Die letzte Woche war sehr abwechslungsreich. Herkömmlichen Therapien wie Krafttraining, Gehirntraining, Elektrotherapie und koordinatives Training, stehen alternative Heilmethoden, wie "Waldbaden", Tautreten und Meditation gegenüber.
Manches ist neu gekommen, vieles übe ich schon länger aus. Zwei recht einfache Methoden, die nicht nur bei Krankheit gut sind, möchte ich heute vorstellen.
Mein Fulltime-Job besteht darin, alles mir mögliche für meine Rehabilitation und Genesung zu tun. 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche. Natürlich nicht die ganze Zeit über, aber doch die meiste. Es bleibt mir auch gar nichts anderes übrig. Denn diesen Zustand kann ich nur begrenzt lange durchhalten.
Mich um Familie und Beziehung zu kümmern, ist auch Therapie. Es gibt in diesem Sinne kein "normales" Leben derzeit für mich. Alles, jeder Handgriff wie auch das tägliche Leben, ist Therapie. Ich kann es nur annehmen und es ist nun einmal so, wie es ist.
Meine Einsatzfähigkeit ist noch immer zeitlich beschränkt und ich muss mir die Zeit genau einteilen, für was ich meine Energie verbrauche. Habe ich einen gewissen Punkt überschritten, geht nichts mehr.
Einen (Trainings-) Plan habe ich derzeit nicht, denn ich muss mich nach meinem Befinden richten. Es gibt eine Auflistung der Dinge die mir helfen und wie oft ich sie in der Woche anwenden soll. Daraus ergibt sich dann ein Zeitplan, denn ich einzuhalten versuche. Ich möchte möglichst viel unterbringen, es bleibt aber beim Versuch. Zu oft passiert etwas Unvorhergesehenes, dass alles durcheinander wirft.
Einen Fixpunkt stellen die herkömmlichen Therapien und Übungen dar. Derzeit ist das Fitnessstudio ein solcher, etwa zwei- bis dreimal mal die Woche. Meine Skelettmuskulatur muss aufgebaut werden, denn ohne die geht gar nichts. Da ich mich noch nicht so belasten kann, gehe ich eben mehrmals die Woche und arbeite moderat.
Kurzfristige Demotivation brachte die Physiotherapeutin, die mich Anfang des Jahres bei der Behandlung verhaute. (Hier geht es zum Bericht)
Ich arbeitete bereits über ein Jahr an meiner Rehabilitation, inklusive Krafttraining und sie meinte nur: "Da ist ja keine Muskulatur am Rücken, da müssen sie unbedingt was machen!". Sie begriff anscheinend nicht, dass ich absolut bei null begonnen habe und es noch lange dauern würde, bis ich einigermaßen stabil bin. Ich tat mich damals noch schwer mit Denken, aus diesem Grund traf es mich stark, hatte ich ihr bei der Aufnahme doch gesagt, worum es geht.
Dehnen und Bodenübungen sind ein weiteres, was ich im Studio gut abarbeiten kann, weil ich motivierter bin. Rund um dieses Gerüst baue ich dann meine alternativen Heilmethoden ein.
Allerdings, mein "Denken" wird nur langsam besser, das beeinträchtigt natürlich vieles. Der Wunsch vieler, dass ich "normal" funktioniere, ist da. Allerdings ist es, wie es ist. Ich darf mir keinen Druck machen, anderen zu entsprechen und funktionieren zu müssen.
Der Thalamus-Abszess beeinträchtigte die Schaltzentrale für Wahrnehmung und Bewegung. Einerseits wurde das Zentral-Nervensystem für die Bewegung beschädigt, was heißt, dass ich alle Bewegung neu lernen muss und noch. Andererseits ist auch meine Wahrnehmung betroffen, ich sage immer "mein Denken" dazu.
Speziell ist das Kurzzeitgedächtnis betroffen. Ich versuche es durch Denkaufgaben und mit einem Computerprogramm zu verbessern. Spezielle Nahrungsergänzungen sind Bausteine, die Synapsen und die Funktion des Gehirns wieder herzustellen.
Ein wichtiger Punkt wurde für mich der Wald. Schon lange bevor ich den Begriff "Waldbaden" hörte, nutzte ich ihn für mich. Die Farbe Grün und die Stoffe des Waldes und der Bäume, die sogenannten Terpene, haben einen guten Einfluss auf mich. Waldbaden wurde in letzter Zeit immer bekannter. Immer öfter sind dementsprechende Artikeln in diversen Zeitschriften zu lesen.
Der Wald ist wie eine Aromatherapie. Wir atmen die ätherischen Öle ein, welche die Bäume in die Luft abgeben. Viele Zustände verringern sich, wie Angstzustände, Depressionen und Wut. Für mich das wichtigste, Stresshormone werden abgebaut.
Der Wald wirkt auch wie ein Antidepressivum. Grünflächen haben einen beruhigenden Effekt auf mein Gehirn. Bäume tun besonders gut. Wie sagte der Schriftsteller und Arzt, Anton Pawlowitsch Tschechow:
"Die Natur ist ein sehr gutes Beruhigungsmittel."
In der Tat, der Wald beruhigt. Der Begriff "Waldbaden" beschreibt es sehr gut. Man badet in den Farben, Gerüchen und Lauten des Waldes. Ich gehe auf schmalen Pfaden zwischen den Bäumen, setze mich hin, lausche den Geräuschen um mich herum und nehme die Gerüche wahr. Der Wald lässt mich eintauchen und seine Hilfe annehmen.
"Alle ausgewachsenen Bäume sind imstande, Harmonie zu übertragen, wenn das Nervenzentrum an den Stamm gelehnt wird"
Paulo Coelho, Der Jakobsweg
Es reicht, langsam durch den Wald zu gehen. Man braucht keinen Sport zu betreiben oder zu glauben, sich anstrengen zu müssen. Genuss ist hier gefragt, den wir uns oft versagen. "Ich habe keine Zeit", ist die Ausrede der Stunde, man hört es immer wieder.
Ich setze mich oft an einen Baum und lehne mich dagegen. Manchmal umarme ich auch einen. Ich fühle mich dann besonders geerdet und spüre, wie sich die Nervenbahnen mit dem Baum verbinden.
Die Farbe Grün hat mich schon im Krankenhaus angezogen. Ich ließ mich in den Aufenthaltsraum bringen und schaute auf den nahen Wald. Es wurde gerade Frühling und ich konnte mich nicht satt sehen an den Grün-tönen. Es war fast nicht zum Aushalten und ich fühlte mich eingesperrt. Es sollte noch Wochen dauern, bis ich das erste mal ins Freie durfte.
Das Tautreten ist eine weitere Methode, die ich für mich entdeckte. Mein Gefühl in den Füßen ist gestört, durch die Beschädigung der Nervenbahnen. Ich kann gehen, ich spüre den Boden, habe aber kein Gefühl für die Bewegung. Bodenunebenheiten sind eine Herausforderung. Schiefe oder seitlich abhängende Wege muss ich sehr bewusst angehen.
Jeder abweichende Winkel der Füße muss bewusst gedacht werden. Denke ich nicht, ist stolpern oder schlenkern der Beine die Folge. Wie betrunken torkle ich dann, falle im schlimmsten Fall hin. Tautreten kann mir helfen, wieder mehr Gefühl in die Füße zu bekommen. Das Immunsystem wie auch die Fußmuskulatur und das vegetative Nervensystem werden gestärkt und außerdem die Fußreflexzonen aktiviert.
Zwei, drei Minuten, am besten täglich, reichen dafür, den Boden und den Tau spüren. Danach ziehe ich die Socken wieder an, ohne mich abzutrocknen und schlüpfe in die Schuhe. Ein gutes Gefühl macht sich breit.
Außerdem habe ich mir angewöhnt, immer wieder ohne Schuhe zu gehen. Meine gesamte Muskulatur im Körper hat gelitten. Barfuß gehen ist somit förderlich für mich. Denn auch das Gehen wird damit geschult. Ich muss allerdings aufpassen nicht zu lange Barfuß zu gehen, um Verspannungen oder Muskelkater zu vermeiden. Jede Veränderung nehme ich extrem wahr. Somit ist auch ein langsames Angewöhnen daran notwendig.
Ich aktiviere damit meine Akkupunktur-punkte, was wiederum förderlich ist, für das Gefühl in den Füßen. So geht Tautreten und Barfuß gehen Hand in Hand.
Diese zwei Hilfen habe ich für mich gefunden. Fast alle meine Therapien und Übungen habe ich aber auch schon früher gemacht. Stabilitätsübungen zum Beispiel war für das Trailrunning Pflicht. Heute ist es ein wichtiger Teil des Ganzen. Keine Aufwendigen, das einfachste ist im Moment gut genug.
Mein fehlendes Kurzzeitgedächtnis lässt mich die Übungen immer vergessen. Dafür habe ich spezielle Karten als Vorlage. So vergesse ich keine Übungen.
Gehirntraining sollten ebenso immer wieder gemacht werden, nicht erst im Bedarfsfall. Ein Computerprogamm hilft mir dabei mit einfachsten Übungen. Im ersten Moment als ich es sah, dachte ich nur: "Oh Gott, das ist ja für Volksschüler!". Jetzt, ein Jahr später, übe ich noch immer mit diesen Spielen und es ist noch immer eine Herausforderung.
Der Spaziergang im Wald gehört mittlerweile für mich zum Leben und nicht erst dann, wenn man nicht mehr auskommt.
