Diese Woche haben mich zwei Meldungen beschäftigt, die mir wieder bewusst gemacht haben, was für mich derzeit im Leben wichtig ist.
Als erstes war es ein Facebook Posting von meinem ehemalige Kollegen bei Puls4, Florian Danner. Er befindet sich gerade auf einer #wahlwanderung durch Österreich, von Meiningen (Vorarlberg) nach Deutsch-Jahndorf (Burgenland). In seinem Post vom 19. September schreibt er unter anderem:
+ Lektion: Nur in Tagesetappen denken - und nicht weiter. Alles andere schlägt sich aufs Gemüt...
Florian Danner
Wie recht er hat! Es ist auch mein Thema derzeit. Langsam kommt das Denken wieder und ich beginne zu viel zu denken. Zum Beispiel über meine ungewisse Zukunft. Aber wozu sich Sorgen um etwas machen, was noch nicht einmal da ist. Gerade im Extremsport bin ich schon früher solche Wege gegangen. Ob beim Iditabike in Alaska (300 km bei -35°) oder der Crocodile Trophy in Australien (3000km). Die Länge des Weges durfte ich nie thematisieren. Das gilt auch für meine jetzige Erkrankung.
An solchen Erlebnissen und was ich daraus gelernt habe, erinnert mich zum Beispiel Florians Wanderung. Meine Erinnerung an früher ist noch nicht in vollem Umfang da. So helfen mir andere Menschen mich immer wieder, mich daran zu erinnern. Es wird mir dadurch immer mehr bewusst.
Die Länge des Weges gilt besonders für meine Rehabilitation. Es darf kein Thema sein und auch nicht werden. Es braucht so lange wie es braucht. Das ist eben ein Spagat zwischen Geduld und Ungeduld. Ich brauche ein bestimmtes Maß an Ungeduld. Es ist mein Antrieb weiter zu tun, mehr zu wollen. Aber sie darf nicht überhand nehmen. Tut sie das, kommt schnell Frustration hoch, weil es einem nicht gelingt. So heißt es genau Balance nehmen. Viele Menschen haben mit denselben Problemen wie ich zu tun, sind nicht in ihrer Mitte und kämpfen täglich dahin. Auch bei mir war es so und Krankheit die Folge.
Der zweite Artikel der mich ansprach, war ein Beitrag von Christof Herrmann, der den Blog einfacherleben.de betreibt.
Er beschreibt im Beitrag, wie wichtig Gehen für unsere Gesundheit ist. Der Artikel ist schon über viereinhalb Jahre alt, hat aber von seiner Wichtigkeit nichts verloren. Für mich hat das "Gehen lernen" derzeit Vorrang vor allem.
Ich habe mir erlaubt, die Gründe dafür, von seinem Blog zu kopieren. Ich kann mich damit identifizieren.
Den Punkten kann ich mich nur anschließen. Jeder einzelne Punkt trifft auf mich zu und deswegen hat Gehen, aber auch Laufen, einen so hohen Stellenwert für mich. Da kommt aber auch die Ungeduld ein bisschen hervor. Ich kann noch nicht so viel, wie nötig wäre. Die WHO empfiehlt zum Beispiel 10.000 Schritte täglich, das entspricht etwa 6-7-Kilometer täglich. Für mich einmal die Woche möglich, täglich wäre unmöglich.
Beim Gehen versuche ich oft, die Strecke die ich schaffe, zu verlängern. Aber es geht halt nicht immer und die Tagesverfassung ist verschieden. Aber ich komme weiter wie vor einem Jahr und in einem Jahr komme ich weiter wie heute. Und irgendwann werde ich auch Laufen. Aber darüber zerbreche ich mir nicht den Kopf. Denn es ist gut so wie es ist und wäre es das nicht, wäre es trotzdem so.
Gerade die letzten Jahre vor dem Hirnabszess war ich körperlich fit. Mehrere Stunden zu Laufen waren kein Problem. Trailrunning war meine große Leidenschaft. Das war von einem Tag zum Anderen vorbei. Fünf Monate im Bett liegen gingen nicht spurlos vorüber. Und das muss ich mir immer wieder bewusst machen und vor Augen halten. Das ich vor einem Jahr bei Null begonnen habe. Und Null heißt nicht nur zu Gehen, sondern die ganze Koordination des Körpers wieder lernen. Das braucht eben noch Zeit.
Das Laufen am Stand praktiziere ich übrigens noch. Es fühlt sich gut an und ich werde es einige Zeit beibehalten. Bevor ich mich dann vorwärts bewege, muss ich noch am Gehen feilen. Der rechte Fuß bleibt noch ab und zu am Boden hängen, auch am Asphalt. Das ist durch die Lähmungen hervorgerufen, die ja rechts bestanden. Das Heben der Fußschaufel gehört noch mehr automatisiert. Ein Sturz passiert zu leicht.
Am Schluss möchte ich nicht verabsäumen, auf den Blog >diedanners.com< ,von Florian und Christina Danner hinzuweisen. Berichtet wird über den Familienalltag von Florian und Christina, sowie ihren Erlebnissen mit Theo (5) und Noah (18 Monate). Echt lesenswert. Wer ebenfalls Kinder hat, wird sich da und dort wiederfinden.
Viel Spaß mit dem Blog und auf in eine neue Woche,
euer
Jörg
Ich habe derzeit 8 Punkte, wie ich "von 0 auf 101" kommen werde.
Die Sommerferien sind vorbei, die Kinder in der Schule und ich habe wieder regelmäßiger Zeit meine Übungen zu absolvieren. Ich habe lange gebraucht, um dahin zu kommen, wo ich jetzt stehe. Ich konnte mir jeden Punkt nur einzeln und langsam erarbeiten. Jetzt versuche ich immer öfter zwei Dinge gleichzeitig zu Tun. Aber auch hier gilt, Geduld! Es geht nur langsam vorwärts. Meine Fortschritte kann ich kaum erkennen. Aber sie sind da!
Meine für mich wichtigen 8 Punkte sind:
Die letzen Wochen waren ein auf und ab für mich. Viel Training wechselte ab mit Tagen der Erholung. Motivation wechselte mit Erwartungen ab. Sehen lernen, was ich schaffe. Nicht nur Sehen, was ich noch NICHT kann.
Es ist schon so, dass ich oft davon spreche, was noch nicht geht. Dann sehe ich das halbleere Glas. Immer wieder muss ich mir die kleinen Erfolge vor Augen führen. Das ich vor einem Jahr noch rechtsseitig gelähmt war und überhaupt erst Gehen lernen musste, übersehe ich dabei zu oft. Eine Nadel aufheben war mir lange nicht möglich. Jetzt schaffe ich es schon, mit Mühe zwar, aber es gelingt. Es ist eines meiner Erfolgserlebnisse, wie viele andere auch. Sie sollten an vorderster Stelle stehen und nicht, dass ich noch nicht laufen kann.
Aber da gibt es auch eine andere Seite. Den ehemaligen Extremsportler, den Filmer und den Familienvater. Den gibt es jetzt nicht mehr oder nur in beschränktem Maße. Das zu verstehen ist oft nicht möglich. Und wenn ich dann auch nicht kann, wie ich möchte, ist das Glas schnell halbleer. Obwohl es eigentlich halbvoll ist.
Es ist deswegen so schwer, weil ich die vielen Baustellen im Körper noch immer kaum gemeinsam denken kann. Ich konzentriere mich auf eine Sache und vergesse die andere.
Das sich aber was getan hat, kann ich auch am Profil meiner Trail-Schuhe sehen. Dieselben Schuhe verwendete ich beim Eiger Ultra Trail 2014 und danach noch für den einen oder anderen Trailrun. Seit ich voriges Jahr aus dem Krankenhaus kam, sind sie, praktisch pausenlos, im Einsatz. Der letzte Winter war ziemlich Schneereich und eisig. Mein Gehen war noch sehr unsicher. Da kamen mir die Schuhe mit dem starken Profil gerade recht.
Sie geben mir Sicherheit und ich gehe darin sehr gut. Gerade am Anfang hatte ich kaum ein Gefühl in den Füßen und trat recht hart auf, was mir immer wieder Schmerzen in den Fersen verursachte. Die Salomon Schuhe minderten den Aufprall. Für den kommenden Winter müssen neue Schuhe her, da ich das Profil dieses Jahr abgegangen bin.
So bewege ich mich Schritt für Schritt weiter, in allen Belangen.
Ein Schritt war diese Woche, meinem Freund Bernd, bei der Weinlese zu helfen. Schon die Autofahrt war für mich anspruchsvoll, dazu war es das erste Mal, dass ich bei jemanden zu Besuch war.
Weinlese ist für mich perfekte Ergo-Therapie. Die Trauben fassen, putzen und mit der Schere hantieren, ist besonders anspruchsvoll. Es war eine wohltuende Abwechslung zu meinem sonstigen Therapiealltag.
Auch der Blog, der seit knapp fünf Monaten besteht, ist eine hervorragende Therapie. Mein Denken wird dabei besonders gefordert. Ich muss mir Dinge merken, die mir in letzter Zeit passiert sind. Das dann auch in Papierform zu bringen, ist die nächste Herausforderung. So haben mehrere davon etwas und es ist eine wohltuende Abwechslung.
So besteht mein Leben seit eineinhalb Jahren aus Therapie. Egal ob Bewegen oder Denken. Das hätte ich mir vorher nie vorstellen können, dass es so etwas gibt. Es ist etwas anders, wenn man einen Unfall hatte. Dann ist es klar, warum man diese oder jene Defizite hat. Bei mir war eigentlich nichts und trotzdem ist man so reduziert. Darum kann ich meine Rehabilitation nicht mit einem gebrochenen Bein oder ähnlichem vergleichen.
