Vor genau drei Jahren kam ich nach fünf Monaten Aufenthalt im Krankenhaus nach Hause und meine Rehabilitation konnte beginnen. Diesen Tag werde ich nicht vergessen, denn er wurde einer der Emotionalsten seit dem Hirnabszess. Ich besuche die mächtigen Felsen beim Eingang zum Zigeunerloch und es wurde ein nachdenklicher Tag mit vielen Gedanken daran, wo ich heute stehe.
Ich habe jetzt drei Jahre hinter mir, in denen nichts blieb wie zuvor. Ich musste lernen, alles Stein für Stein neu aufzubauen. Weiter als bis zu den Grundmauern bin ich noch nicht gekommen.
Es war eine der ersten Routen in Österreich, die im 10. Schwierigkeitsgrad lag. Imposant für mich, unter diesen Felswänden zu stehen. Ich wusste erst selbst nicht, warum es mich zum Zigeunerloch zog.
Erst als ich unter den gewaltigen, überhängenden Felsen stand, bekam ich eine Ahnung davon, was es mir zu sagen hat. Das Klettern in luftigen Höhen erfordert Mut und ist nur nach langem Training möglich. Es steht gleichbedeutend für mein Leben, für das ich Mut und Geduld brauche.
Mutig meinen Weg gehen, meine Komfortzone verlassen und mir zu Vertrauen, dass ich das Beste für mich finde und mache. Ich weiß nicht, wie lange es noch dauert oder ob es wirklich besser wird. Daher nutze ich jede Gelegenheit, mit dem was mir zur Verfügung steht. Die Bewegung hat einen dabei sehr großen Stellenwert bekommen.
Klettern als Therapie steht schon länger auf meiner Liste. Die Gelegenheit bietet sich mir aber nicht oft und immer nur in Form von künstlichen Wänden. Wann immer es geht, bin ich in Graz an der Mur. Es galt bisher mich daran zu gewöhnen, mich überhaupt in eine Wand zu trauen.
Man sieht es mir fast nicht an, aber mein größtes Manko ist die Kraft. Fitnessstudio, spezielles Krafttraining und diverse Übungen haben mir bisher nur wenig in Bezug auf den Umfang gebracht. Muskelstärke aufbauen ist ein neurologisches Problem und geht nur sehr langsam vor sich.
Aber das es langsam geht, heißt noch lange nicht, darauf zu verzichten, weil Augenscheinlich nichts weiter geht. Es muss was weitergehen, denn immerhin bin ich zum Jakobsweg gefahren. Ich fühle mich zwar noch Kraftlos, aber zumindest kann ich mich schon fortbewegen. Zwischen Gehen und Fortbewegen habe ich einen Unterschied. Zum Gehen fehlt das Automatische und die Leichtigkeit. Darum spreche ich noch so oft vom "Gehen lernen".
Dieser Spazierweg war mein Feiern. Ich war glücklich, seit dem Hirnabszess schon so viel geschafft zu haben. Sicher, es kann immer mehr sein, allerdings darf ich nicht vergessen, was ich erlitten habe. Es hätte viel schlimmer ausgehen können.
Ich stieg noch ein bisschen an der Wand herum und mache mich dann auf den Weg neben der Mur. Ich genoss den Tag und hing meinem Gedanken nach, was ich in den drei Jahren erlebte.