Bin ICH noch ICH, ein geflügelter Satz unter Menschen mit Hirnschädigungen. Auch ich stelle mir immer wieder diese Frage! Hochsensibilität hat durch den Hirnabszess Einzug gehalten. Es dauerte aber, bis ich das erkannte.
Wieweit hat der Hirnabszess oder die Feinfühligkeit mich oder mein Wesen verändert? Ich kann es nicht sagen.
Mein Gehirn streikt dabei, darüber nachzudenken, wer oder was ich bin. Ich fühle mich dabei zweigeteilt, als ob das Gehirn mit dem Denken und die Seele nicht zusammengehören. Dazu kommt noch die Bewegung, die ebenfalls gedacht werden muss.
Dieses viele Denken in so vielen Richtungen, das macht es so besonders anstrengend. Ich kann mich selbst beschreiben, wie es mir geht und wie ich fühle, mehr noch nicht oder nur sehr schwer.
Besonders gut tun mir tiefere Gespräche, wo ich erst im Verlauf auf viele Dinge drauf komme und verstehe. Instinktiv spüre ich richtig oder falsch, aber ich kann es nicht ausdrücken. Gerade die Hochsensibilität lässt mich viel fragen, aber ich finde keine Antwort.
Es ist eine spannende Zeit, zu sehen wie mein Gehirn funktioniert oder auch nicht. Es warten immer wieder viele Herausforderungen auf mich.
Wo stoße ich an Grenzen, wie kann ich sie umgehen oder muss ich sie akzeptieren? Wie gehe ich um damit, wie reagiere ich darauf? Dinge, die ich erst wieder lernen muss.
Leider werde ich immer wieder im Alltag damit konfrontiert und meine Hochsensibilität behindert mich. Ich habe kaum Gelegenheit dazu, es in einem geschützten Raum zu lernen. Meine Reaktionen fallen dann halt so aus, wie ich gerade drauf bin. Einmal so und einmal so. Ich kann nur auf etwas kurzfristig reagieren.
Ich bin vor einiger Zeit auf einen Filmbericht des Bayrischen Rundfunks gestoßen. Ein Redakteur hatte bei einem Sturz eine Gehirnblutung erlitten und erzählt ausführlich über seine Erlebnisse. Für mich sehr interessant, weil er auch die Problematik der Zorn oder Wutanfälle, besser gesagt die Steuerung der Emotionen, anspricht.
Nun, ich denke schon, dass Ich noch Ich bin, aber ich funktioniere nur halt nicht mehr in der Geschwindigkeit wie früher. Mein Wesen ist verlangsamt, was verwirrend sein kann. Ob Bewegung oder Denken, überall habe ich die Langsamkeit in mir.
Ich sehe diese Langsamkeit natürlich oft als Hindernis, weil ich es anders gewohnt war. Geduld und mir Zeit lassen musste ich erst lernen.
Dazu kommt aber ein Thema, dass mich am meisten beschäftigt und was ich erst lernen muss, damit umzugehen. Es erfordert gleich viel Arbeit, wie Gehen und Bewegen lernen.
Mit der Hochsensibilität tue ich mich sehr schwer. Alles muss von Grund auf neu erlernt werden. Dazu der richtige Umgang damit.
Ich war schon früher Hochsensibel, allerdings hilft mir das jetzt nicht weiter. Ich konnte ja auch gehen, aber auch das hilft mir nur bedingt weiter. Es gehört eben alles neu gelernt.
Früher konnte ich damit umgehen, jetzt nicht mehr.
Am meisten nehme ich meine offenen Sinnesschranken wahr. Das beste Beispiel ist die Stadt oder ein Einkaufszentrum. Die Reizüberflutung bringt mich dort schnell an meine Grenze.
Das Gegenteil dazu ist der Wald oder die Natur. Sie beruhigt mich und lässt mein System runterfahren. Gehen in der Stadt oder durch den Wald ist ein großer Unterschied.