Zum Abschluss ein Spruch, der viel Wahres in sich trägt und mich oft begleitet:
Achte stets auf deine Gedanken, sie werden zu Worten.
aus dem Talmud
Achte auf deine Worte, sie werden zu Handlungen.
Achte auf deine Handlungen, sie werden zu Gewohnheiten.
Achte auf deine Gewohnheiten, sie werden zu Charaktereigenschaften.
Achte auf deinen Charakter, er wird dein Schicksal
In diesem Sinne,
Euer Jörg
Ein erstes "Pilgern light" für mich zum Üben. Nachdem ich in den letzten Wochen des öfteren über meinen Wunsch zu Pilgern geschrieben habe, mache ich ernst. Allerdings eine light Version. Oder noch besser, eine "light - light" Version. Kurze Anreise, kurze Wegstrecke und genug Zeit.
Ich "pilgere" von Graz-Hilmteich nach Mariatrost. 5 Kilometer Wegstrecke und leichte Steigungen. Nach 2,5 km eine Möglichkeit zur Einkehr und zum Ausrasten. Dazu genug Parkbänke auf dem Weg zum Niedersetzen. Das sollte für mich machbar sein.
OK, es ist eigentlich nur ein Spazierweg für die Grazer und mit einem Pilgerweg nicht vergleichbar. Trotzdem ist er für mich eine Herausforderung. So einen Weg bin ich seit meinem Krankenhausaufenthalt noch nicht gegangen. Meine Herausforderungen haben sich halt verschoben.
Hoch motiviert starte ich zusammen mit meiner Lebensgefährtin Silvia. Gleich zu Beginn geht es den Leechwald bergauf. Ich bin ausgerastet und frisch. Das ist auch gut so, denn die ersten Meter sind die anstrengendsten. Mein Wille ist derzeit größer als mein Können. Über zahlreiche Wurzeln steige ich höher.
Noch geht es gut, ich fühle mich auch so und stapfe tapfer dahin. Den Leechwald kenne ich gut. Schon als kleiner Junge war ich hier oft zum Spielen und später habe ich hier für meine Rad-Querfeldeinrennen trainiert. Damals, vor 25 Jahren, störte es niemanden, hier mit dem Rad zu fahren. Viele Wege und Kurven erinnern mich heute an die vielen Runden, die ich damals zog. Erinnerungen kommen hoch, besonders an Alexander, meinem Cousin, der viel zu früh verstarb. Er war mit dem Rad oft dabei und wir lieferten uns zahlreiche Duelle.
Mein Puls pocht schnell und ich bleibe oft stehen, um durchzuschnaufen. Bergauf kann ich nur wenig schneller, als ich damals aus dem Krankenhaus gekommen bin. Trotz des vielen Übens, es wird nur langsam besser. Noch immer steige ich wie ein Höhenbergsteiger, Schritt für Schritt, langsam nach oben. Wie im tiefen Schnee.
Nichts dabei denken funktioniert nur bedingt. Ich versuche mich durch Sprechen und Bewegen der Arme abzulenken. Das Gehen soll ja automatisiert werden. Nach wenigen Schritten ist allerdings Schluss und mein Atem rasselt. Aber ich übe es wieder und wieder. Irgendwann kommt die Automatisierung zurück und wenn es Jahre dauert. Solange heißt es weiter üben.
Nicht weit von uns entfernt ist der Zugang zum LKH über den Leechwald. Silvia spazierte immer über den Hilmteich zu mir auf die Neurologie um mich zu besuchen. Viele Erinnerungen aus der Krankenhauszeit kommen bei mir hoch. Es ist anscheinend ein Tag der Erinnerungen, denn immer wieder kommen mir frühere Erlebnisse in den Sinn.
Der Lärm des Notfall-Hubschrauber ist öfters zu hören. Dieses Geräusch begleitete mich die gesamte 5-monatige Zeit im Krankenhaus. Besonders die Tage nach der Operation waren prägend, da ich nur wenige Stockwerke unter dem Landeplatz lag. Den Rest der Zeit lag ich ja auf der Neurologie, die gegenüber der Kinderchirurgie mit ihrem Hubschrauber-Landeplatz liegt.
Jedes Mal ein betretenes "Oijee, schon wieder der Hubschrauber!", in unserem 4-Bett Zimmer. Wir fühlten jedes Mal mit. Auch heute noch ist für mich beim Klang des Hubschraubers ein bedachter Moment dabei.
So vergehen die ersten Meter mit alten und neuen Gedanken. Nach der Steigung führt der Weg leicht auf und ab weiter. Zunächst ist aber Pause angesagt. Das erste Bankerl wird in Beschlag genommen und ich streiche mir die Beine aus. Besonders die Waden verhärten schnell und es ist ja noch ein Weg zu meistern. Zum Glück wartet auf mich bei der Halbzeit das "Häuserl im Wald", ein Gasthaus, das ich zuletzt in der Kindheit vor 40 Jahren besucht habe.
Ich spüre in den Beinen noch die Auswirkungen des ersten Anstieges und gehe dementsprechend vorsichtig weiter. Die Konzentration liegt jetzt merklich mehr beim Gehen. Automatisches Gehen ist auf dem Waldboden nicht möglich. Mit den Gedanken muss ich immer irgendwie dabei bleiben. Trotzdem versuche ich mich zu unterhalten.
Kurz vor'm 'Häuserl im Wald' ist Asphalt und eine Unterhaltung leichter möglich. Ich bin froh, die Halbzeit erreicht zu haben. 2,5 km stehen mir noch bevor. Im Gasthof versuche ich mich bei Kaffee mit Apfelstrudel zu erholen und die letzten 2,5 km Revue passieren zu lassen. Mein Fazit ist ein bisschen ernüchternd. Eigentlich ist hier schon genug. Aber ich will weiter. Mein erster "Pilgerweg" soll nicht so enden. Dann bleibe ich eben auf der Forststraße und meide den schwierigeren Waldweg.
Gleich nach dem Gasthof geht es auf Asphalt steil bergauf und ich verfalle wieder in meinen Höhenbergsteigerschritt. Ein älteres Ehepaar zieht an mir vorüber. Aber dafür habe ich schon in meiner aktiven Radfahrer-Karriere vorgebaut.
Ein Training war damals, 5 Stunden den Puls nie über 100 kommen zu lassen. In der Sporgasse in Graz war es dann soweit. Mein Freund Harry und ich fielen auf dem steilen Kopfsteinpflaster mit dem Rad fast um, so langsam fuhren wir hoch. Plötzlich schob eine alte Frau ihr Waffenrad an uns vorbei.
Harry meinte nur: "Da musst du psychisch gut drauf sein, dass es dir wurscht ist, dass eine alte Frau schneller ist!". Er hat es im Spaß gesagt, aber in Wirklichkeit geht es darum. Egal was ist, man soll auf sich selbst schauen. Nur so wirst du besser. Viel zu oft trainiert man stur nach Trainingsplan und hört nicht in sich hinein, wie es einem geht.
An diesen Vorfall erinnerte ich mich noch öfter in den Jahren danach. Und heute ebenfalls wieder. Nur der Unterschied ist, ich kann diesmal nicht schneller. Der verwunderte Blick der beiden, wie ich da in Zeitlupe hinauf schnaufe, war lustig. Ihre Gedanken hätte ich gerne erfahren. Zu fragen was los ist, haben sie sich nicht getraut.
Der Versuchung, wieder in den Wald zu wechseln, widerstehe ich. Ich bleibe auf der Straße. Es ist so einfacher für mich. Im Wald auf Wurzeln zu achten und bei jedem Schritt aufzupassen wo ich ihn hinsetze, hat kaum mehr einen Trainingseffekt. Dazu ist meine Energie schon zu sehr aufgebraucht.
Lieber hänge ich meinen Gedanken nach. Die drehen sich darum, wann ich mir zutrauen kann, einen richtigen Pilgerweg in Angriff zu nehmen. Wieder ist es ernüchternd. Ich muss erkennen, dass es dafür noch viel zu früh ist. Mir fehlt es noch immer an Kraft und Ausdauer.
In Italien oder Spanien sind keine Parkbänke am Weg zum Rasten. Geplant habe ich es einmal für nächstes Jahr, aber aktuell traue ich mich nicht zu sagen, wann es gehen wird.
Ich war froh aus dem Wald zu kommen. Noch wenige Meter auf einem Gehsteig und ich stehe vor der Basilika in Mariatrost. Im wunderschönen Altarraum der Kirche zünde ich eine Kerze an. Meinen Wunsch kann sich jeder selbst denken.
So beende ich meinen ersten Pilgerweg, der für mich einen besonderen Platz einnimmt. Für viele wäre es nicht mehr als ein ein netter Spaziergang gewesen. Für mich war es der Weg in ein neues Leben. Mal sehen, wo es mich noch hinführen wird.
PS.: Die Pilger auf dem Adams Peak (mit 6000 Stufen) in Sri Lanka sehe ich jetzt mit anderen Augen.
Ein Thema, das mich über die letzten Monate beschäftigt, ist das Laufen, oder mittlerweile, dass ich noch immer nicht laufen kann.
Ok, ich gebe mir Zeit und habe begriffen, dass eben andere Sachen wichtiger sind. Es ist ein Einschnitt in meinem Leben und ich durfte so viel anderes kennen lernen und erleben. Laufen und Trailrunning ist trotzdem noch mein Ziel, auch wenn es noch länger dauern wird.
Seit einigen Tagen bin ich trotzdem "läuferisch" unterwegs. Unterwegs ist eigentlich nicht richtig, denn ich versuche am Stand zu laufen und das sehr langsam.
