Gehen in der Natur ist Leben, dazwischen steht Üben, Therapie und Training, das zwar auch dazugehört, ich aber nicht unbedingt zum Leben dazuzählen möchte. Ich muss dazusagen, dass ich jetzt im siebenten Jahr nach dem Hirnabszess stehe.
Die Therapie an der Propriozeption ist etwas, was ich nicht an einem Tag erlernen kann und bei mir sowieso einer ständigen Veränderung unterworfen ist. Es geht darum hineinzuspüren, wie es mir aktuell geht und dann daran trainieren. Gewisse Dinge lassen sich allerdings auch nicht mehr herstellen, wie manches am Nervensystem.
Deshalb komme ich auch vom Reha-Gedanken nicht los. Von Anfang an in der Reha, in der Physiotherapie, Ergotherapie oder im therapeutischen Tanzen, hat sich der Reha/Therapie-Gedanke festgesetzt und ist nach wie vor in mir präsent. Dranbleiben ist wichtig und dafür muss ich meine Motivation fürs Training und Üben hochhalten, auch wenn ich einmal nicht möchte.
Zu Hause ist noch zu viel im Gedanken der Therapie, etwas verbessern zu wollen oder wenigstens behalten zu können. Das Leben tritt dabei in den Hintergrund. Leben und Therapie passen noch nicht zusammen, denn mein Leben ist von Therapie bestimmt.
Besonders die Corona-Pandemie mit ihren Maßnahmen hat mich sehr aufgehalten wieder ins Leben zu kommen. Daher war der Camino Frances eine willkommene Abwechslung zum täglichen Training zu Hause. Die täglich vielen Stunden Gehen in der Natur taten mir gut. Allerdings zeigte der Weg mir auch alles gnadenlos auf, was nicht passte.
Seit dem Camino arbeite ich konzentriert an allem. Durch die vielen Einschränkungen in der Pandemie habe ich mich seit zwei Jahren immer mehr zum Gehen in die Natur zurückgezogen. Vieles schon gelernte, ist jetzt wieder neu zu erfahren. Doch dieses "neue" kann auch abschrecken, es kostet mir oft zu viel Energie. Dann heißt es ruhig bleiben und weitermachen, wie ich eben schon vor drei Jahren an mir arbeitete.
Oft bleibe ich dafür lieber im Wald, der mir Ruhe gibt, um wieder Energie fürs Weitermachen zu haben.
Es sind so viele Bereiche zum Trainieren, dass ich nur langsam vorwärtskomme und die Propriozeption ist dabei eine der wichtigsten. Unterteilen kann ich sie in die Empfindungsnerven, in Nerven, welche die Muskeln steuern und Nerven, die die Organe steuern.
Jeder einzelne Bereich gehört trainiert und therapiert, um meine Wahrnehmung und die Bewegung zu verbessern. Beim Gehen merke ich es sofort, wie ich drauf bin. Höre ich auf an etwas zu trainieren oder gibt es eine zu lange Unterbrechung, bildet sich alles immer wieder schnell zurück.
Daher waren die Einschränkungen in der Pandemie wenig hilfreich, da ich nicht alles kompensieren konnte. Ich tat zwar, was ich konnte, aber in Summe war der Rückschritt zu groß.
Besonders die Hände fühlen sich pelzig an und das Gefühl ist mal besser oder schlechter. Besonders das Gefühl über die Stellung von Muskeln und Sehnen ging verloren. Durch die wenigen Informationen über die momentane Körperhaltung entsteht eine Gang-Unsicherheit. Nur durch die endlosen Wiederholungen im Gehen, besonders beim Pilgern, kann ich mittlerweile recht sicher gehen. Dranbleiben heißt aber das Zauberwort, denn es bildet sich immer recht schnell zurück und Unsicherheit ist dann die Folge.