Was ich auch gerne mag sind Tibetische Weisheiten, zusammengefasst von Drukpa Rinpoche. Es sind wahre Worte, die wir aber nicht immer leben können, so gerne wir das auch täten. Ein Spruch ist mir besonders in Erinnerung geblieben:
"Hüte dich vor negativen Gedanken, denn sie greifen Körper und Geist an. Sie sind die ersten Symptome des Übels. Heile deinen Geist, wenn du deinen Körper heilen willst. Schule dich in positiven Denken, selbst in den Prüfungen deines Lebens."
Diese Worte sagen viel. Die Kraft der Gedanken machen einen wesentlichen Teil meiner Rehabilitation aus. Es ist in schwierigen Phasen oft nicht einfach positiv zu bleiben. Man verfällt leicht ins Jammern und wählt Worte, die negativ behaftet sind. Wie sagte schon die Bibel: "Dir geschehe nach deinem Glauben!"
Diesen Glauben heißt es immer wieder zu überprüfen und dazu gehören die Worte. Wie spreche ich über was oder wie denke ich über etwas? Aus diesem Grund mache ich auch im Moment beim Jammerfasten von Peter Beer mit.
In meinem Fall zum Beispiel die Krankheit oder eben in all den Dingen, wo ich Prüfungen unterzogen werde. Kann ich ruhig bleiben und bin ich mir meiner Gedanken dazu bewusst? Oder jammere ich und schimpfe?
Es ist manchmal eine Herausforderung. Gerade die Steuerung meiner Emotionen sind durch den Thalamusabszess in Mitleidenschaft gezogen worden. Ich muss immer innerlich nachfragen, was ist jetzt angebracht. Dazu achte ich auch auf die Worte.
Im ersten Jahr nach der Krankheit reagierte ich auf Vorkommnisse gleich mit Hundert. Ich stand oft neben mir, beobachtete mich selbst und fragte mich, was und wieso ich das mache. Darum ist das bewusst werden, wie ich reagiere, ein wichtiger Bestandteil. Nicht gleich zu reagieren, sondern es anzuschauen, was macht es mit mir und nach einiger Zeit wird es klarer.
Habt ihr das eine oder andere in euer Leben bereits integrieren können? Wenn nicht, dann ist immer Zeit für einen Anfang. Man braucht nicht so krank werden wie ich, damit man damit anfängt. Man bekommt nicht gleich die Belohnung, aber im Alter erhalten wir sie. Dann sind wir dankbar dafür.
Wenn ihr Ideen habt oder auch etwas macht, dass mir helfen könnte, lasst es mich wissen! Da ich noch nicht alles denken kann, bin ich auf Denkanstöße von Außen angewiesen und dankbar dafür!
Ja, ich habe es geschafft. Geschafft, mich selber zum Ersten mal seit dem Hirnabszess zu filmen. Ich habe schon früher meine Reisen und Abenteuer in Bild und später in Film fest gehalten. Dieses mal war es anders. Von meinem größten Abenteuer bisher gibt es vom Anfang nur ein paar Fotos und keine Filmaufnahmen. Ich selber konnte nicht und meine Familie dachte nicht daran oder wollte auch nicht.
Daher gibt es vom ersten Jahr meiner Krankheit keine Bilder oder Filmaufnahmen. Es wäre für mich gut gewesen, zumindest als ich wieder zu Hause war, meinen Fortschritt festzuhalten. Die wenigen Filmaufnahmen, die es gibt, helfen mir, mich auf eine neue Art wahrzunehmen. Den ersten Film von mir gab es im Rahmen des Beitrages auf Puls4 im letzten Herbst. Damals habe ich mich zum Ersten mal, seit dem Hirnabszess, selber in Filmaufnahmen gesehen.
Es hat mich erschreckt, wie ich auf den Bildern unsicher durch die Gegend wanke. Selbst nahm ich mich nicht so wahr. (Hier der Filmbericht von Puls4)
Im Wald, vor mir die GoPro, versuchte ich festzuhalten, wie es mir geht.
Besonders die Bewegung kann ich per Video gut für mich analysieren. Denn es ist noch immer vordergründig, dass ich mich nur auf einen Gedanken fokussieren kann und dann erst auf den nächsten. Multitasking ist eine immense Herausforderung für mich.
Besonders schwer, wenn ich eine dahingehende Übung mache. Filmen ist deswegen eine Herausforderung, weil es an so viele Punkte anknüpft. Vielleicht werde ich in nächster Zeit öfter damit hantieren.
Dieses Multitasking wieder zu erlernen, ist essenziell für mich. Denn es behindert alles, was das Leben ausmacht. Zumindest habe ich dieses Gefühl. Um in unserer Gesellschaft bestehen zu können, ist diese Fähigkeit unabdingbar. Andererseits habe ich kein Problem damit, das mir diese Eigenschaft fehlt. Eigentlich lebe ich besser damit.
Es darf egal sein, wenn ich mich nicht, wie gewollt, ausdrücken kann. Wenn ich, auf den Film bezogen, nicht immer die richtigen Worte finde. Wenn ich eigentlich wirr durcheinander und nicht strukturiert vorgehen kann. Damit habe ich Probleme, gerade im Film und oder beim Schreiben meines Buches.
Trotz der Probleme, werde ich weiter machen. Denn es ist eine sehr gute Therapie für mich und außerdem möchte ich durch das Aufzeigen meines Schicksals darauf hinweisen, dass in unserer Gesellschaft Inklusion noch immer nicht Wirklich ein Thema ist. Alleine das Wort ist schon schwierig. Die meisten Menschen kennen es noch nicht einmal.
Trotz meiner Handicaps möchte ich noch einiges erleben, dies weiter geben und damit zu mehr Verständnis und eben dieser Inklusion beitragen.
Durch meine lange Zeit als Sportler und später als Videojournalist fürs Fernsehen habe ich einen Background, der viele Menschen in diese Richtung hin sensibilisieren kann. Wie seht ihr Inklusion oder Behinderung in unserer Gesellschaft? Wie geht ihr damit um und wie seht ihr es?
Seit 2 Jahren geht es für mich nun schon zurück ins Leben. Ein langer Atem ist dafür notwendig geworden. Aber was heißt das genau? Was und wohin ist mit diesem "zurück" gemeint?
Verändert hat sich vieles in den letzten eineinhalb Jahren. Ich war bisher täglich mit Üben und Training konfrontiert und es gab keinen Tag Stillstand. Trotzdem kommt es mir wie Stillstand vor. Ich musste immer wieder mein "zurück" anpassen, nämlich wohin will ich zurück?
In der ersten Zeit war der Gedanke nach meinem alten Leben präsent in mir. Natürlich nicht ins gleiche Leben, aber zumindest die gleichen Fähigkeiten wie früher wieder zu beherrschen. Das gleiche Leben konnte es nicht mehr werden, denn dann hätte ich nicht verstanden, was mir der Hirnabszess sagen wollte.
Ich habe zu ändern, bzw. es wurde dafür gesorgt, dass ich verändert bin. Für alles weitere muss ich noch warten, bis mein Denkvermögen es wieder zulässt, oder auch nicht!
Zurückzukehren bedeutet, zurück in etwas, dass ich verlassen habe. Ich gebe mir manchmal selber Druck, muss aber aufpassen, nicht frustriert zu sein. Frustriert kann ich nur werden, wenn ich meinen eigenen Erwartungen nicht entspreche. Warum sich also Erwartungen hingeben, die ich im Moment nicht erfüllen kann?
Ich lerne derzeit viel über mich und das Leben. Neue Perspektiven kennen zu lernen zum Beispiel. Mich Beruflich neu zu orientieren. Der Hirnabszess hinterließ auch in der Partnerschaft Spuren. Viele Diskussionen drehen sich um das Zusammenleben. Silvia leidet noch immer unter den Nachwirkungen der fünf Monate, wo ich im Krankenhaus lag.
Diskussionen um diese Zeit sind bei mir allerdings zwecklos. Ich bin noch immer im HIER und JETZT gehalten. Daher fruchten solche Diskussionen nicht. Ebenso die Berufsfrage. Es ist noch zu weit weg, als das ich mir darüber Gedanken machen könnte.
Aber weiter mit "zurück ins Leben". Ich möchte wieder ein selbstbestimmtes Leben führen können. Ich brauche eigentlich nicht zurückkommen, weil ich doch nie gegangen bin. Es hat sich nur verändert. Woran ich auch arbeite, es ist neu und ich entdecke, was ich schon konnte, mit neuen Augen.
Auch die Beziehung darf neu entdeckt werden. Wie schon einmal gesagt, es ist nichts wie früher. Alles ist neu zu betrachten. Das ist für das Umfeld oft nicht einfach. Monica Lierhaus bringt es auf den Punkt, als sie meinte:
"Ich bin noch immer ich, aber nur eine andere!".
Ja, die Rückkehr ins Leben verändert sich dauernd. Langsam kommt wieder mein Denken und damit kommen wieder mehr Einsichten aufs Leben. Auf dem kann ich aufbauen. Allerdings bleibt mir vieles noch verborgen und ich kann oft die Dimension des Geschehen nicht erfassen. Mein Kurzzeitgedächtnis ist noch immer beschränkt, wie das Denken allgemein.