Also, ...... ich bin nicht draußen unterwegs. Klingt komisch, ist aber so. Ist in meinem speziellen Fall sogar einleuchtend. Ich versuche schon seit Monaten zu laufen, aber es will nicht sein. Es ist mir zu schnell und die Koordination der Beine kommt nicht mit.
Mein Gehirn ist mit der Schnelligkeit überfordert, die es braucht, um die Schrittfolge zu meistern. Ein paar Schritte...noch dazu unter enormer Kraftanstrengung... und aus ist es. So musste eine neue Taktik her.
Mit dem Laufen am Stand trainiere ich zunächst in erster Linie die Synapsen im Gehirn. Es bekommt damit die Information, dass ich laufe, obwohl ich mich nicht vorwärts bewege. Es geht nur um die Information. Ich kann mich sogar festhalten, sollte mich der Schwindel erfassen oder wenn ich das Gleichgewicht verliere.
In diesem Fall geht es nicht um Kondition, sondern um die Information, die in meinem Gehirn anlangen soll. Erst wenn die Info, dass ich laufe, lange und oft genug im Gehirn ankommt, können sich die neuen Synapsen bilden.
Erst dann kann ich an der Fortbewegung trainieren, weil es das Hirn schon kennt. Das heißt dann zu beginnen, Zentimeter um Zentimeter vor den anderen Fuß setzen. Zehn Meter können so recht lange dauern. Derzeit reicht es am Stand zu laufen. Ich merke es, wenn ich soweit bin, mich vorwärts zu bewegen. Es heißt eben auch hier von 0 weg zu beginnen.
Auch die Kondition lässt zu wünschen übrig. Sobald ich zum Beispiel etwas schneller gehe, komme ich gleich außer Atem. Da steht noch einiges an Training an. Allerdings, mein Körper lässt sich nicht überlisten. Viel Üben ist in meinem Fall zwar gut, aber mehr als die zur Zeit mögliche Belastung geht eben nicht.
Rund eine Stunde kann ich für die wichtigen Anliegen des Tages nutzen. Dabei ist es egal ob ich denke, mich bewege, oder etwas anderes mache. Eine Stunde am Tag ist nicht viel, daher muss ich genau überlegen, was ich mache. Diese Zeitspanne lag vor einem Jahr noch bei etwa fünfzehn Minuten, aber langsam wird sie größer.
Es wäre natürlich fein, wenn nur die Kondition für mein Bewegen zuständig wäre. Kondition trainieren und alles ist gut. So wie ich früher für ein Radrennen trainierte oder für eine Bergbesteigung. Aber es ist eben nicht so. Nicht die Kondition, sondern die neurologischen Defizite sind die Ursache für mein langsames Weiterkommen. Und das kann dauern.
Das Gehen lernen, zusammen mit meinen Übungen, war bisher optimal. Aber um meine Kondition weiter aufbauen zu können, komme ich um spezifisches Training nicht herum. Aus diesem Grund habe ich mich entschlossen ab Herbst ins Fitnessstudio zu gehen. Wenn es kälter wird, kann ich nicht so leicht meine Übungen im Freien machen.
Ich ziehe ja eigentlich die Natur vor, aber in diesem Fall muss ich über meinen Schatten springen und Indoor bleiben. Ich kann in der Kraftkammer bestimmte Muskelgruppen einfacher und zielgerichteter trainieren. Im Wald muss ich manchmal dazu einfach zu viel nachdenken, welche Übung jetzt passen würde. Und beim Denken bin ich noch limitiert.
Noch immer muss ich mir den Tag ganz genau damit einteilen, was ich alles erledigen möchte. Ich habe nur eine geringe Bandbreite. Mache ich zu viel, stehe ich schnell an. Es kann passieren, dass zu Mittag bereits meine Batterien leer sind. Dann heißt es sich über den Tag retten und viele zusätzliche Pausen zu machen.
Ich kann aber nicht immer zu Hause bleiben. Die Decke fällt mir sonst auf den Kopf. Wenn meine Lebensgefährtin Silvia etwas in der Stadt zu erledigen hat, lasse ich mich zur Mur bringen. Dort spaziere ich den Fluss entlang. Viele Parkbänke geben mir die Möglichkeit für genug Pausen.
Auf meiner Lieblingsstrecke komme ich dabei am Kalvarienberg vorbei, den ich zur Besteigung nutze. Die vielen Stufen hinauf sind eine Herausforderung, wie es früher ein Lauf in die Berge war. Etwas mehr als 100 Stufen sind zu erklimmen. Er gilt als der "Berg der Hoffnungen". Meine Hoffnung liegt darin, wieder größere Berge als den Kalvarienberg zu besteigen.
Eine andere Tour, die ich seit kurzem gerne nutze, ist der Schlossberg. Zu Fuß hinauf ist noch zu anstrengend, darum fahre ich mit der Bahn. Hinunter bieten mir viele Bänke Zeit zum Rasten. Das Bergabgehen ist ebenfalls sehr anspruchsvoll und mindestens so schwer wie bergauf.
Besonders die Oberschenkel werden trainiert. Allerdings ist das Verhältnis Trainingsaufwand zu Trainingsergebnis sehr gering. Ich mache eben in allem einen sehr kleinen Fortschritt. Egal ob im Denken, im Gehen oder im Greifen.
So sieht mein Training aus, wenn ich mal von zu Hause weg bin. Der Murweg oder der Schlossberg sind aber doch noch die Ausnahme. Das meiste Training findet noch bei mir zu Hause in den Wäldern von Stattegg statt und der Wald ist nach wie vor mein liebster Aufenthaltsort.
Kleine Verbesserungen spüre ich erst nach Wochen, wenn nicht nach Monaten. Ich habe zwar meine Rehabilitation wie ein Sportler angelegt, aber sie ist damit nur bedingt vergleichbar. Die Zeitdauer für Erfolge ist viel länger.
Seit genau einem Jahr bin ich wieder zu Hause, in meinem Leben 2.0. Am 20. August 2016 war mein letzter Tag im Krankenhaus und mein neues Leben 2.0 hat begonnen.
Der Hirnabszess hatte enorme Auswirkungen auf mich und meine Familie. Unser Leben wurde auf den Kopf gestellt und nichts war mehr wie zuvor. Alltag leben, ist bis heute nicht wirklich möglich, zu sehr beschäftigt die Krankheit den Tagesablauf. Ich habe so mit mir selbst zu tun, dass nur wenig Zeit für die Familie bleibt. Speziell das Denken und die Aufnahmefähigkeit sind stark gestört.
Wir alle waren, speziell am Anfang, mit der Situation überfordert. Ich konnte nicht, wie ich wollte und meine Familie wusste oft nicht, wie damit umgehen. Ich war ein Freund und doch ein Fremder geworden.
Es war definitiv nichts mehr wie früher. Ich musste mir meiner Lage erst bewusst werden. Im Krankenhaus war ich in einer geschützten Umgebung unterwegs. Ich rechnete nicht damit, so schnell entlassen zu werden, weil ich ja durchgehend intravenöse Antibiotika-Infusionen bekam. Doch mein Körper reagierte auf die Zugänge zunehmend allergisch, sodass die Ärzte auf orale Antibiotika-Medikation umstellten und mich nach Hause schickten. Der Krankenhausaufenthalt war nicht mehr notwendig. Ich durfte nach Hause, endlich!
Dann, von einem Tag auf den anderen, war ich plötzlich wie hinausgeworfen. Ich war Dingen ausgesetzt, die mich überforderten. Mit der Schnelligkeit des Lebens kam ich nicht mehr klar. Erst langsam gewöhnte ich mich an das Zuhause.
Unter Menschen gehe ich heute noch ungern. Ich fühle mich von den Eindrücken schnell überfordert. Multitasking, mein Zauberwort, ist noch immer nur sehr beschränkt möglich.
Mein Plan war damals, ich trainiere meine Kondition und zusammen mit dem Lauftraining werde ich bald wieder mobil und aktiv sein. Pustekuchen. Damals war ich noch der Meinung, dass es ein muskuläres Defizit sei. Ich musste ja bei null anfangen. Nach einigen Monaten habe ich erkannt, dass dem nicht so ist. Ein Großteil der Defizite sind neurologisch bedingt und Nerven brauchen lange zum Heilen und neu vernetzen.
Bergauf stapfe ich noch wie ein Höhenbergsteiger dahin, Schritt für Schritt. Mein neuer Spitzname ist "Duracell Hase". Besonders am Morgen oder wenn es kalt ist, sind die Muskeln steif und ich tripple mit steifen Beinen dahin, wie der Duracell Hase in der Werbung. Mal schauen, ob ich auch bald "entscheidend länger durchhalte". 🙂
Die ersten Monate war noch der Schleier der Krankheit über mir gelegen. Als der Schleier sich legte, blieben die reinen Defizite über. Jetzt war mentale Stärke gefragt, denn sonst wäre ich an diesem "nicht können", zerbrochen.
Geholfen hat mir in dieser Zeit mein Vorleben im Sport mit Mentaltraining und der Computer mit Internet. Er ermöglicht mir die Kommunikation mit der Außenwelt und das Tempo kann ich selbst bestimmen. Ende April begann ich mit dem Bloggen. Es hilft mir ungemein. Mein Schreibstil ist zwar dem eines Volksschülers ähnlich, aber mein Gehirn ist damit sehr gefordert. Das beste Training.
Meistens schreibe ich mit dem Computer. Die Hand ermüdet doch recht schnell und viele Schreibfehler lassen das Geschriebene schwer lesen. Das oftmalige Überarbeiten dauert seine Zeit und daher brauche ich für einen doch recht kurzen Blogbeitrag oft eine ganze Woche. Tippfehler am Computer sind leichter auszubessern.
