zu bewegen.
Besonders geht es mir da um die räumliche Wahrnehmung. Ich steige ja nur knapp über dem Boden dahin, nach rechts und links. Dabei achte ich darauf, die Füsse gut zu bewegen, um immer stabil stehen zu können. Dafür muss ich auch die Hände gut benutzen, um gut zu stehen.
Das Schauen, Wahrnehmen und Bewegen kann hier super trainiert werden. Mehr als eine Minute halte ich am Stück durch, mehr geht noch nicht. Bei den ersten Versuchen im Frühjahr war schon nach 30 Sekunden Schluss. Ich bin aber mehr als happy, dass der Schwindel mich beim Klettern nicht mehr so stark behindert. Das ist ein großer Fortschritt. Einzig die Muskelschwäche behindert mich auch hier sehr.
Probiert habe ich schon vieles, aber aufs Rad habe ich mich noch nicht getraut. Gleichgewicht und Schwindel haben mich davon bisher abgehalten. In den letzten dreieinhalb Jahren bin ich rund 6000 km gegangen, daher suchte ich nach neuen Herausforderungen.
Der erste Schritt war, dass ich mein Rad aus dem Keller holte, in dem es seit bald vier Jahren Staub ansetzte. Es sollte noch mehrere Wochen vergehen, bis ich Luft in die Reifen pumpte, es putzte und mich einmal drauf setzte. Die Rennposition behagte mir aber nicht. Ein neuer Lenker und Vorbau musste her.
Wieder vergingen einige Wochen, bis ich das Rad umbaute. Die Lust es zu versuchen war zu groß und selbst das kalte Wetter konnte mich nicht davon abhalten. Ich musste natürlich vorsichtig beginnen und rollte ein paar mal im Hof auf und nieder. Langsames fahren war ok und so kam ich zu meinen ersten Metern seit 2016.
Es war ein super Gefühl, denn diese Bewegung habe ich doch 20 Jahre trainiert und Leistungsmäßig ausgeübt. Ich fühlte mich wohl am Rad, blieb aber am Weg hinter dem Haus. Ich legte etwa 500 Meter zurück. Es war anstrengend, hat aber meinem Körpersystem gut getan, es einmal anders zu belasten.
Interessant war dann das Absteigen. Schwankend, wie auf einem Schiff, verließ die Koordination meine Beine. Ich ging schnurstracks hoch in die Wohnung und legte mich hin, um den Körper zu beruhigen. Mein System war zwar durcheinander, aber ich fühlte mich nicht unwohl.
Auf die Strasse fahre ich noch nicht, die Gefahr etwas zu übersehen wäre zu groß. Meine Reaktion ist noch zu sehr verlangsamt.
Es wird seine Zeit brauchen, aber es wird ein gutes Training in der Zukunft sein. Die Muskelschwäche habe ich natürlich sehr gespürt, aber mit dem Radfahren habe ich ein tolles Training zur Hand, was mir in Zukunft sicher viel bringen wird. Es wird aber noch einige Zeit brauchen, da die Kälte nicht ideal ist und ich mich langsam an diese neue Art der Belastung gewöhnen muss.
Aber fürs Gehen brauchte ich ja auch mehrere Jahre. Das alles länger braucht, daran habe ich mich schon gewöhnt. Ich kann nur im JETZT weitermachen und ich werde auch in Zukunft alles versuchen, um wieder kräftiger zu werden.