In einem Video des MDR tätigt der ehemalige Ministerpräsident von Thüringen, Dieter Althaus, eine für mich nachvollziehbare Aussage. Bei einer Kollision mit einer Skifahrerin kam sie ums Leben und er wurde schuldig gesprochen. Er weiß das er schuld war, kann es aber nicht nachvollziehen. Er hat einfach keinen Bezug dazu und kann keine Emotion dazu aufbauen, so leid es ihm auch tut. Es erklärt für mich vieles, weil auch ich verschiedene Vorkommnisse nicht Emotional realisieren oder einordnen kann.
Silvia musste zum Beispiel meine Buchhaltung aufarbeiten, meine Erwerbsunfähigkeit-Pension für mich beantragen, meine Firmen auflassen und vieles mehr. Sie hat dadurch das Gefühl bekommen hat, ich hätte sie mit meiner "Flucht" auf die Intensivstation im Stich gelassen und die Arbeit an sie abgegeben.
Ich kann dazu einfach keine Emotion aufbauen, obwohl ich es weiß. Irgendwas hält mich ab davon. Silvia hatte enormes geleistet und ich kann mich zwar bedanken, aber es fehlt mir, Emotion einzubringen. Ich habe keinen Bezug dazu. Ich kann mich dafür entschuldigen, aber es fehlt die Emotion dazu. Das macht es mir nicht leicht, damit umzugehen.
Es gibt einiges, was immer wieder Konflikte bringt. Damit muss ich umgehen lernen. Zunächst, meine Welt ist nicht die der anderen. Es ist oft nicht verständlich und nicht nachvollziehbar, wie ich auf manches reagiere oder damit umgehe. Das braucht noch viel Verständnis.
Vom Krankenhaus sind wir darauf nicht vorbereitet geworden. Weder ich, wie ich damit umgehe, noch Silvia, das sie Verständnis dafür aufbringen kann. In dieser Sache sind wir alleine gelassen worden.
Selbst jetzt noch kommt es immer wieder hoch, dass wir uns alleine gelassen gefühlt haben. Wir waren in so einem Ausnahmezustand, dass einfachste Denkvorgänge schwer geworden sind. Es fehlte Information darüber, was wir tun könnten. Wir waren mit allem überfordert.
Aus diesen Schwierigkeiten heraus soll man den Weg zurück ins Leben finden? Da fragt man sich oft, wo ist er denn, der Weg? Wann kann ich sagen, ich bin zurück im Leben. Denn eigentlich war ich bereits durch das Überleben des Hirnabszesses zurück im Leben!
Ich bin zurück, ja! Aber es gibt eben auch ein anderes "Zurück im Leben". Ein selbstbestimmtes, eigenständiges Leben. Und das ist noch ein ganzes Stück weit weg. Mein erster Versuch, alleine mit dem Bus zu fahren, ist ziemlich schief gelaufen.
Dieses Erlebnis zeigte mir, wo ich wirklich stehe. Normalerweise fahre ich nicht ohne Begleitung fort. Diesmal war es aber nicht anders möglich. Es hat eigentlich ganz einfach ausgeschaut, ist dann aber anders gekommen. Damit war ich überfordert, trotzdem wollte ich es ausprobieren.
Ich hatte einen Termin in Stallhofen in der Weststeiermark. Auf der BusBahnBim App kann man ganz einfach sein Ziel eingeben und es werden die Verbindungen mit Uhrzeit angezeigt. Sah ganz einfach aus und nach keiner großen Herausforderung. Doch das sollte sich bald ändern.
Es geht mir in erster Linie um die Behandlung als Fahrgast. Schon beim Einsteigen war ich mir nicht sicher ob ich richtig bin. Daher fragte ich den Busfahrer, ob das der richtige Weg nach Stallhofen sei. Er murmelte nur was und verkaufte mir dann eine Karte. Dann redete er was von Zonen und das passt schon.
Es war noch Zeit bis zur Abfahrt, daher ging ich nochmals nach vorne zum Fahrer und fragte ihn noch einmal. Er sagte wieder, das passt schon. Andere Leute, die vorbeikamen und etwas fragten, wurden genauso unfreundlich behandelt und weiter geschickt.
Dann bei der Haltestelle in Gratwein, rief er zurück zu mir und fragte, wo ich eigentlich hin möchte. Fragend sah ich ihn an, denn ich hatte ja schon mindestens dreimal gesagt, wo ich hinwollte. Ich ging nach vor und da sagte er mir, er fahre gar nicht nach Stallhofen. Ich merkte wie Ärger in mir hoch kam und das ich aufpassen musste, meine Emotionen unter Kontrolle zu halten.
Er stieg mit mir aus dem Bus, deutete auf das Schild vorne am Bus und sagte: "Können sie nicht lesen. Der Bus fährt nach Stiwoll. Da müssen sie schon selber schauen."
Ich war nur mehr verdutzt. Warum fragte ich dann mehrmals nach, ob das der Bus nach Stallhofen ist. Ich konnte es nicht abschätzen, was das jetzt bedeutet. Es gab noch ein kurzes hin und her, dann stieg er in den Bus, ließ mich stehen und weg war er.
Ich stand an der Haltestelle, mitten in Gratwein und wusste zunächst nicht was tun. Es war unheimlich. Ich war isoliert und alleine. Erst musste ich meine Gedanken ordnen und sammeln. Das war meine erste alleinige Busreise und alles ging schief. Strukturiertes Denken war jetzt meine einzige Hilfe. Als erstes musste ich schauen, zurück nach Graz zu kommen, dort würde ich weiter sehen.
Da fiel mir die Eisenbahn und der Bahnhof ein. Jetzt hatte ich ein Ziel. Der nächste Zug ging in 15 Minuten. Ich setzte mich hin und rekapitulierte was gerade passiert ist. Ärger kam in mir hoch. Ich fand das Geschehen unmöglich, tat ich doch alles mir Mögliche.
Natürlich war ich auch schuld. Ich bin definitiv im falschen Bus gesessen. Aber dann fiel mir die unmögliche Art des Fahrers wieder ein. Wie er nicht nur mich behandelte, sondern auch andere, die in Graz einen Bus suchten und bei ihm nachfragten. Barsch verwies er sie woanders hin, da fiel mir zum ersten mal seine Unfreundlichkeit auf.
Mir kam wieder der Spruch von Monica Lierhaus in den Sinn, der da lautet:
“Es gibt nicht nur den äußeren Teil einer Behinderung, den jeder Außenstehende sofort erkennt. Von den unsichtbaren Behinderungen bekommen die wenigsten etwas mit!”
Auch meine Behinderung ist fast nicht erkennbar. Wenn ich langsam gehe sieht man fast nichts. Aber das Gravierendere ist das Denken, die Emotionen und die verlangsamte Wahrnehmung. Mit unfreundlichen Menschen kann ich nichts anfangen. Mein System schaltet ab und versteht nichts mehr. Das sind eben auch Auswirkungen, mit denen ich erst umgehen lernen muss.
Also alleine wegfahren ist somit immer noch tabu. Ich habe es nicht im Griff. Mir fehlt der Überblick und ich kann keine entsprechenden Schritte setzen, die zu tun wären.
Mit entsprechend freundlichen Menschen, die auf mich eingehen, wäre wahrscheinlich nichts passiert. Aber mit unfreundlichen habe ich ein Problem. Da ist zu viel Druck auf mich, etwas lösen zu müssen, wozu ich nicht imstande bin.
Ich habe um meiner nicht sichtbaren Defizite gewusst, aber nicht damit gerechnet, dass mich so etwas komplett aus der Bahn wirft. Aber das ist halt unsere Gesellschaft. Man wird nach Aussehen beurteilt. Viele gehen nicht unvoreingenommen in ein Gespräch.
Geistige und psychische Krankheiten sind nun mal nicht so leicht erkennbar. Vielleicht sollten wir uns alle mit einem großen Schild kennzeichnen, dass etwas anders ist. Wir wären verwundert, wie viele Menschen sich so ein Schild umzuhängen hätten.
Krankheit sollte nichts Diskriminierendes beinhalten. Egal welche Krankheit, sie könnte einen, wie auch immer gearteten, höheren Sinn haben. Für mich als Kranken, wie auch für meine Umgebung und wahrscheinlich auch für die Gesellschaft.
Und hier kommen wir zur alternativen Medizin. Hier geht es um den verschobenen Energiefluss. Um ihn wieder herzustellen, ist es unter anderem notwendig, geistige und spirituelle Ursachen zu beseitigen. Die haben auch Einfluss auf das Gefüge um einen herum.
Darum hat es auch eine Wirkung auf die Gesellschaft und wie wir mit Krankheit und Behinderung umgehen. Verstecken wir sie oder lernen wir damit umzugehen und können sie in unser Gesamtbild aufnehmen.
Im Moment wird bei uns noch viel versteckt und das Beispiel mit dem Busfahrer zeigt nur auf, dass unsere Gesellschaft noch weit weg von all dem ist.
Zur Richtigstellung aber soll gesagt sein, dass es sehr wohl auch Busfahrer gibt, die wirklich freundlich sind und bei denen ich mich hier einmal bedanken möchte. Leider gibt es auch schwarze Schafe unter ihnen, die aber nur das vorwiegende Verhalten unserer gesamten Gesellschaft dazu aufzeigen.
Heute möchte ich das Gehen ein wenig beleuchten. Die Fortschritte sind unglaublich langsam, seit Anfang an. Aber sie sind da. Es ist eine große Herausforderung täglich daran zu Arbeiten, oft nur an kleinen Feinheiten. Einmal das Gehen auslassen, kann mich Tage zurückwerfen. Das Training dazu ist wie im Hochleistungssport.