Mir fehlt noch der Wortschatz, daher brauche ich lange zum Überarbeiten. Manchmal lasse ich es so stehen, weil es zu mühsam wäre, eine andere Formulierung zu finden. Damit kann ich aber leben. 😀
Überhaupt, ich musste mich in diesem vergangen Jahr "neu erfinden". Was nicht leicht ist, kann ich doch kaum in die Zukunft denken. Gut Ding braucht eben Weile!
Vorrangig ist das Beheben meiner Defizite. Sie erschweren mir den Alltag. Das Gleichgewicht, der Schwindel, verbunden mit Bodenunebenheiten beim Gehen, sie behindern mich sehr stark. Die kleinste Unebenheit bringt mich außer Tritt. Ständig muss ich mit den Gedanken beim Gehen und Ausbalancieren sein. Automatisch, wie früher, geht gar nichts.
Besonders die Stadt strengt mich an. Gehsteigkanten, kreuz und quer laufende Fußgänger, Radfahrer, Autos - Stress pur. Gut fürs Gewöhnen, aber da reichen ein paar Minuten aus und ich will wieder weg.
Es ist oft anstrengend und kaum zu beschreiben. Natürlich gab es Verbesserungen im letzten Jahr, aber eben nur minimale. Für mich der größte Fortschritt, war die Verbesserung der Gefühllosigkeit in den Fingern. Bereits nach der ersten Einheit Strom-Therapie in der Reha in Judendorf, merkte ich eine spürbare Verbesserung. Das bamstige Gefühl verschwand. Ich habe zwar noch Probleme mit dem Fühlen und Spüren beim Greifen, aber die bamstigen Wurstfinger bin ich endlich los.
Der größte Erfolg im letzten Jahr war, ich habe die Natur wieder für mich entdeckt. Wieder entdeckt deshalb, weil ich ja ein Leben lang ein Naturmensch war. Nur waren die letzten Jahre derart von der Arbeit überschattet, dass es mich immer mehr von der Natur weg brachte. Mein liebstes Training ist es, in den Wald zu gehen. Manchmal nur Gehen, ein anderes Mal mit Übungen verbunden. Was gibt es schöneres, als in der Natur zu trainieren! Ich spüre ganz intensiv, wie mich das Grün des Waldes anzieht. Wie es meinem Körper guttut.
Ich freue mich aber auch darauf, mich wieder einmal oberhalb der Baumgrenze zu bewegen. Das Hochgebirge ist für mich der Inbegriff der Freiheit. Noch ist es zu weit entfernt und ich kann am Berg nicht aufsteigen, aber vielleicht geht sich wenigstens heuer noch ein Ausflug aus.
Zuerst muss ich aber mein Gehen verbessern. Noch geht nichts automatisch, daher sind mit Felsen durchsetzte Wege ein großes Hindernis. Aber wie sagte ein Arzt: "In der Neurologie hilft viel wirklich viel!". Also weiter viel Training!
Deshalb bin ich viel zu Fuß unterwegs. Für mich halt viel. Immer in der Relation. Was für mich ein Mammut-Training ist, hätte früher nicht einmal fürs Aufwärmen gereicht. Es heißt aber auch aufzupassen, mich nicht dauernd mit früher zu vergleichen. Ich bin kein Extremsportler mehr. Heute ist heute.
Trotzdem motiviert und treibt mich ein Vergleich an. Ich gebe mein Bestes, da ich weiß, was noch möglich ist. In den ersten Monaten wollte ich allerdings zu sehr wieder laufen. Ich musste erst akzeptieren, dass ich damit noch warten muss. Mein Thema, die Langsamkeit, geht vor.
Im Moment schaue ich mir eben Bilder auf Instagram oder Facebook an. Instagram habe ich erst seit diesem Jahr für mich entdeckt. Ich danke allen Freunden und Athleten, dass sie mich mit ihren tollen Fotos und Storys daran teilhaben lassen, an einem Leben, dass mir im Moment nicht möglich ist. Es motiviert mich aber sehr, bald selbst wieder unterwegs zu sein. Gerade auf Instagram findet man wunderschöne Fotos, die mich anspornen, dass alles wieder zu erleben.
Weil ich nicht laufen kann, habe ich das Pilgern entdeckt. Seit Jahren spukt es schon in meinem Kopf herum. Aber wie so oft nimmt man sich für die wichtigen Dinge nicht die Zeit. Alles andere ist wichtiger und man verfällt in den Glauben, sich nicht die Zeit nehmen zu können (dürfen). Sollte es dem einen oder anderen auch so gehen, glaubt mir, ich würde nichts mehr aufschieben. Viele Entscheidungen würden jetzt anders ausfallen, als früher.
Aus diesem Grund werde ich nächstes Jahr den Jakobsweg gehen. Lieber wäre mir noch dieses Jahr, aber ich muss realistisch bleiben. Mein Gehen gehört zuerst noch verbessert. Dann kann ich Seelenarbeit mit Bewegung verbinden, in Kombination mit der notwendigen Langsamkeit. Pilgern und Laufen - tut Körper und Geist gut.
Trotz der momentanen Behinderung warten also auch in Zukunft eine Menge Abenteuer auf mich.
"Aufruf zur Langsamkeit: Wir müssen schleunigst entschleunigen!" Walter Ludin, Journalist und Buchautor
Ich bin noch immer sehr kurz belastungsfähig und meine Kräfte sind schnell am Ende. Als ehemaliger Trailrunner wird mein "Lauf zurück ins Leben", noch eine Zeit lang beim Gehen und Pilgern bleiben.
So musste ich mir etwas Neues einfallen lassen und Gehen oder Pilgern bietet sich optimal für diesen Zustand an. Wobei das Pilgern den gleichen Reiz ausübt, wie das Trailrunning, nur eben langsamen Schrittes. Durch die Berge zu laufen hat eine eigene Faszination, Pilgern auch.
Gerade in den letzten Monaten habe ich viele Berichte und Bilder vom Trailrunning aus Österreich und der ganzen Welt, auf Facebook und Instagram, genossen. Sie erinnern und motivierten mich täglich daran, wofür ich das viele Training und Üben auf mich nehme.
Da es bis zum Laufen aber noch länger dauern wird, musste ein neues (Zwischen-) Ziel her.
Kann achtsames Gehen oder Pilgern ein neues Ziel für mich sein? Ja, das kann es. Da ich mit dem Laufen Probleme habe, ist Pilgern mehr als ein Zwischenziel. Eines, in dem ich *fortschreite* und meine Seele angesprochen wird.
In den letzten Monaten musste ich akzeptieren, dass mein Weg zurück doch länger dauern wird. Das Laufen oder Trailrunning ist mir noch nicht möglich. Die Gleichgewichtsstörungen sind noch immer da und die Trittsicherheit leidet darunter.
Es wird dank dem vielen Training besser, doch ich kann es nicht beschleunigen. Es wird noch länger brauchen. In der Vorstellungskraft funktioniert es schon ganz gut und mein übergeordnete Ziel, den Eiger Ultra Trail zu laufen, ist da. Dafür mache ich viel, aber es braucht Zeit und die kann ich kaum beeinflussen, außer mit Dranbleiben.
Das Pilgern ist ebenfalls ein schönes Ziel. Achtsames Gehen steht bei mir sowieso an der Tagesordnung. Warum also nicht pilgern. Im äußeren Gehen, kann eine innere Bewegung beginnen.
Seit ich aus dem Krankenhaus zurück bin, muss ich den Weg unter mir noch bewusster wahrnehmen. Mein Ziel ist es, wieder automatisch und ohne Nachzudenken, gehen zu können. Das Pilgern ist dabei der nächste Schritt, der mir dazu verhelfen soll.
Mehrere Tage oder Wochen nur zu gehen, davon träumte ich schon lange. Viele schwer Erkrankte haben nach Ihrer Gesundung das Pilgern für sich entdeckt. Den Jakobsweg oder andere Wege haben sie dazu benutzt, sich selbst wieder näherzukommen.
Ich habe noch nicht den Anspruch, irgendwohin zu gelangen. Mein erster Ansatz ist es, Schritt für Schritt zu gehen, im HIER und JETZT zu sein und achtsam zu sein. Mehr lässt mein Körper derzeit nicht zu.
Der Prozess des Gehens und die dabei gemachten Erfahrungen sind wertvoll. Körperliche und seelische Bewegung hängen dabei zusammen. Für mich eine großartige Möglichkeit, mein neues Leben nach der Krankheit noch besser zu erfahren. Diese bewusste Langsamkeit, die mich nach der Krankheit ergriffen hat, werde ich wohl lange behalten. Obwohl, ich freue mich auch aufs Laufen, das eine schnellere Gangart ist und die Belastung dem Körper guttut.
Neben den körperlichen Zielen, gibt es aber auch seelische Ziele. Pilgern ist dafür hervorragend geeignet, die Seele und sich selber besser zu erfahren.
Mein Freund Alexander Rüdiger brachte mich übrigens drei Monate vor meinem Ausfall auf den Jakobsweg. Der Weg schwirrte schon lange in mir herum, aber erst durch Alexander wurde es spruchreifer. Wir hatten in Planung, einen Dokumentarfilm am Jakobsweg zu machen.
Alexander war ja schon des Öfteren dort unterwegs und kennt die Gepflogenheiten sehr gut. Leider wurde wegen meinen Hirnabszesses nichts daraus, der Jakobsweg wartet also noch immer. Diesmal aber, aufgrund der Situation und Neu-Orientierung, anders als geplant.
Der Jakobsweg, mit seinen 800 Kilometern am Camino France, war schon lange Zeit ein Ziel von mir, erstmals Ende der 80er Jahre. Aufgrund des Sports stellte ich ihn aber hinten an und wollte ihn machen, wenn der Sport zu Ende war.