Das habe ich vorher auch schon gespürt, aber durch die offenen Sinnesschranken schlägt negatives schneller durch. Ein Tag in der Stadt braucht zwei bis drei Tage Erholung zu Hause oder im Wald. Ich erlebe alles intensiver und detailreicher, negatives wie positives.
Ich kann es kaum beschreiben. Erst ein Jahr später konnte ich wieder zu denken beginnen. Das hat sich sehr langsam entwickelt und ist jetzt, bald drei Jahre danach, noch nicht abgeschlossen.
Es ist etwas passiert, das ich lange nicht benennen konnte. Die Wörter fehlten mir dazu. Zumindest bin ich schon so weit, dass ich darüber schreiben kann. Sprechen fällt mir noch immer schwer.
Es ist die emotionale Wahrnehmung. Für mich ein Fluch und Seegen zugleich, da ich es noch nicht steuern kann. Als Energetiker hatte ich diese Wahrnehmung auch schon und überhaupt war ich ein Mensch, der sich sehr gut spürte. Schon als Radrennfahrer trainierte ich lieber nach Empfinden, als genau nach Plan.
Aber an diesem Empfinden hat sich einiges geändert, es ist offensichtlicher geworden. Ich konnte es in den ersten Monaten nicht erklären und tue mich noch immer schwer. Es fehlen mir die Wörter und Gedanken dazu. Wie aber sonst erklären?
Plötzlich war das veränderte Verhalten an Menschen, auch das kleinste, scheinbar greifbar für mich. Ich konnte aber nicht unterscheiden zwischen wahr oder falsch, denn ich fühlte oft anders, als man mir gegenüber mitteilte. Ich verlor das Vertrauen in mich. Was ist wahr oder falsch?
Darüber nachdenken konnte ich nicht. Meine Frage war wie in einer Warteschleife abgestellt. Der gleiche Zug fährt immer wieder vorbei. Ich konnte keine Gedankenfolge anstellen. Das ist leider auch heute noch so.
Es wirken die Mimik, die Tonhöhe, aber auch Gesten auf mich, einfach alles. Ich brauche nur jemanden anzuschauen und ich weiß, wie es der Person geht. Hochsensibilität pur.
Ich kann es nicht in der Intensität steuern, so sehr ich das auch versuche. Es gibt nur eine Möglichkeit mich davor zu schützen, komplett ausschalten und ignorieren. Allerdings schalte ich damit auch meine Gefühle ab, es geht nicht anders.
Es belastet mich so sehr, dass ich keine andere Möglichkeit sehe. Konnte ich es früher als Energetiker und im Gesundheitsbereich sehr gut nutzen, so wurde dieser Seegen für mich jetzt zum Fluch.
Langsam lerne ich es wieder zuzulassen und als gut anzuerkennen. Aber das braucht noch einige Zeit. Denn dazu gehören weiterführende Gedanken, denen ich noch nicht mächtig bin.
Step by Step, wie in allem anderen auch. Ich muss erkennen, wann ich da reinfalle und die eigene Grenze überschreite. Denn ich tue mir damit nichts Gutes.
Das ist aber in unserer Gesellschaft nicht leicht. Denn man sieht es mir ja nicht an. Für die Allgemeinheit schaue ich ja funktionierend aus. Da ich aber im Denken so langsam bin, kann ich mich auch nicht mitteilen. Ich bin überfordert mit der Situation. Die einzige Möglichkeit für mich ist dann der Rückzug oder mich quasi ausschalten.
Es ist mir bewusst, dass ich damit den einen oder anderen vor den Kopf stoße, aber ich muss in einem solchen Moment auf mich schauen und darf nicht für andere über meine Grenze gehen.
Das Gehirn hat mich fest im Griff, aber ich beginne, meinen Körper mit seinen Elementen wieder zu vereinen. Eine meiner großen Aufgaben, neben der Bewegung, die ich wieder zu lernen habe.
"Du bist nicht perfekt, Du ringst und kämpfst…..aber Du hast es verdient, geliebt zu werden und dazu zu gehören.
Brené Brown