Besonders bekam ich es zu spüren, als ich krank war. Eine Woche konnte ich nicht gehen und lag im Bett wegen einer Verkühlung, mit etwas Fieber. So etwas wirft mich Wochen zurück. Besonders die Kondition ist schnell weg. Ich baue unheimlich schnell ab und nur schwer wieder auf.
Hier gehts zum Beitrag "Gehen 2.0"
Am Anfang war es mir nur wichtig, wieder Gehen und mich fort bewegen zu können. Denn daran hing meine Hilflosigkeit und von der wollte ich wegkommen. Dazu musste ich aber erst die Technik erlernen. Es war nicht leicht zu verstehen, dass man bereits gekonntes, noch einmal von Grund auf neu, lernen muss.
Mein Wille und mein Ehrgeiz trieben mich an. Ich übte und übe noch immer, oft an der Grenze. Meine Grenzen sind Schwindel und Kondition. Es immer ein bisschen weiter hinaus zuschieben ist mein Ziel. Daher gelange ich des Öfteren ans Limit. Habe ich das erreicht, hilft nur hinsetzen oder besser hinlegen. Mein Kopf verlangt nach der waagrechten.
Im Krankenhaus bin ich einige male ohnmächtig geworden und plötzlich umgefallen. Das blieb mir bisher zu Hause erspart. Ich spüre jetzt aber auch besser meine Grenzen.
Es gibt bessere und schlechtere Tage. Faktoren wie, was habe ich am Vortag getan und wie habe ich geschlafen, spielen eine große Rolle. Ungünstige Faktoren werfen mich weiter zurück, als ich in der gleichen Zeit an Positiven erreicht habe.
Eine herausfordernde Diskussion kann mir das Gehen an diesem Tag unmöglich machen. Umgekehrt kann ich mich nach dem Gehen nicht auf eine Diskussion einlassen. Es heißt genau Haushalten mit den Ressourcen.
Es dauerte Monate, bevor ich mich, bei mir zu Hause, an die Steigung zur Straße hinauf wagte. Dazu gibt es eine lustige Geschichte.
Immer wieder nahm ich die Herausforderung der Steigung an. Jeder Schritt wollte erkämpft sein. So ging ich in Zeitlupe die Steigung hoch. Selbst kleine Schritte brachten mich aus dem Gleichgewicht. Hoch konzentriert musste ich bergauf sein. Meine Kondition war durch das lange Liegen sehr schlecht.
Die geringste Anstrengung ließ meinen Puls hochschnellen und tief rasselnd atmen. So kämpfte ich mich Zentimeter für Zentimeter vorwärts. Ich kam mir vor, wie ein Höhenbergsteiger beim Gipfelgang. Ähnliches hatte ich es am Denali und Kilimanjaro erlebt. Da ich 100 % gab, war ich der Meinung eh ein gewisses Tempo zu gehen.
Weit gefehlt. Ich hatte kein Gefühl für Distanzen, konnte nicht abschätzen, wie weit ein Auto noch weg ist und das Gefühl für Geschwindigkeit war weg. Meine höchste Leistungsstufe bergauf war - "gerade noch in Bewegung". Die Wahrnehmung wurde damit ebenfalls zur Herausforderung. Alles an mir war verlangsamt. Das konnte ich erst nach und nach verstehen.
Da geschah etwas, was mich trotz allem zum Lachen brachte. Plötzlich überholte mich eine alte Frau am steilsten Stück. Das wäre nicht so schlimm gewesen, wären da nicht die zwei riesengroßen Einkaufstaschen gewesen.
Dieses Bild, wie sie mir davon zog, zeigte mir beeindruckend, wie ich trotz meiner Anstrengung, langsam vorwärts kam. Damals durfte ich erkennen, dass noch viel Arbeit vor mir lag.
Ich nahm es zum Glück mit Lachen auf, denn ich hätte daran auch verzweifeln können. Im Gegensatz, es motivierte mich. Diese Steigung wurde seither mein Parameter, wie weit ich mich bergauf verbessert habe.
Ein weiteres Erlebnis war das erste Mal in den Wald zu gehen. 500 Meter hin und zurück. Bis zum Anfang des Waldes musste ich ein steiles Stück Asphalt-Strasse schaffen. Allein dafür brauchte ich mehrere Monate, bis ich soweit war. Ich rang um jeden Zentimeter höher zu kommen, bis ich es endlich schaffte. Das erste Mal selbständig wieder im Wald, es war beeindruckend!
So folgte ein Erstes mal dem anderen. Immer weiter brachten mich meine Streifzüge in den Wald. Die Freude war jedesmal groß, wenn ich einen neuen Punkt setzen konnte. Einzig das Bergauf gehen bringt noch Schwierigkeiten und bleibt schwer. Aber ich arbeite daran.
Nur was ich mir vorstellen kann, wird auch eintreffen. Keine Limits von vorn herein setzen, dass ist wichtig.
Wieder normal zu gehen ist mein Wunsch. Das automatisierte Gehen fehlt dazu noch. Das war im Winter leichter zu üben. Im tiefen Schnee ist es einfacher hinzufallen. Ich musste mein Gehirn bewusst ausschalten und den Beinen ihren Gang erlauben.
Ich torkelte wie ein Betrunkener durch den Wald und es durfte egal sein, wenn ich hinfiel. Leider war dazu nicht all zuviel Zeit dafür, denn es gab nur begrenzt lange tiefen Schnee.
Den Wald nutze ich vielfältig aus. Obwohl im Verhältnis zum Tun nur sehr wenig weiter geht, ist es enorm wichtig diese kleinen Schritte dennoch zu setzen. Denn diese kleinen ergeben in Summe letztendlich wieder einen großen Schritt zurück ins Leben.
Im Wald übe ich das Wippen mit demFuß, Treppen steigen und Gleichgewichtsübungen. Ich gehe jetzt wieder öfter ins Fitnessstudio, ziehe aber den Wald vor.
Zurzeit steht wieder mehr die Kräftigung der Beine und des Körpers auf dem Programm. Dort ist es leichter, als zu Hause die spezifischen Übungen zu machen. Vor allem Balance-Übungen sind dabei, um mein Gleichgewicht zu verbessern. Dazu Bodenübungen, Krafttraining und vieles mehr.
Es sind so viele Schräubchen an denen gedreht werden kann, dass sie mir gar nicht immer alle einfallen. Aber ich könnte sie eh nicht täglich praktizieren.
Es hat sich mein Tagesablauf seit Herbst 2016 nicht sehr verändert. Das Hauptaugenmerk liegt noch immer auf der Stärkung des Körpers und auf der Wiedererlangung der kognitiven Fähigkeiten, sowie dem Verbessern der Denkleistung und Merkfähigkeit. Langweilig wird mir also sicher nicht in nächster Zeit. Es ist Herausforderung genug für mich!
Meine wichtigste Erkenntnis bisher - Ich lebe! Es wurde ein neues Leben, an das ich mich oft erst gewöhnen muss. Aber zu Leben, dass hat einen besonderen Stellenwert bekommen. Aufgeben war nie eine Option.
Diesen Wert hatte es schon früher, allerdings veränderte sich meine Sicht darauf. Früher mir wichtiges, hat jetzt nicht mehr diesen Stellenwert. Statt Aufgeben - Weitermachen.
Ich bin noch immer hauptsächlich damit beschäftigt mich und meine Gesundheit wieder herzustellen. Aber das hat Qualität und es ist kein Zwang dahinter. Jeden Tag möglichst positiv abzuschließen ist mir zur Gewohnheit geworden. Eine Dankbarkeit dem Leben gegenüber. Denn man kann das Leben unterschiedlich wahrnehmen. Natürlich hadere ich manchmal. Aber im Gegensatz zur positiven Einstellung sonst verschwindend gering.
Aus diesem Grund nehme ich ab 30.April auch am Jammerfasten von Peter Beer teil. Es wird interessant, wie oft es einem bewusst wird, dass man ins jammern verfällt. Ich freue mich schon auf dieses bewusste Wahrnehmen der Sprache. Wer Lust hat, kann ja daran teilnehmen. Denn wenn man bedenkt, wie die Welt ausschauen könnte, würde niemand jammern! (Hier der LINK zum Mitmachen)
Aufgeben wäre damals eine Option gewesen. Mich nicht der Anstrengung auszusetzen, wieder von vorne beginnen zu müssen. Denn es ist beileibe nicht schön, alles neu zu lernen. Denken, Bewegen, Essen, Schreiben und vieles mehr. Mit 50 Jahren auf der Stufe eines Kindes stehen und die Hälfte des Leben hinter sich zu wissen (In Träumen werde ich immer 96 Jahre alt, daher die Hälfte).
Aber es gab auch die Option weiterzumachen, noch einmal von vorne anzufangen. Ich darf gestehen, aufgeben war für mich nie eine Option. Mein Körper war schon seit den Jahren im Sport darauf programmiert, immer besser zu werden und nicht Aufzugeben. Mit Aufgeben hätte ich nie erfahren, wie es sich anfühlt doch weiterzumachen und wieder zu leben.
Eines ist mir klar. Mein Leben wird nie mehr so sein wie früher. Ich darf aber auch sagen, ich habe in meinen ersten 50 Jahren bereits mehrere Leben gelebt. Wenn ich Revue passiere, was ich schon Erleben durfte, dann passt das ins Leben von mehreren Personen.