Dann wollte ich, im Mai 2016, mit meiner Lebensgefährtin Silvia, zum Einstimmen auf das Pilgern, den Franziskus-Weg in Italien gehen. Der Hirnabszess kam mir aber zuvor und das Leben stellte andere Herausforderungen an mich. Der Wunsch nach Pilgern ist aber gleich geblieben, nur eben unter anderen Voraussetzungen.
"Den Puls des eigenen Herzens fühlen. Ruhe im Innern. Ruhe im Äußern. Wieder Atem holen lernen, das ist es."
Christian Morgenstern (1871-1914)
Eines hat Pilgern mit Trailrunning gleich, ab einem bestimmten Punkt kommt man in einen Flow. Der Unterschied ist die Geschwindigkeit, das ja eines meiner Themen ist.
Das Leben war die letzten Jahre vor dem Hirnabszess so schnell geworden, dass ich nicht mehr mitkam und mich nach Entschleunigung sehnte. Und dafür kommt das Pilgern gerade recht, um wieder die Langsamkeit zu erfahren.
Es gibt aber noch weitere wichtige Themen, bzw. Fragen, die ich für mich klären möchte:
Interessante Fragen über das Leben, die einem beim Gehen begleiten und vielleicht auch lösen kann. Wichtig ist, sich keinem Druck auszusetzen oder etwas zu wollen. Denn dann kommt der Druck, etwas erreichen zu wollen und man fängt an zu bewerten und zu beurteilen. Damit hat das Pilgern seinen Sinn verloren.
Meine Berg- und Rad-Reisen von früher, waren dem Pilgern sehr ähnlich, ob die Sahara-Durchquerung oder die Besteigung des Denali. Immer kam ich mit neuen Erfahrungen heim und das Leben war nicht mehr wie vorher.
Seit der Sahara-Durchquerung 1991 schätze ich einen guten Schluck Wasser und bin für jedes volle Teller zum Essen dankbar. Für die Jugend von heute zu oft selbstverständlich, für mich nie mehr.
Zunächst aber heißt es trainieren. Mit den paar Metern, die ich zurzeit schaffe, ist Pilgern noch nicht möglich. Auch das Gehirn gehört noch trainiert. Gerade beim Schreiben für den Blog merke ich, wie limitiert ich bin. Es geht also weiter für mich und ich freue mich auf das erste Mal, wenn ich als Pilger unterwegs sein kann.
Heute gibt es einen Blogpost über mein Workout. Mein persönliches Training, das mich unterstützen soll, meine körperlichen Defizite auszugleichen und mehr Stabilität, trotz der Gleichgewichtsstörungen, zu bekommen.
Diese Übungen sind nicht nur für mich in der Rehabilitation gut, die sollte eigentlich jeder in seinen Alltag einbauen.
Die neurologische Rehabilitation ist eine der wenigen Bereiche in der Medizin, in denen viel wirklich viel hilft. „Üben, üben und nochmals üben“. Mein Leben ist derzeit ein einziges Üben. Wie ein Kind alles neu lernen zu müssen, was man doch längst schon konnte. Ja, es ist oft wirklich hart.
Es ist nicht immer Friede, Freude, Eierkuchen. Eine leichte Steigung wie ein Höhenbergsteiger, Schritt für Schritt, emporstapfen. Alle paar Meter stehenbleiben. Durchschnaufen. Das ist mein Alltag. Es ist nicht immer Freude dabei, so schnell ans Limit zu stoßen. Das einzige was wirklich schnell geht, ist mein Limit zu erreichen.
Das gilt für die Physiotherapie, in der das Gehen neu gelernt werden muss, für die Ergotherapie, in der Alltagsaktivitäten wie das selbstständige Essen, Trinken und Greifen auf dem Programm stehen und nicht zuletzt für die Neuropsychologie, in der Störungen des Gedächtnisses und der Konzentrationsfähigkeit, die das Denken massiv beeinträchtigen, angegangen werden.
Gilt das wirklich nur für mich? Diese Dinge sollte doch jeder beherrschen. Des öfteren bekomme ich von anderen Menschen, hauptsächlich Sportlern, die Rückmeldung, dass sie Übungen machen, die meinen sehr ähnlich sind. Es geht in erster Linie um Koordinations- und Stabilitätsübungen. Man trainiert damit Kraft, Ausdauer, Stabilität und Balance.
Ich ließ ein paar der Übungen in meinem Umfeld ausprobieren und siehe da, manch Übung stellt selbst für gesunde Menschen eine Herausforderung dar. Für mich sind diese Übungen essentiell auf dem Weg zurück ins Leben. Ich erschrak jedoch, wie viele Menschen in punkto Stabilität und Koordination auf einem mir ähnlichem Niveau liegen.
Dabei sind sie so einfach, bewirken aber eine Menge im Alltag. Meiner Meinung nach sollte das jeder beherrschen, egal ob jung oder alt.
Mein Programm dauert zur Zeit etwa 10 - 15 Minuten. Danach bin ich ausgepowert und muss mich erholen. Ich mache es sehr langsam, mit vielen Pausen dazwischen, denn ich bin schnell erschöpft. Es wäre toll, wenn ich von euch Rückmeldungen erhalte, um zu erfahren, wie lange ihr die verschiedenen Übungen durchhaltet.
Noch sind es die Basisübungen, die ich ausbauen werde, sobald genug Kraft da ist. 15 Sekunden halte ich die meisten Übungen durch, mit zwei bis drei Wiederholungen. Da merkt man erst, was es heißt, von 0 anzufangen. Mit meiner Zeit als Extremsportler oder Trailrunner darf ich mich nicht vergleichen.
Zusätzlich steige ich immer wieder auf das Luftkissen. Gut für die Balance und die Kräftigung der Füße. Meist noch mit Anhalten. Hin und wieder halte ich auch schon länger ohne durch. Ich verwende es auch zwischendurch zum Sitzen, wodurch das Becken und Gesäß beansprucht werden.
Ich mache alles nicht täglich, denn das würde mich überfordern. Denn es warten ja noch die Übungen auf dem Computer. Es ist halt so, dass ich nach einer intensiven Übungseinheit mein Pensum für den Tag aufgebraucht habe. Ich muss mir daher genau einteilen was ich wann mache.
Nach dem Training kommen noch ein paar Stretching-Übungen dazu. Mein Muskeln sind von dem langen Liegen sehr verkürzt. Die neueste Forschung räumt ja den Faszien eine wichtige Rolle ein. Gerade Rückenbeschwerden sind davon betroffen. Faszienverklebungen sind oft die Ursache dafür, auch bei mir.
Nach über einem halben Jahr, dass ich die meiste Zeit liegend verbracht habe, kein Wunder. Meine Gelenke und Wirbel knacken und krachen, sie müssen erst wieder in Form gebracht werden.
Begegnet man mir auf der Straße, würde man niemals annehmen, dass ich noch vor einem Jahr im Rollstuhl saß, nach der OP kaum Haare auf dem Kopf hatte und meine Beine so dünn wie Bohnenstangen waren.
Noch fehlt viel, aber langsam kehrt die Kraft in meinen Körper zurück. Joggen sollte mir bald möglich sein. Ein Problem ist halt noch immer das Gleichgewicht. Das ist seit dem vorigen Jahr über Nacht völlig gestört worden und noch immer habe ich Probleme damit.
Sitzen in einem Stuhl habe ich anfangs nur 15 Minuten täglich ausgehalten. Am Ende der Krankenhauszeit war bereits eine knappe Stunde möglich und ich konnte etwa hundert Meter weit gehen. Aber auch heute ist es noch so, wenn ich zu lange unterwegs bin, muss ich mich zwischendurch in eine waagrechte Position begeben, um mich zu erholen oder aufkommenden Schwindel zu beruhigen.
Der Blick in die Zukunft, die Prognose, ob ich wirklich wieder „ganz der Alte“ sein werde, ist sehr schwierig. Dafür sind in der Rehabilitation zu viele Faktoren beteiligt. So wie auf der einen Seite selbst nach Jahren noch kleine Wunder möglich sind, muss man andererseits auch damit rechnen, dass bestimmte Fähigkeiten und Funktionen unwiederbringlich verloren sind. Ich werde sehen!
Die kleinen Schritte. Ja, es ist eine wahre Kunst, sich darin zu üben. Auch die Gedanken.
"Bewahre mich vor der Angst, ich könnte das Leben versäumen. Gib mir nicht was ich mir wünsche, sondern was ich brauche. Lehre mich die Kunst der kleinen Schritte."
Auszug aus einem Gebet von Antoine de Saint-Exupéry
Ich kann es oft noch immer schwer akzeptieren, dass diese Schritte so klein sind. Ich ahnte nicht, dass es so kleine überhaupt gibt. Machte mir kaum Gedanken darüber.
Brauchte ich auch nicht, denn ich lebte mit einer Geschwindigkeit, da war es mir unmöglich, zurückzuschalten. Oder ist das doch nicht so? - Ein ehrliches Innehalten und einmal kleinere Schritte tun - das wäre sicher oft hilfreich.
Zurückgeschalten habe ich nur vom vierten in den dritten Gang. Aber wirkliche Erholung und Orientierung habe ich nicht gefunden. Das wäre nur im ersten Gang möglich gewesen.
Leider wird einem die Zeit für Veränderung nicht gegeben. Man ist damit beschäftigt, sich im Hamsterrad zu bewegen. Ich wusste zwar um die Problematik, hatte aber keine Möglichkeit für mich gefunden, es zu lösen. Mir die Zeit zu nehmen, kam mir gar nicht mehr in den Sinn. Ich "kämpfte" lieber weiter, zwar sinnlos, aber zumindest kämpfen.