Diese Frage habe ich mir gestellt und ich durfte feststellen, dass ich sehr viel erlebt habe. Alles Weitere jetzt ist eine Draufgabe.
An allererster Stelle steht, wieder gesund zu werden. Auch wenn das noch länger dauern soll. Aber was ist schon Zeit, wenn man dem Tod von der Schippe gesprungen ist. Wie oben erwähnt, habe ich noch 45 Jahre vor mir. Was sind schon die paar Jährchen, bis ich wieder einigermaßen gerade gehen und denken kann?
Die ersten Monate war ich manchmal zu versessen darauf, wieder zu funktionieren wie vorher. Bis ich das Ausmaß erst einmal selbst begriffen habe, verging einige Zeit. Denn es ist komisch, denken zu wollen, aber nicht zu können.
Seit erst kurzem kann ich beginnen, zusammenhängendes zu denken. Meist habe ich eine weiße Wand vor mir, aber hin und wieder kann ich einen Gedanken einen Schritt weiter denken. Mein Kurzzeitgedächtnis war und ist noch immer betroffen. Ich tue mich schwer, etwas zu behalten. Einkaufszettel zum Beispiel.
Dafür übe ich an einem speziellen Computerprogramm. Jeder, der es sieht denkt sicher, "Kinderspiele". Aber es reicht, um mein Gehirn zu fordern und zu fördern.
Seit etwa einem Monat habe ich den Schlossberg für mich entdeckt. Bisher war er mir zu steil und für mich nur per Bahn erreichbar. Vor allem die Ortsveränderung tut gut. Neue Wege erkunden und die schöne Aussicht auf Graz genießen.
Ich war stolz, ihn vor kurzem erstmals überschritten zu haben. Der Schlossberg ist ideal, weil es alle paar Meter Bänke zum Ausrasten gibt.
Ein wichtiger Punkt sind dort für mich die Stufen. Es gibt sie in allen Höhen. Bei den fast Knie hohen habe ich ordentlich zu tun. Besonders das Gleichgewicht wird dabei gefordert. So trainiere ich Kraft, Koordination und Gleichgewicht.
Wenn ich die letzten zwei Jahre zurückblicke, dann verging seither kein Tag, an dem ich nicht irgend etwas übte oder trainierte. Wie viele Kilometer bin ich seither gegangen? Ich weiß es nicht. Es ist auch egal. Ich mach einfach jeden Tag weiter, was geht. Wie sagte schon die Moderatorin Monica Lierhaus nach ihrer Gehirnblutung:
"Man darf die Länge des Weges nicht thematisieren!"
Das hatte ich schon in Alaska beim Iditasport Race. Die Länge durfte ich damals auch nicht zum Thema machen. Erst nachher wurde es mir bewusst das ich auf einem Hundeschlittentrail von Graz nach Salzburg fuhr und das bei -35 Grad.
Daran muss ich oft denken zurückdenken und darf es jetzt beherzigen. Es kommt mir manchmal so vor, als wäre der Extremsport früher nur ein Aufwärmen für das Jetzt gewesen. Mein Leitspruch im Leben, den ich schon lange habe, ist:
"Es ist gut so wie es ist, nicht weil es gut ist, sondern weil es ist!"
Seit dem Hirnabszess habe ich eine neue Wahrnehmung in vielen Bereichen. Es ist faszinierend, die Funktion des Gehirns in dieser Art kennen zu lernen und zu erleben was es eigentlich kann.
Ist es aber gut oder schlecht, diese Art der neuen Wahrnehmung? Nun, es ist keines von beiden. Weil es einfach IST. Es ist eine neue Art des Bewusstseins. Gezwungenermaßen beschäftige ich mich viel mit meiner Wahrnehmung, deren Veränderung und wie ich es erlebe.
"...das, was man mit den Sinnen bemerkt",...
...und da hat sich einiges verändert. Manches hatte ich bereits vorher gespürt und anderes spüre ich jetzt verstärkt. Es ist oft nicht leicht diese neue Art der Wahrnehmung ins Leben zu integrieren. Verschiedenes macht mir Angst, weil ich es noch nicht verstehe oder es belastet auch die Beziehung.
Das mit dem neuen Leben ist nicht nur so dahergeredet. Es hat in jeder Beziehung für mich ein neues Leben begonnen. Die Wahrnehmung spielt darin eine große Rolle.
Mit dem Abszess, dass auf den Thalamus drückte, hat alles begonnen. Die Auswirkungen waren, dass ich mich plötzlich durchlässig fühlte, wie ein Schweizer Käse. Es prallten alle möglichen Informationen auf mich ein. Ich konnte nicht unterscheiden zwischen wichtig und unwichtig. Es war wie ein Dauerbeschuss des Raumschiff Enterprise.
Es geht um Informationen, die auf den Körper treffen. Die Menge ist unglaublich. Aus ihnen selektionieren wir und nur einige wenige gelangen normalerweise ins Bewusstsein. Diese bilden die Grundlage für unsere Entscheidungen oder wie wir etwas wahrnehmen. Untersuchungen ergaben unglaubliche Zahlen:
Jeder Supercomputer würde vor Neid erblassen. Solange alles funktioniert ist ja alles ok. Aber was passiert, wenn das Gehirn nicht mehr funktioniert?
Der Körper reagiert ähnlich wie bei einer Computerstörung. Er funktioniert noch, aber er kann die Daten nicht auslesen, weil zu viel hochgeladen wird, was gar nicht beabsichtigt war. Bei mir ist es unter anderem der Durchlass von zu vielen Daten, also von so vielen Informationen, dass ich sie nicht verarbeiten und steuern kann.
Ob es als richtig oder falsch bezeichnet werden kann, so zu funktionieren, sei dahin gestellt. Viele Erkenntnisse, Erfahrungen oder Erfindungen wurden nur unter solchem Funktionieren gemacht. Viele bekannte Persönlichkeiten erlebten diese Art der erhöhten Wahrnehmung. Die Schwierigkeit für mich liegt darin, diese erhöhte Wahrnehmung auch richtig einordnen zu können.
Bestes und einfachstes Beispiel für Wahrnehmung ist ein Einkaufszentrum. Betrete ich eines, strömen Unmengen von Eindrücken auf mich ein und das alles gleichzeitig. Ich bin überfordert damit und kann diese Eindrücke nicht voneinander trennen.
Wir sind normalerweise so programmiert, dass wir unwichtiges aussortieren. 40 bis 50 Eindrücke bleiben übrig und die können wir dann bewusst verarbeiten. Lärm und Umfeldgeräusche, Menschen um uns herum und vieles mehr, belastet uns so nicht.
Auf einen Bruchteil reagieren wir sofort, der Rest kommt in eine Schublade. Bei mir sind es um ein vielfaches mehr an Informationen, die auf mich eintreffen. Vielfach ist noch gelinde ausgedrückt. Es sind so viele, dass ich es nicht mehr verarbeiten kann. Überforderung und in der Folge Schwindel ist in der Regel die Auswirkung. Augen zu und hinsetzen ist oft die einzige Hilfe.
Roboterhaft irre ich dann meinem Ziel zu. Ein Einkaufszentrum ist noch immer eine immense Herausforderung für mich. Das ist aber nur ein kleines Beispiel, dass wahrscheinlich viele nachvollziehen können. Denn von einem Einkaufszentrum sind viele überfordert. Meine Wahrnehmung geht aber noch weit darüber hinaus. Man spricht dann auch von Hochsensibilität oder Hellsichtigkeit.
So wie es diese eine Wahrnehmung gibt, gibt es auch eine andere, eine positivere. Was im Einkaufszentrum so schwer ist, ist in der Natur anders. Denn die Natur ist natürlich. Das Gehirn unterscheidet zwischen natürlich und unnatürlich. Industriell hergestelltes Essen ist oft so. Es ist unnatürlich. Allerdings haben wir verlernt unserer Intuition zu vertrauen, ja, sie überhaupt zu spüren.
In der Natur fühle ich mich wohl und habe eine ganz andere Wahrnehmung als in der Stadt. Es ist interessant den Unterschied zu spüren, ob ich von der Stadt in den Wald oder umgekehrt komme. Ob ich in der Stadt spazieren gehe oder im Wald und der Natur.
In der Natur wurde mein Blick fürs Detail geschärft. Ich hatte ihn schon vorher, besonders beim Filmen. Ob es um Details bei einem Interview ging, eine stimmige Bildkomposition zu erreichen oder die verschiedensten Blickwinkel, die jeder was anderes aussagen, obwohl das gleiche gefilmt. Dieses Gefühl war da, es hat sich aber jetzt auch verschoben.
Man könnte sagen, ich habe jetzt Muße und Zeit einer Blume beim Wachsen zuzusehen. Ich sehe Details, die sonst an vielen vorübergehen. Das ist im Moment meine Welt. Früher habe ich es genossen, fremde Länder, Menschen und Kulturen kennen zu lernen. Jetzt freue ich mich auf die Details während einem Spaziergang rund um mein Haus.
Dadurch das ich so langsam unterwegs bin, kann ich auch mehr wahrnehmen. Und nicht nur wahrnehmen, ich beschäftige mich auch damit.
Der Schlossberg in Graz ist ein Biotop inmitten der Stadt. Ich übe und trainiere jetzt öfters dort, auch um eine Ortsänderung zu haben. Es gibt so viele Details zu entdecken, es ist unerschöpflich. Die Aussicht, die Flora und Fauna, es ist herrlich dort. Für mich auch ideal, weil es überall Parkbänke zum Ausrasten gibt.