Auch möchte ich wieder mit Golfen beginnen. Es ist eine gute Übung im HIER und JETZT zu leben. Die Gedanken sind nur auf den Ball, den Schwung und das Ziel fokussiert. Eine gute Übung. Leider habe ich es vor 15 Jahren aufgegeben.
Minigolf habe ich mittlerweile gespielt. Es dient hervorragend zum Trainieren des Gefühls. Für echtes Golf fehlt noch die Kraft und Ausdauer.
Eineinhalb Jahre sind seit dem Ausbruch des Hirnabszesses vergangen. Vor bald einem Jahr kam ich aus dem Krankenhaus nach Hause. Es war und ist nichts wie zuvor.
Ich habe keinen Beruf mehr. Keinen Sport mehr. Ich darf von 0 beginnen. Gehen, Denken und mich wieder bewegen lernen. Alles neu eben. Mein Leben hat sich total gewandelt.
Die Erinnerung an die Wochen vor dem Abszess sind dunkel. Ich war müde. Müde von den Terminen, von dem Gehetze, von dem Druck, immer perfekt funktionieren zu müssen. Ich hatte viele Pläne, das Eine oder das Andere angedacht, vieles umgesetzt, manches nicht fertig gemacht, einiges nicht erledigt.
Innerlich war ich unausgeglichen und es herrschte Chaos in mir. Zu viele Gedanken. Ein nicht endender Gedankenstrudel.
Wollte ich zu viel? Was wollte ich eigentlich? Ich weiß es nicht mehr. Denn es kam sowieso anders.
Ich weiß noch, ich bin am Strand gelaufen. Beim Laufen kann ich wunderbar abschalten oder, wenn notwendig, auch Probleme lösen. Das habe ich schon früher beim Radtraining so gemacht. Beim Losfahren war noch das Problem da, nach zwei, drei Stunden wurde es schon weniger, nach vier, fünf Stunden hatte ich die Lösung. So einfach konnte es sein.
Ja, so einfach war es damals. Aber für diesmal hatte ich keine Lösung. Die kam damit, dass ich mich hinlegte und fünf Monate lang nicht mehr aufstehen konnte.
Dazu war "Denken" nur im HIER und JETZT möglich. Ich war befreit von Zukunft und Vergangenheit. Es gab keine Termine, ich hatte kein Gehetze mehr und es gab keinen Druck mehr.
Ich konnte nicht sofort nachvollziehen, was passiert war. Ich akzeptierte das Geschehene, es blieb mir eh nichts anderes übrig. Es nicht zu akzeptieren war mit meinem Denkmuster nicht vereinbar. Ich wusste vom Anfang an, ich hatte eine Grenze überschritten, mein Körper hatte ein Machtwort gesprochen. Die kleinen Hinweise hatte ich nicht verstehen wollen.
Heute wird mir klarer, dass es diese gegeben hat. Ich brauchte kein leichtes Tatscherl mehr auf die Schulter. Ich bekam die Hammer-Lösung serviert.
Das Universum hatte das genau Richtige für mich ausgesucht. Mein blockierter Kopf hat die haargenau richtige Herausforderung bekommen. Seit einigen Monaten beginne ich langsam zu verstehen. Gleich langsam wie ich für das Gehen und Laufen lernen benötige, entwickelt sich auch das Denkvermögen.
Jeden Tag, jede Woche, jeden Monat, ja, jedes Jahr ein bisschen mehr. Ich kann nichts erzwingen, keine Schritte überspringen. Es braucht so lange wie es braucht. Ich darf mir Zeit lassen.
Ich denke über vieles anders als früher. Das Denken hat einen zentralen Stellenwert in meinem Leben bekommen. Ich trainiere es ja täglich. Meine Gedanken sind auf den Moment fokussiert. Sie sind nicht in der Vergangenheit und kaum weiter vorne in der Zukunft. Berufliche Gedanken habe ich auf die Seite gelegt. Ich komme ja doch zu keinem Ergebnis. Manchmal beschäftigt es mich, aber ich komme in diesen Gedankengängen nicht weiter. Es hat derzeit keinen Sinn, sich damit auseinanderzusetzen.
Im Moment versuche ich die Gedanken zu ordnen. Manchmal gelingt es, manchmal nicht. Das Denken ist noch immer Therapie für mich. Weiterführende Gedanken sind nur manchmal möglich. Ich habe mich damit arrangiert. Außenstehende merken fast nichts davon. Wenn ich aber alleine bin, will ich mehr. Dann versuche ich Zusammenhängendes zu überblicken oder am Computer zu trainieren.
Das Programm bringt mich an die Grenze, zeigt mir meine Limits auf. Anfangs war ich enttäuscht darüber, als ich merkte, dass nichts weiter geht. Ich hatte die Kleinheit der Schritte nicht bemerkt. Jetzt freue ich mich auch über kleine Fortschritte und kann sie meist auch erkennen.
Unter Menschen zu gehen strengt mich noch an. Noch immer treffe ich mich sehr selten mit Freunden oder begebe mich in die Stadt. Ich stoße schnell an Grenzen, die mich überfordern.
Überforderung zeigt sich, indem der Kopf abschaltet und sich weigert, noch mehr aufzunehmen. Ich überlege lange, ob was geht und was nicht. Darauf achte ich genau. Trotzdem komme ich schnell an meine Grenze.
Aus diesem Grund möchte ich versuchen, nicht mehr jeden Tag ans Limit zu gehen. Wenn das auch bedeutet, den restlichen Tag in Ruhe zu Hause zu verbringen. Keine schwierigen Gespräche zu führen, mich zu schonen und den Tag mit Ruhe zu beenden.
Auch früher hätte ich mehr darauf schauen sollen. Oft habe ich bis spät in die Nacht noch Filme geschnitten, um Termine einzuhalten. Hatte sehr oft zeitlichen Druck, etwas fertig zu stellen und bin deswegen zu lange aufgeblieben und habe gearbeitet.Mein "krasser" Weg
Schon letztes Mal habe ich die Bedeutung meines Namen angeschnitten. Krasser = Extremer. Daran möchte ich heute nochmal anknüpfen. Es war seit dem letzten Jahr ein wirklich "krasser" Weg.
Wie gesagt, Krasser bedeutet auch Extrem. Also ist mein Weg unter anderem ein Extremer. Das Hirnabszess gehört mit Sicherheit dazu. Es hat mein Leben extrem verändert. Ich habe viel erlebt bisher, aber das letzte Jahr hat alles geschlagen, stellte alle anderen extremen Abenteuer in den Schatten.
Ich habe immer Extremes unternommen, dabei kommt zwangsläufig auch die Frage auf: Wo liegt mein Limit?
Nun, mein Limit habe ich immer für mich selbst festgelegt. Egal ob es um eine Besteigung eines Berges ging, um die Länge eines Radrennens oder anderes. Ich versuchte immer ein bisschen besser zu sein, als die Herausforderung war. So war ich immer sicher, nicht an meine Grenze zu gelangen. Noch eine Reserve zu haben.
Mit der Krankheit musste ich allerdings mein Limit, meine Grenzen neu überdenken. Mein Limit ist plötzlich weit unten angesiedelt. Das zu Verstehen ist schwer.
Ich habe erst in letzter Zeit registriert, dass es seit vorigen Jahr nur wenige Tage gab, an denen ich nicht am Limit war. An meinem persönlichen Limit. Das ich oft über meine Grenze gehen musste. Von außen erkennt das niemand.
Ich habe gelernt, NEIN zu sagen, nicht immer ja zu sagen.
Einerseits recht verständlich. Eine Stunde im Wald, mit ein paar Übungen, bringt mich bereits ans Limit. Alles weitere kann ich nur mehr limitiert machen. Limitiert in Gedanken und Bewegung. Habe ich etwas vor, mache ich davor nichts oder weniger. Zumindest sollte ich. Geht aber meistens eh nicht. Irgendwie rette ich mich über den Tag.
Das Limit liegt weit unter dem, was ich früher gewohnt war. Das ist neu für mich und ungewohnt. Deswegen kann ich auch noch nicht an Arbeit denken. Was soll ich mit einer Stunde Konzentration am Tag?
Ich freue mich an dem, was derzeit ist!
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Dieser Spruch ist mir in den letzten Tagen öfter über den Weg gelaufen. Einige der bekanntesten Ultra Trail Läufe fanden in den letzten zwei Wochen statt.
Eiger Ultra Trail, Zugspitz Ultra Trail, Hardrock 100 - um die bekanntesten zu nennen. Über Facebook, Posts und viele laufende Blogger, verfolge ich zur Zeit die Welt "draußen", an der ich noch nicht teilhaben kann.
Auch ich "rocke" die Trails rund um meinen Hausberg, den Schöckl. Wobei, die Schöckl Gegend, ist ein bisserl zu weit gegriffen. Kalkleiten eigentlich auch. Es sind derzeit "nur" die Trails rund um mein Wohnhaus in Stattegg. Weiter komme ich noch nicht.
Hinter dem Haus geht´s gleich hoch in Richtung Kalkleiten und weiter zum Gipfel des Schöckel. Und mein "rocken" ist langsames Gehen, dahin stolpern und ein Ringen ums Gleichgewicht.
Falls jemanden die Schreibweise stört, ich habe sie bewusst genommen, um auf die Veranstaltung "Schöckl Classic" hinzuweisen. Der Schöckl schreibt sich ohne "e", der Schöckel Classic aber mit "e".