Die Wege sind steil und so brauche ich, noch öfter als normal, eine Rast. Die wiederum nutze ich, um mich den Details zu widmen. Eben um Details wie Ameisen, Vögel oder Pflanzen, aber auch Bauwerke, Tafeln und anderes.
Eine Art der Wahrnehmung ist auch: Wie nehme ich meine Krankheit wahr! Denn das kann auch den Heilungsverlauf beeinflussen. Habe ich die Krankheit angenommen oder stehe ich ihr negativ gegenüber. Kann ich daraus lernen oder verteufle ich sie?
Eine Hilfe kann auch sein, dass das medizinische Personal nicht nur auf die körperlichen Krankheitszeichen Rücksicht nimmt, sondern auch die Wahrnehmung der PatientInnen bezüglich ihrer Krankheit beachtet. Ist man positiv oder negativ gestimmt. Denn darauf entsprechend reagiert, kann eine möglichst gute Zeit nach dem Krankenhaus und eine schnellere Heilung erreicht werden.
Ich habe immer wieder von meinem Pflegepersonal ermunternde Worte sowie auch Antworten bekommen. Umso mehr, weil ich selbst zeigte, dass ich gesund werden wollte. Die Unterhaltungen mit Putzfrauen und anderen Helferinnen (wenn ich heute darüber nachdenke, waren es nur Frauen), waren positiv geprägt und haben mir sehr geholfen, meine positive Stimmung zu behalten.
Das ist ein eigenes Kapitel, dass ich ein andermal in einem eigenen Blogbeitrag behandeln werde. Es ist so komplex, dass mir dafür noch die Worte fehlen. Allerdings ist es spannend, das zu beobachten. Entsprechende Literatur gibt es dazu, aber ich muss mir das erst Schritt für Schritt erarbeiten. Wenn ich mich lange genug damit beschäftige, dann kommen auch die Worte dazu.
Mein Gehirn schützt mich davor, wenn ich einmal zu viel möchte. Und DAS ist eben noch zu viel. Ich werde früh genug auch das Erfassen lernen. Nämlich dann, wenn ich soweit bin.
Wie nehmt Ihr eigentlich alles so wahr? Seid Ihr auch überfordert und wenn ja, womit oder warum? Findet Ihr einen Weg aus der Überforderung auszusteigen? Erkennt Ihr die Überforderung früh genug und könnt reagieren?
Über Ostern verbrachte ich einige Tage Urlaub in Kroatien, genauer gesagt in Umag. Es war somit meine erster weiter entfernte Reise seit dem Hirnabszess.
Wir haben ein Appartement einem Hotel vorgezogen, da ich dem Trubel und der Geschäftigkeit dort entgehen wollte. Vordergründig hatte es den Sinn, mir durch einen Ortswechsel einmal im Kopf frei zu geben, soweit dies möglich war.
Seit zwei Jahren komme ich praktisch nicht über Graz hinaus. Daher entstand die Idee, den Frühlingsbeginn am Meer zu verbringen. Ich bin zwar ein Berg-Mensch, bin aber ebenso mein Leben lang gerne ans Meer gefahren. Urlaub und Auszeiten verbrachte ich schon immer gerne am Meer.
Die große Frage war, wie werde ich die Autofahrt vertragen. Es gibt Tage, da ist mir schon die Fahrt nach Graz zu weit und strengt mich ungemein an. Daher hieß es gut planen. Umag wurde deshalb gewählt, da es gut über die Autobahn zu erreichen ist. Große Lenkmanöver blieben mir dadurch erspart.
Außerdem gab es zahlreiche Autobahn-Raststationen, um die Füße aus zutreten und meinen Kreislauf zu stabilisieren. Sitze ich nämlich zu lange aufrecht, bekomme ich noch Probleme mit dem Schwindel.
Den wollten wir dadurch verhindern, dass ich mich im Auto lange ausstrecken konnte. Ich kam zwar nicht ganz in die Waagrechte, aber es half mir deutlich. Ich schloss die meiste Zeit die Augen, um mich nicht den schnellen Bewegungen um mich herum auszusetzen. So war ich bestmöglich auf die Reise vorbereitet.
Das Wetter empfing uns in Kroatien in nicht gerade guter Laune, es war mir aber egal. Ich war dankbar, überhaupt am Meer stehen zu dürfen. Noch vor wenigen Monaten war das für mich unvorstellbar. Es war außerdem ein guter Moment um über meinen Werdegang nachzudenken. Denn vor genau zwei Jahren begann "mein Weg zurück ins Leben". Am 27.März 2016 wurde ich ins Krankenhaus eingeliefert.
Wenn ich zurückschaue, habe ich seit damals viel erreicht. Das ich jetzt hier am Strand von Umag stehen kann, ist einfach toll. Ich habe mir meine Rehabilitation am Anfang sich einfacher und schneller vorgestellt. Ich konnte erst im letzten Jahr realisieren, dass es ein längerer Weg wird. Als der Schleier der Krankheit von mir ging, wurden die Defizite erst wirklich sichtbar.
In der Sommer-Reha in Judendorf fragte mich die Psychologin, was denn wäre, wenn ich bei diesen Defiziten stehen bleiben würde? Es war damals für den Zustand ok, aber für meine Zukunft nicht vorstellbar.
Dazu habe ich zu lange Leistungssport gemacht. Selbst solche Beschränkungen halte ich nicht für ewig. Die Kraft der Gedanken sind endlos. Ich habe oft genug Dinge getan, die unvorstellbar schienen. Und diese Kraft der Gedanken ließen mich das alles bisher Erlebte überstehen.
Zu der Kraft der Gedanken werde ich in nächster Zeit öfter schreiben. Bisher fehlt es mir, dieses Wissen abrufen zu können und in Wort oder Sprache zu bringen. Ich hoffe es bald besser zu können. Denn vieles über was ich gerne Schreiben möchte, kann ich nicht in Wörter umsetzen. Im Geist ist es mir klar, aber ich kann es nicht aussprechen oder niederschreiben. Ein Defizit, das mich noch behindert.
Im Zwiegespräch mit mir selbst oder im Wachliegen und Träumen habe ich alles klar vor mir. Aber sobald ich es in Schrift oder Wort bringen möchte, kann ich es nicht ausdrücken oder umsetzen. Es baut sich eine weiße Wand vor mir auf, die ich nur schwer durchdringen kann. Auch daran übe und arbeite ich.
Ich habe die Tage nicht nur genossen, sondern ich habe auch trainiert - gezwungenermaßen. Denn noch immer ist es so, dass alles Therapie und Training ist.
Besonders die Wege mit den alten Pflastersteinen waren eine Herausforderung für mich. Es war ungewohnt über harte Steine zu gehen. Zu Hause gehe ich doch meist auf Waldboden. Geringfügige Änderungen der Beschaffenheit des Bodens macht mir noch immer zu schaffen.
Entlang des Hafens ist alles betoniert. An für sich gut zum Gehen, allerdings gibt es kaum sichtbare Vertiefungen an vielen Stellen. Der Fuß ist auf eben eingestellt und steigt plötzlich ins Leere. Das forderte mein Gehirn.
Es musste immer wachsam sein, das Gleichgewicht auszutarieren. Das wurde mit der Zeit anstrengend. Mein Gehirn stand unter Daueranstrengung. Deshalb werde ich auch ohne Gehen müde.
Der Vorteil von Hafenpromenaden ist allerdings der, dass alle 50 Meter Parkbänke stehen, wo ich mich ausrasten konnte. Umag - ein trotzdem idealer Therapieort.
Es ist sicher schon jedem passiert, dass er ein Loch übersehen hat und stolperte. Das passiert mir schon bei kleinen Bodenvertiefungen. Gerade am Asphalt oder Beton, wo es eigentlich flach ist. Kleine Vertiefungen bringen mich ins Straucheln. Und Kroatien ist Meister damit. Sooft wie hier bin ich selten aus dem Gleichgewicht gekommen.
So musste ich mich auf viel Neues einstellen. Die Spaziergänge am Meer haben mir am besten gefallen. Das Rauschen des Meeres hat besonders gut getan. Ebenso dem Spiel der Wellen zuschauen. Es hatte eine ähnliche Wirkung auf mich, wie der Wald zu Hause.
Das gesamte Stresssystem wurde spürbar beruhigt und das kognitive System verbessert. Damit wurde mir einmal mehr gezeigt, dass die Natur eine der wichtigsten heilenden Komponenten ist.
Ich habe das Gefühl, dass meine Selbstheilungskräfte in der Natur angeregt werden. Der Aufenthalt am Meer wurde so zu einer wichtigen Erinnerung, mich wieder mehr mit der Natur zu beschäftigen. Ich freue mich schon auf den jetzt erwachenden Wald zu Hause.
Wir verlernen leider immer öfter die wohltuenden Kräfte in unserem Leben zu beachten, sind getrieben davon Geld fürs Überleben aufzutreiben und uns nicht wirklich um die wichtigen Dinge des Lebens kümmern zu können. Die Kraft der Natur und der Gedanken sind dabei ein wesentlicher Baustein auf meinem Weg.
Bisher stand alles unter "Urlaub ODER Therapie". In Umag hatte ich erstmals das Gefühl von "Urlaub UND Therapie". Ich bin allen dankbar, die es mir ermöglicht haben hierher zu kommen.
Schön langsam kann ich bereits einige Meter ohne ohne zu denken zurücklegen. Zwar nur am Asphalt, aber immerhin doch. Mein Ziel ist es, dass in den nächsten Monaten auszubauen. Es ist ein wichtiger Schritt zurück ins Leben.
Das Hirnabszess hat genau auf die Schaltzentrale des Körpers, dem Thalamus, gedrückt. Dadurch ist das Gleichgewicht in Mitleidenschaft gezogen worden. Es regeneriert sich nur sehr langsam.
Wo Licht ist, ist auch Schatten. Der Schatten liegt derzeit in der Familie. Es ist mir schleierhaft, wie wichtig für meine Kinder Handy und Computer sind. Sie erleben mein Schicksal täglich mit und sehen meinen täglichen Einsatz für ein neues Leben.
Aber gerade die Wichtigkeit der Natur konnte ich ihnen bisher nicht vermitteln. Sie driften ab in eine neue Welt, die für mich nicht zu verstehen ist und das gilt für fast meine ganze Generation.
Selbst das Meer und die Flora und Fauna konnte sie kaum begeistern.
Das Handy und der Computer waren auch im Urlaub dabei. Aber wo setzt man Grenzen? Und werden die auch eingehalten?
Wie geht ihr mit dem Thema Kinder und Computer um? Verwenden sie ihn verantwortungsvoll oder müsst ihr Zeitlimits und anderes setzen?
Oder habt ihr auch die Herausforderung, die Kinder vom Bildschirm weg zu bekommen, wisst aber nicht wie?
Fragen über Fragen derzeit, die ich mir stelle?
Mir ist es wieder ins Bewusstsein gekommen, als ich die Bilder vom letzten Blog-Beitrag herausgesucht habe. Es ging um den Urlaub in Kroatien von dem ich, damals mit den Auswirkungen des Hirnabszesses, nach Hause gekommen bin.
Was ich mich noch erinnern konnte, war, dass ich dort mehr fotografiert habe. Aber ich musste feststellen, dass nur einige Fotos übrig waren. Zwei waren mit meinen Kindern, eines mit mir und nur eines, wo wir alle vier gemeinsam drauf waren und ein weiteres. Mehr Fotos gab es nicht.
Auf diesem einen war das Bild einer Eidechse. Ich wusste nicht mehr, dass ich es fotografierte. Es fiel mir aber sofort auf, weil ich noch nie einer Eidechse so nahe kam, um ein Foto formatfüllend machen zu können. Das war auffällig. Ich musste sofort nachsehen, was mir die Eidechse als Krafttier damals sagen wollte und vielleicht heute noch gilt.
Ein Buch über Krafttiere habe ich zu Hause, aber man findet heutzutage auch alles im Internet. Es ist für mich sehr interessant, genau zwei Jahre später, zu erfahren was mir die Echse sagen wollte. Oder war es geplant, dass ich es erst jetzt erfahren sollte?
Aber nun dazu, was mir die Eidechse als Krafttier sagen möchte.
Dieser erste Satz fiel mir gleich auf. Denn eine Wiedergeburt erlebte ich auch in meinem neuen Leben nach dem Hirnabszess.
Es ist verblüffend, das im Zusammenhang mit dem Hirnabszess zu sehen. Denn meine Wünsche und Träume umzusetzen, war mir vor dem Hirnabszess nicht mehr möglich. Zu sehr war ich im Hamsterrad gefangen und hatte meine Träume und Visionen verloren. Mit dem Hirnabszess bin ich gezwungen, mich damit wieder auseinanderzusetzen. Allerdings erst langsam, wichtiger ist das HIER und JETZT.
Und in der Tat, seit dem Hirnabszess habe ich es gerne warm und bin gerne im Freien, um Licht und Wärme zu tanken. Ein heißer Sommer war früher die Hölle für mich. Nicht umsonst war mein Spezialrennen das Iditabike in Alaska.
Ich habe mich im wahrsten Sinne gehäutet und habe jetzt die Gelegenheit mich von Grund auf zu regenerieren. Mein Körper startet von 0 weg. Ich musste erst das alte Leben wie eine Haut abwerfen und beginne jetzt, mich zu regenerieren.
Das ist ein interessanter Aspekt. Die Schwerkraft ist derzeit mein Thema. Ich habe das Gefühl, dass mein Körper schwer ist, bzw. von der Schwerkraft in den Boden gezogen wird. Gehen ist schwerfällig und laufen überhaupt nicht möglich. Dieser Punkt ist ein besonderes Thema. Die Lösung wird mir zufallen, denn darüber nachdenken funktioniert noch nicht. Die Gedanken wollen noch nicht.
Vertrauen, dass alles richtig kommt, was es auch ist. Meine Umwandlung ist derzeit im Gange. Es wird nichts mehr sein wie zuvor und ist es auch nicht. Alles passiert in einem Tempo, dass ungewohnt ist.
Die Langsamkeit hat von mir Besitz ergriffen und das ist schön so, manchmal aber gewöhnungsbedürftig. Denn die Zeit um mich herum ist schnell und hektisch. Darum halte ich es auch nur sehr schwer unter vielen Menschen aus oder in der Stadt.
Das kann ich jetzt gut brauchen. Ich bin meistens gut drauf und vertraue darauf, dass ich bei meinem Bemühen die richtige Unterstützung erhalte. Egal ob bei Physiotherapie oder psychologische Hilfe.
Das kann nur passieren, wenn ich mich den dunklen Seiten meines Wesens stelle. Dadurch wird ein Transformationsprozess einsetzen, der mir neue Blickwinkel ermöglicht und einlädt voll und ganz zu meinem Sein und Wesen JA zu sagen.
Für mich sind sie so wichtig geworden, die Pausen. Das habe ich gelernt. Mit dem Hirnabszess ließe es sich ohne Pausen nicht überleben. Dadurch finde ich immer zur Ruhe und Gelassenheit. Egal wo ich mich befinde oder was ich mache. Mein Befinden hat Vorrang.
Ja, es ist eine große Veränderung geworden. Wie sagte schon die Moderatorin Monica Lierhaus nach ihrer Gehirnblutung:
"Ich bin kein anderer - nur veränderter!"
Auch ich bin kein anderer geworden. Allerdings hat mich die Krankheit und die damit verbundenen Erlebnisse schon verändert. Vieles wird mir Stück für Stück, Woche für Woche, jetzt erst klar. Es ist spannend was die Zukunft bringen wird.
Die Krafttiere werde ich wieder öfter beachten und versuchen die Botschaft dahinter zu verstehen.
Wie ist es mit Euch? Hattet ihr auch Erlebnisse mit Krafttieren?
Der Anfang meiner Odyssee mit dem Hirnabszess. Er begann am 27.März 2016, mit der Einlieferung ins LKH Graz. Innerhalb weniger Stunden wurde mein Leben und das meiner Familie auf den Kopf gestellt.
Der Anfang spielte sich einige Tage vorher in Kroatien ab. Ein Urlaub sollte neue Energie für den Job bringen und so entschlossen wir uns, nach Kroatien zu fahren. Wir waren im Hotel untergebracht und die Arbeit mit dem Kochen wurde uns damit abgenommen.
Es war herrlich. Wir genossen die Tage und ich konnte mich beim Laufen erholen. Die ersten Kilometer unter angenehmen Temperaturen. Am Meer entlang atmete ich die salzhaltige Luft tief ein und war in meinem Element. Es waren angenehme und erholsame Tage.
Einen Tag vor der Heimreise war es plötzlich anders. Ich war mit Silvia vormittags in der Altstadt Kaffee trinken. Im Nachhinein ist ihr aufgefallen, dass ich eine Sonnenbrille trug, was ich sonst nie tat. Ich fühlte mich von der Sonne stark geblendet, schrieb es aber dem Wetter zu. Ich drängte zum Aufbruch, ich wollte nur mehr zurück ins Hotel.
Dort zog ich mich um, denn ich hatte noch einen Lauf vor. Ich schaffte allerdings nur wenige Kilometer und drehte dann kraftlos um. Die letzten Meter zum Hotel wurde mir schwindlig und ich hatte kaum Kraft, mich auf den Beinen zu halten. Ich verkroch mich ins Bett und glaubte an einen grippalen Infekt und dachte mir nicht viel dabei.
Zum Abendessen schleppte ich mich in den Speisesaal, hatte aber keinen Appetit. Gleich darauf legte ich mich schlafen. Ich war nur mehr müde.
Tags darauf verzichtete ich auf das Frühstück und packte lustlos. Ich war nicht mehr in der Lage die Gepäckstücke ins Auto zu laden, geschweige denn mit dem Auto nach Hause zu fahren. Von hier an kann ich mich nicht mehr an viel erinnern. Wir hielten noch an einer Raststation, aber vom weiteren Nachhause kommen weiß ich nichts mehr.
Ich verkroch mich zu Hause im Bett wie ein kranker Hund und gab kaum ein Wort von mir. Ich aß nichts mehr und verdunkelte das Zimmer. Wir dachten noch immer an eine Grippe und das es sich nach einigen Tagen legen würde. An die nächsten zwei Tage kann ich mich kaum mehr erinnern. Ich lag apathisch im Bett.
Silvia waren meine Antworten nicht mehr geheuer. Ich wirkte verwirrt und die Sprache hatte keinen Zusammenhang mehr. Sie machte sich große Sorgen und rief am Ostersonntag den Notarzt. Das war wieder ein wacher Moment von mir, denn daran kann ich mich, mehr oder weniger, erinnern.