In meinem alten Leben habe ich von 2010 bis 2016 für die Veranstaltung das Video produziert. Jetzt ist mein Ziel, dieses Rennen als Aktiver zu absolvieren. Ich nehme mir einmal 2018 vor. Diesen Duathlon hat es in meiner Zeit als Extremsportler ja nicht gegeben.
Hier unten ein Video der 2015 Version. Der nächste Schöckel Classic findet am 24.September 2017 statt.
Der Wald um Stattegg ist also die Gegend, in der ich trainiere und mich therapiere. Konnte ich im vorigen Jahr, im November, nur wenige Meter weit den Berg hochgehen, sind es jetzt schon einige Hundert. Natürlich brauche ich noch Pausen, aber inkl. Workout brauche ich schon eine Stunde.
Das Terrain ist ideal um das Gleichgewicht zu üben. Ich baue meine Waden auf und stärke die Oberschenkel, indem ich immer höhere Steine am Weg überwinde. Dazu ist der Waldboden super geeignet, um meine Sprunggelenke zu stärken, da ich auf dem weichen Boden stabil gehen muss. Ab und zu versuche ich auch durchs Unterholz zu gehen.
Ich muss allerdings damit klar kommen, dass es langsam geht. Ein Hirnabszess ist kein Beinbruch, wo es meist Erfahrungswerte mit der Heilungsdauer gibt. Meine Dauer ist offen und das macht es manchmal schwer für mich.
Bergauf bin ich noch immer sehr langsam unterwegs. Für 6000 Meter Höhe wäre das eine gute Geschwindigkeit, aber hier!
Es sind die neurologischen Störungen, die noch kein höheres Tempo zulassen. Ich muss noch immer zuviel Denken beim Gehen, mein Geist ist schnell überfordert damit. Besonders die Koordination wird schnell zuviel.
Denn ich war rechtsseitig komplett gelähmt und darf froh sein, dass ich überhaupt im Wald gehen kann. Passe ich allerdings nicht darauf auf, den rechten Fuß weit genug zu heben, bleibe ich leicht am Boden hängen. Über Wurzeln steigen ist daher eine Standardübung für mich im Wald. Irgendwann wird es wieder automatischer funktionieren.
Ich habe den Gleichgewichtssinn verloren und muss erst wieder lernen, den Körper auszubalancieren und die richtigen Muskeln zu verwenden.
Auf den Fotos kann ich mich selbst fast nicht anschauen. Immer Breitbeinig und die Arme zum Austarieren seitlich weggestreckt. So wackle ich dahin. Zum Glück werden keine Haltungsnoten vergeben :-). Von der Eleganz und dem Gazellen haften Laufen eines Trailrunners bin ich weit entfernt. Aber jeder fängt einmal an.
Den Wald genieße ich wie nie zuvor. Trotz der Anspannung beim Gehen und der doch recht schnellen Erschöpfung, komme ich geistig nicht mehr so müde nach Hause. Das Schauen in den grünen Wald tut dem Körper und der Seele gut. Die gleiche Zeit in der Stadt verbracht, bringt mich weit schneller ans Limit. Ein ganzer Tag in einem Waldgebiet führt dazu, dass die Anzahl der Killerzellen im Blut um 50 Prozent ansteigt – und gut eine Woche so bleibt. Deshalb verbringe ich lieber Zeit im Wald, als z.B. in der Stadt.
Mein Derzeitiges Ziel ist es, hoch bis zur Kirche nach Kalkleiten zu kommen. Und natürlich auch wieder hinunter. Früher ein Weg von 20 - 25 Minuten zu Laufen. Noch ist es utopisch, aber die Vorstellungskraft wird mir dabei helfen. Geistiges Training und Heilen ist nicht zu unterschätzen. Schon in meiner Zeit als aktiver Radrennfahrer konnte ich sehen, was möglich ist. Die Kraft der Gedanken sind nicht nur im Beruf oder Sport wichtig. Auch in der Krankheit ist es wunderbar zum Einsetzen.
Leider wird in der Schulmedizin noch zu wenig darauf eingegangen und meist nur "mechanisch" repariert. An dieser Stelle ein riesiges Danke an meine Therapeutinnen Lydia und Kerstin vom LKH, die mir die ersten Schritte und überhaupt wieder Bewegen beigebracht haben und in weiterer Folge auch an Karin, die in den bisherigen zwei Reha-Aufenthalten in Judendorf mit tollen Übungen an meinem Gangbild gearbeitet hat.
Schon als Radfahrer trainierte ich lieber im Freien. Ein Ergometer kam nur im Ausnahmefall zum Einsatz. Kraftkammer oder Turnhalle waren nur im Winter für Ausgleichs- und Krafttraining notwendig. Ich fuhr auch gerne bei widrigen Bedingungen mit dem Rad im Freien.
Das Training war für mich Freiheit. Ich kann mich noch gut an meinen ersten Sieg bei den Hauptfahrern erinnern. Hobby und C-Rennen zähle ich nicht dazu. Es war das Einzelzeitfahren in Thörl. Ich kam im ersten Drittel des Starterfeldes dran und es begann, beim Start in Seewiesen, zu schneien. Es war kalt und nass. Trotzdem fühlte ich mich wohl und hatte einen guten Druck am Pedal.
Überraschenderweise hatte ich die Bestzeit im Ziel. Es hieß für mich noch lange abwarten. Erst als ein Favorit nach dem anderen hinter mir blieb, begann ich an ein gutes Ergebnis zu denken. Strecko Glivar, ein Slowene, kam als letzter an die Reihe. Zittern bis zum Ende. Als auch er im Ziel nur wenige Sekunden hinter mir lag, war es sicher. Ich war an diesem Tag der Schnellste im Rennen und mein erster Sieg bei den Hauptfahrern. Ich freute mich, spürte aber keine Euphorie, wie ich es mir immer vorstellte. Es war irgendwie eine Art Leere in mir. Ich dachte nur: "Das war es? Ok. So fühlt sich also ein Sieg an! Schön.". Mir fehlte ein gewisses Glücksgefühl.
Und an diesem Tag begriff ich, dass es um mehr geht, als nur ums Gewinnen. Radrennfahren war etwas, um fürs Leben zu lernen. Ich lernte wie man mit Gewinnen und Verlieren umgeht. Ich lernte, auch bei schlechtem Wetter, positiv zu bleiben. Das beste aus einer Situation zu machen. Auch das Leiden als etwas positives zu sehen.
Natürlich fuhr ich, wie die meisten auch, lieber bei schönem Wetter Rennen und trainieren. Aber entscheidend ist es, wie gehe ich mit allem anderen um. Viele geben schon bei ein paar Regentropfen auf oder wenn das Wetter nicht schön ist, wenn das Rennen hart ist, wenn man leidet oder wenn Widrigkeiten auf einen treffen.
Radrennfahren wurde für mich zur Lebensschule. Und es hatte erst begonnen. Meine Bewusstseins-Schulung stieg mit dem Extrem-Radfahren auf einen neuen Level an. Im Extremsport waren nur wenige Österreicher tätig und bei vielen Rennen in Amerika war ich als erster Europäer am Start. Das Reisen selbst wurde bereits zum Erlebnis. Es war schön, auf diese Art zu lernen.
Und dieses Lernen und Erleben im Sport habe ich bis heute beibehalten. Nach einem 10-jährigen Ausflug in die Filmwelt, wo ich unter anderem für Puls4 filmte, holte mich der Sport wieder ein. 2013 begann ich mit dem Trailrunning. Im Juli filmte ich noch beim Eiger Ultra Trail, der mich so motivierte, dass ich kurz darauf meinen ersten Trailrun unternahm. Und das nach mehren Jahren Sportpause.
Nur ein Jahr später nahm ich am Eiger Ultra Trail teil. Eigentlich ein Wahnsinn ob meiner Vorbereitungszeit. Ich beendete das Rennen nach 63 Kilometern. Ich finishte damit die Halbdistanz und war mit mir zufrieden. In der Folge nahm ich an keinen Wettkämpfen mehr teil, sonder lief nur mehr für mich.
Manchmal war ich zwei, drei Tage unterwegs und durchquerte einen Gebirgsstock. Mit Schlafsack und Minimal-Ausrüstung war ich auch fürs Übernachten gewappnet. Das machte mich zufrieden, denn ich setzte mich wieder mit der Natur auseinander.
Das Trailrunning gab mir eine gute körperliche Basis, das Hirnabszess besser zu überstehen. Gerade jetzt ist mir Bewegung in der Natur sehr wichtig. Meine Sensoren sind noch feinfühliger als früher und melden mir noch besser, was mir gut tut und was nicht. Und darauf höre ich.
Ich kann nur immer wieder jeden ermuntern: Geht in die Natur, schaut in den Wald, lauscht dem Gurgeln eines Baches, erfreut euch an der Natur. Es bringt den Geist zur Ruhe und ermöglicht den Ausstieg aus der Hektik der täglichen Anfordernisse. Positive Gefühle erscheinen größer und wichtiger als jene, die einen eher zermürben.
Zum Schluss möchte ich noch etwas über meinen Namen schreiben. Krasser bedeutet "extremer". Extremes war mir damit in die Wiege gelegt. Extrem heißt ja nur, seine Komfortzone zu verlassen, eben auch krasser. Alles außerhalb der Komfortzone wird oft mit dem Sprüchen bewertet: "Ist das krass!; Ein krasser Weg!; Echt krass!; Krasser gehts nicht!".
Die Sprüche kennt jeder. Auch ich kenne und kannte sie. Aber erst jetzt bringe ich sie mit meinem Namen in Zusammenhang. Früher machte ich mir kaum Gedanken darüber. Jetzt weiß ich, dass ich einen echt "krassen" Lebensweg habe.
Vier Tage Urlaub mit Silvia im Jufa Knappenberg. Mein erster Urlaub seit meinem Hirnabszess im März 2016.
Im Geburtsort von Heinrich Harrer also finden für mich diese ersten erholsamen Tage statt. Mit dem am Jufa angeschlossenen Tibet-Zentrum, wo Tibetische Medizin gelehrt wird und dem Heinrich-Harrer-Museum im nahen Hüttenberg, lässt es sich, mit viel Ruhe, gut urlauben.
2007 filmte ich hier die Grundsteinlegung des Tibetischen Zentrums, die der Dalai Lama selbst durchgeführt hat. Es konnte sicher nicht alles im damals geplanten Umfang realisiert werden, aber die Gegend ist sicher ein Mittelpunkt der Tibetischen Medizin und Kultur in Österreich geworden. Die Geschichte des Bergbaus passt hervorragend dazu und der Vergleich der Alpenländer mit Tibet zeigt, dass es nicht so anders ist.
Ich wollte einmal Ausspannen und weg vom Alltag zu Hause, aber "Therapien" lassen sich nicht ganz vermeiden. Auf 1100 Metern Seehöhe gelegen, ist Ruhe und eine langsamere Gangart in diesem ehemaligen Bergbau-Dorf zu finden. Genau das richtige für mich.
Neben Knappenberg ist Hüttenberg, mit dem Heinrich-Harrer-Museum, ein weiteres Highlight. Und in Hüttenberg fängt auch meine "Therapie" an. Aber alles der Reihe nach.
Zunächst steht ein Besuch im Heinrich-Harrer-Museum an. Seine Bücher kannte ich schon als Kind und damals war ich überzeugt, zu spät auf die Welt gekommen zu sein. Die Zeit des Entdeckens war vorbei, was ich bedauerte. Ähnliches zu erleben suchte ich dann auf Reisen durch die Sahara, in Alaska und mit dem Fahrrad in aller Welt.
Das Museum steht schon lange auf meiner Besuchsliste und endlich war es so weit. Gleich der erste Raum ist Harrer persönlich gewidmet. Die Ausrüstung bei seinen Bergbesteigungen ist beeindruckend. Allein seine Steigeisen sind wahrscheinlich gleich schwer, wie meine Mindestausrüstung beim Eiger Ultra Trail war. Was ich auch nicht wusste, er war österreichischer Meister im Golfen 1933/34. Damals lebte er in meiner Heimatstadt Graz und studierte auf der Karl Franzens-Universität ein Lehramt.
Beim Durchgang des Museums muss ich mich immer wieder hinsetzen um Pause zu machen, denn die Räume im ehemaligen Schulgebäude sind auf drei Stockwerke verteilt. Besonders mein Gehirn braucht Pausen, um alles zu verarbeiten und aufnehmen zu können. Die abgeschnittenen Yak-Schwänze bleiben besonders in Erinnerung, da sie in Amerika als Bärte für den Weihnachtsmann Verwendung fanden.
Aber auch die vielen Gebrauchsgegenstände aus natürlichen Materialien sind eindrucksvoll. Bei uns wird ja nur mehr alles aus Plastik produziert und nach Gebrauch weggeworfen. Alles in allem ein sehr interessantes Museum, das außerdem die Verbundenheit von Harrer zum Dalai Lama und dem Tibetischen Volk sehr gut zeigt.
Nach gut zwei Stunden verlassen wir das Museum und da kommt die "Therapie" ins Spiel. Gegenüber vom Museum baut sich der sogenannte "Lingkor von Hüttenberg", ein Pilgerweg, an einer Felswand auf. Pilgerpfade gibt es viele in Tibet, der bekannteste ist der Pfad rund um den Kailash oder der Lingkhor in Lhasa.
Beweggründe sind die Hoffnung auf Glück und Segen, eine bessere Wiedergeburt, die Heilung eines Leidens oder Vergebung von Sünden. Gute Gründe für einen Pilgerweg, die ja auch bei uns immer begehrter werden. Siehe den Mariazeller Weg oder der Jakobsweg. Der Hüttenberger Lingkor ist außerdem der einzige außerhalb Tibets gelegene tibetische Pilgerpfad.
Er führt auf Stiegen aus Stahl durch die Felswand, in schwindlige Höhen. An und für sich kein Problem für mich, aber jetzt nach dem Hirnabszess?
Ich entscheide mich, ihn zu wagen. Durch einen wunderschönen Eingangsbereich geht es los. Dann noch einen Helm ausgeborgt, denn ohne ihn darf man den Lingkor nicht betreten. Gleich bauen sich steile Stiegen vor mir auf. Hoch konzentriert, steige ich Stufe um Stufe höher. Gedanken ans Ausrutschen verwerfe ich sogleich, obwohl sie immer wieder da sind.
Es ist anstrengend für den Körper, so viele Stiegen zu steigen und für den Geist, das- Ausgesetzt- sein zu vertragen. Ich weiß nicht, was für mich anstrengender ist. Mir kommen die Pilger in den Sinn, die den Kailash mit Niederwerfungen umrunden. Dagegen ist mein Weg eine Lappalie, aber für mich halt auch am Limit.
Mit der Anstrengung nimmt auch der Schwindel zu. Die Hängebrücke lasse ich aus. Sie ist einer tibetanischen Hängebrücke nachempfunden. Das Schwanken der Brücke verträgt sich nicht mit meinem Schwindel. Ich habe Angst zu stürzen. Fünfjährige Kinder stürmen über die Brücke, dass alles wackelt. Ich bleibe verschämt zurück, an einen Eisenträger gestützt oder besser gesagt, geklammert. Das ist noch eine Nummer zu groß für mich.
Über die Brücke zu gehen, wage ich nicht. Ich bin schon froh, den Rundgang zu schaffen. Bald geht es wieder bergab. Vorsichtig setze ich einen Fuß vor den anderen. Bergab zu gehen ist schwieriger für mich. In die Ferne zu schauen, heißt stehen zu bleiben.
Multitasking der einfachen Art, Gehen und Schauen, ist gleichzeitig nicht möglich. Es ist Herausforderung genug, hier zu gehen. Ohne zu Stolpern, schaffe ich es bis ans Ende der Stufen. Dort setze ich mich erschöpft ins Gras. Die Anspannung lässt nur langsam nach.
Ich darf stolz auf mich sein, es geschafft zu haben und meine Grenzen wieder zu erweitern. Dieses "An- die- Grenze- gehen", habe ich immer wieder zu üben, nur so kann ich sie weiter hinauf setzen.
Ein Beispiel ist das "Iditabike" Rennen in Alaska, an dem ich dreimal teilnahm. Das heißt im Winter, mit einem Fahrrad, die Distanz von Graz nach Salzburg, auf einem Hundeschlitten-Trail zu fahren.Das war 1994 kaum vorstellbar.
Aber ich fuhr trotzdem hin und beendete dieses Rennen, einmal sogar Siegreich. Solche Erlebnisse von früher, helfen mir heute wieder in mein Leben zu finden oder mich an und über Grenzen zu wagen. Es geht vornehmlich um körperliche Grenzen, aber auch um geistige.
Und dafür ist es in Knappenberg ideal. Einmal unter anderen Bedingungen zu üben tut dem Geiste wohl. Hier gibt es viele Gelegenheiten und ich mache es gerne. Zu Hause ist es oft schon ein Muss. Hier wird es wieder spielerischer.
Gerne gehe ich einen Teil des "Weg des Dialoges". Einen Rundweg in und um Knappenberg. Hier finde ich alles, was mir gut tut. Für mich ist es ein Therapieweg.
Die Stufen durch die Bergbausiedlung stärken meine Waden, der Wiesen- und Waldweg ist uneben mit Wurzeln und beim Bergbau-Museum ist ein Spielplatz für (ältere) Kinder, den ich für mich nutze. Einfach ideal für mich.
Es ist wie früher im Trainingslager, nur mit anderen Anforderungen. Das Ziel ist das Gleiche - ich will besser werden. Da jede Bewegung für mich noch bewusst getätigt wird, verschwimmen Urlaub und Therapie sowieso miteinander.
Aber Trainingslager waren schon früher wie Urlaub für mich, also ist es heute kein großes Problem, auch im Urlaub zu trainieren. Dabei gilt (nicht nur) für mich:
"Was du aus einer Situation machst, liegt nur in deiner Einstellung!"
...und in meiner Einstellung habe ich nie aufgegeben. Ich schaue immer nach vorne und gebe zu jeder Zeit mein Bestes. Dazu war ich immer lebensbejahend.
Auch in schwierigen Phasen, als ich mich nur mit dem Rollstuhl fortbewegen konnte oder gehen lernen musste. Ich behielt meinen Optimismus bei. Natürlich gibt es auch bei mir schwierige Phasen oder Momente wo es nicht läuft, die dauern aber nie lange.
Kann ich jetzt diese vier Tage unter Urlaub einordnen oder als Therapie? Das würde ich mit teils, teils beantworten.
Positiv war auf jeden Fall die veränderte Umgebung. Ich konnte jedoch nicht abschalten, was den Rest betrifft. Die Defizite sind noch zu groß, die Konzentration zu stark für die täglichen Anforderungen. Auf der einen Seite kann ich froh sein, derart im JETZT zu leben, auf der anderen möchte ich, dass vieles wieder automatisch geht, ich nicht so viel nachdenken muss.
Die Spaziergänge waren sehr schön, aber es war auch immer gleichzeitig das Üben dabei, bei jedem Schritt. Die Museen waren interessant, aber anstrengend, und für den Lingkor Rundweg, musste ich mich sehr überwinden. Aber alles ist geschafft. Ich denke, ich habe Urlaub und Therapie bestmöglich vereinbart. In Zukunft kann es nur besser werden.