Es kamen eine Notärztin und ihre Begleiter. Es war für mich ein langes herumgerede, an dem ich mich kaum beteiligen konnte. Irgendwann verstand ich nur, dass wir ins Krankenhaus fahren würden. Es war eine wieder lange Diskussion, ob ich vom ersten Stock hinuntergetragen werden sollte oder ob ich alleine gehen kann.
All das viele Reden strengte mich an, so kürzte ich es ab und sagte: "Ich kann selber runter gehen". Gesagt getan, ich marschierte los und alle Rettungsleute hinterher. Ich wankte hinunter. Auf die Idee, das sie mich stützten oder einer voranging, kamen sie nicht. Silvia war schockiert, dass keine Vorsichtsmaßnahmen angewendet wurden. Ich hätte in meinem Zustand die Treppe hinunterstürzen können.
Im Rettungswagen wollten sie mich hinsetzen, aber ich konnte mich nicht mehr aufrecht halten. So wurde ich im Bett liegend transportiert. Das war auszuhalten.
In der Notaufnahme angekommen wurde ich auf ein Bett umgelegt. Nach langer Warterei ging es an die Untersuchungen.
Von "Wir wissen es noch nicht" bis "Es kann ein Tumor sein", war alles zu hören. Es gab nur Mutmaßungen. Am Schluss dann das MRT. Es sollte die endgültige Klarheit bringen.
(Zum Beitrag auf der Intensivstation geht es hier)
Mir war mittlerweile alles egal. Ich wollte nur meine Augen zu machen und schlafen. Das meiste bekam ich sowieso nicht mehr mit. Dass ich ein Thalamus-Abszess hatte, das konnte ich nicht mehr verstehen. Ich war weggetreten. Zwischendurch hatte ich lichte Momente und nahm etwas wahr. Verstehen konnte ich es aber nicht.
Ein Hirnabszess endet ohne Behandlung tödlich. 5% bis 20% enden auch heute noch tödlich. Auch bei mir traten bald Bewegungs- und Koordinationsstörungen auf. Dazu kam eine halbseitige Lähmung.
Für die nächsten Monate sollte mein Denken eine neue Dimension annehmen. Es gab keine Gedanken an die Zukunft oder Vergangenheit. Ich lebte nur im HIER und JETZT. Anders wäre es gar nicht möglich gewesen.
Es gab für mich keine Probleme mehr und die Krankheit nahm ich für mich, als nicht bedrohlich wahr. Ich konnte nicht darüber nachdenken. Alle Verbindungen oder Synapsen zu den diversen Arealen waren gestört.
Von Anfang an waren meine Gedanken limitiert und sind es auch heute noch. Noch immer heißt es üben, üben und noch einmal üben.
Nach über zwei Jahren habe ich mir die DVD "Die Gabe", von Damien Lichtenstein, wieder einmal angeschaut. Es geht darin um das Thema, dass jeder Mensch eine Gabe hat (oder einen Sinn/Zweck im Leben), den er besonders gut kann. Diese Gabe kann sich zwar verändern, wird aber meistens den gleichen Sinn erfüllen.
"Gabe" wird laut Duden mit Geschenk definiert. Damit ist gemeint, welches Geschenk ich als Mensch für meine Mitmenschen bin. Man kann auch "Berufung" dazu sagen. Seiner Leidenschaft zu folgen und das tun, hinter dem man voll und ganz steht. Die Berufung kann auch seine Seelenaufgabe sein.
Der Film ist ein guter Anstupser, mich um meine eigene "neue" Berufung zu kümmern. Viel hat sich verändert seit dem Hirnabszess. Die Konzentration und das Denken haben so stark nachgelassen. Meinen Beruf der Videoproduktion kann ich damit nicht mehr ausführen. Auch die Bewegung wird noch längere Zeit in Anspruch nehmen. Damit sind meine vormaligen Jobs einmal hinfällig. Aber was bleibt dann für mich übrig? Nun, dass kann ich erst finden, wenn mein Denken wieder funktioniert.
Meine Gabe war es bisher, Informationen (Wissen) weiterzugeben. Briefträger, Vortragender, Energetiker, Gesundheitsvorträge, Filmproduktion - mein bisheriges Leben drehte sich immer darum Informationen weiterzugeben. Den Briefträger habe ich damals nicht recht verstanden, wie er in dieses Konzept passt. Bis ich darauf gekommen bin, dass er Informationen mittels Briefen und Werbung weitergibt.
Auch das Filmen passt gut in dieses Schema. Ich gab damit filmisch meine Informationen weiter. Für Puls4, Pro7 und Sat1 produzierte ich Nachrichtenbeiträge, für Firmen machte ich Werbevideos und in eigener Sache informierte ich mittels Filmen über meine und anderer Abenteuer oder im Gesundheitsbereich.
Die Art der Weitergabe veränderte sich, es blieb aber bei der Weitergabe von Informationen.
Vor dem Hirnabszess habe ich meine Gabe zwar gekannt, aber am Schluss nicht mehr gelebt. Du merkst es, wenn du es nicht mehr lebst. Auch ich habe es gemerkt. Aber ich änderte nichts oder besser gesagt, zu spät.
Aber was ist meine Gabe nach dem Hirnabszess? Das bisher gemachte kann ich ja nicht (mehr) ausüben. Es hat sich zu viel verändert seither.
Nun, es ist dafür noch zu früh. Meine Defizite im Denken und meine körperliche Leistungsfähigkeit sind noch zu sehr beschränkt, als das ich schon an etwas anderes denken kann. Trotzdem beschäftigt es mich immer wieder.
Mit dem Hirnabszess und seinen Folgen habe ich eine neue (Auf-)Gabe bekommen. Ich ahne sie, kann aber noch nicht so weit denken, um es zu formulieren. Das macht ein bisschen Angst, da die Rehabilitation schon zwei Jahre andauert und ich viel neu lernen muss.
Wo etwas nicht umsetzbar ist, müssen neue Strategien her. Bis man das ins Leben übertragen kann, vergeht viel Zeit. Step by Step, wie in allen anderen Bereichen auch.
Ja, heute vor zwei Jahren begann meine Odyssee. Vieles kommt mir hoch und ich bin manchmal sehr nachdenklich. Was mir aber auch nicht hilft, denn die meisten dieser Gedanken lassen sich nicht fortsetzen. Ich bin noch nicht soweit.
Noch immer kommen einzelne Vorkommnisse hoch, die mir entfallen sind. Schwierige Momente auf der Intensivstation oder der OP. Ich durchlebe dann das damals passierte emotional noch einmal durch.
Meine Emotionen wechseln sich damit dauernd ab. Es geht mir nahe, dass ich mit der Bewegung und dem Greifen noch immer solche Schwierigkeiten habe. Vom Denken möchte ich gar nicht reden. Alles in allem erhoffte ich mir, schon weiter zu sein und mehr zu können. Zu Akzeptieren, das dem nicht so ist, ist manchmal schwer und vor allem, dass es noch länger dauern wird.
Es haltet mich noch vieles davon ab, meiner Gabe näher zu kommen. Manchmal bleibe ich im Bett liegen und versuche an nichts zu denken. Das funktioniert erstaunlich gut. Meditieren ist keine Herausforderung mehr wie früher. Zum Glück, denn in einem Gedanken festzustecken und nicht weiter zu kommen, kann frustrierend sein.
Zurzeit stehen viele Untersuchungen an. Die EU-Pension läuft aus und vieles mehr. Ich muss ich mich mit der Zukunft beschäftigen, obwohl ich noch nicht richtig Denken kann. Für mein Gehirn zu viel. Hätte ich nicht Unterstützung in der Familie, ich würde es nicht schaffen.
Den Film "Die Gabe", sehe ich als eine Unterstützung, um zurück ins Leben zu kommen. Im Moment bin ich am Abklären, was für mich derzeit möglich und nicht möglich ist. Viele Menschen mit Handicap vollbringen tolle Sachen. Das motiviert mich und zeigt mir, es geht auch so.
Meine persönlichen Handicaps sind noch nichts Definitives. Ich bin noch in Rehabilitation und werde alles dafür tun, meine Defizite so gering wie möglich zu bekommen.
Das Schreiben fasziniert mich zurzeit. Es ist mein derzeitiges Hobby und Therapie. Mit etwa 10 Jahren wollte ich Schriftsteller werden. Ich verschlang ein Buch nach dem anderen und wollte selber schreiben. Das war aber in meinem Umfeld als Beruf nicht angesehen. Ich bekam immer wieder zu hören, das sei kein Beruf und ich würde als armer Schlucker enden. Damals gab ich es auf.
Die Krankheit gab mir Gelegenheit zu Schreiben. Zuerst musste ich einen Kugelschreiber halten lernen. Später entstanden die ersten Kringel und viel später lernte ich die ersten Wörter zu Schreiben. Bis ich ganze Sätze zusammen brachte, verging ein Jahr. Damals begann ich meinen Blog. Vielleicht entsteht aus diesen Erlebnissen wirklich ein Buch. Es wäre eine neue Herausforderung, das Handwerk Schreiben, zu lernen.
Und vielleicht hat das was mit meiner neuen Gabe oder Berufung zu tun. Zumindest jetzt hilft es mir. Ob es vielleicht meine neue Gabe sein wird? Man wird sehen!
Aber das gilt nicht nur für mich. Jeder hat eine Gabe. Aber lebt er sie auch?
Man kann sich einfach des öfteren fragen: Habe ich meine Berufung schon gefunden?