Enge Gehsteige neben einer befahrenen Straße erfordern dann noch mehr Aufmerksamkeit als sonst. Sicherheit gibt mir dann das entlang gleiten mit einem Finger am Zaun oder einer Mauer neben mir. Damit kann ich Entfernungen besser abschätzen und bleibe stabiler.
Bei der Temperatur muss ich noch besonders aufpassen. Das Wärme- und Kälte-Empfinden hat sich zwar gebessert, ist aber noch immer gestört. Ich kann oft nicht richtig abschätzen, wie starker Sonnenschein oder Kälte schnell zu Sonnenbrand oder Erfrierungen führen kann. Die Nerven senden falsche oder gar keine Reize an das Gehirn. Die Folge können ein Schweregefühl, ein Kältegefühl, Missempfindungen oder ein verändertes Schmerzgefühl sein.
Eine Schwierigkeit ist es, das immer richtig einordnen zu können. Da hat mir das therapeutische Tanzen beim Üben der Eigenwahrnehmung sehr geholfen. Damit lerne ich immer besser, alle Empfindungen besser einordnen zu können. Diese mittlerweile immer bessere Wahrnehmung meiner selbst hilft mir über die fehlende Wahrnehmung im Außen hinweg.
An Brücken oder ausgesetzten Stellen muss ich nach wie vor aufpassen, es geht aber schon viel besser. Klettern in der Waagrechten, einen Schritt die Wand hoch, geht schon. Senkrecht die Wand hoch, funktioniert noch nicht. Schwindel haltet mich noch davon ab.
Notwendige Impulse werden nicht richtig oder gar nicht an Muskeln weitergeleitet. Das bekomme ich besonders beim Bergauf gehen zu spüren oder wo ich Kraft brauche. Außerdem spüre ich die Halbseitenlähmung wieder stärker, besonders am rechten Fuß. Besonderes Augenmerk lege ich deshalb darauf, beide Beine gleich zu belasten oder im Fitnessstudio das Richtige zu trainieren.
Ich bekomme sonst immer wieder Kreuzschmerzen durch die ungleiche Belastung, besonders beim Tragen vom Rucksack. Wenn ich nicht darauf achte, kann es zu schmerzhaften Überreaktionen kommen.
Daher ist auch sechs Jahre nach dem Hirnabszess noch Therapie notwendig, die ich aber größtenteils in Eigenregie durchführe, denn genug Übungen kenne ich von vergangenen Physiotherapien. Mein Tagesablauf ist geprägt von so vielen verschiedenen Dingen, auf die ich achten möchte und die notwendig sind. Mein Leben gleicht einem Spitzensportler, der auf so viele Sachen achten muss, um Leistung erbringen zu können.
Der Unterschied zu mir ist, ich möchte nur wieder leben oder überleben können. Deshalb bezeichne ich diese Zeit auch als "das längste Rennen, dass ich je gefahren bin".
24 Stunden am Tag sind dazu da, um besser zu werden. Mindestens 10 Stunden dauert die Nachtruhe, nur dann habe ich genug Energie für den Tag. Seit einem Monat verwende ich eine Uhr, die viele Parameter aufzeichnet. Es ist ein recht genaues Abbild meines Zustandes und zeigt mir, dass ich mit meinem Gefühl richtig liege. Ich werde demnächst einen eigenen Artikel darüber schreiben, was mir die Uhr sagt, zeigt und wie ich sie benutze.
Hier kann es zu unterschiedlichsten Folgen kommen, je nachdem, welches Organ betroffen ist. Meine Haut ist sehr trocken und außerdem sehr dünn. Das macht sich schnell in Verletzungen bemerkbar. Kleine Rempler erzeugen oft blaue Flecken.
Die Blendempfindlichkeit ist mal besser, mal schlechter und Sonnenbrille ist sowieso Pflicht bei mir, wegen der Gefahr von epileptischen Anfällen, die oft mit einem Hirnabszess einhergehen. Ich bin zwar lichtempfindlicher und habe Aura-Wahrnehmungen, aber keine der allgemein bekannten epileptischen Anfälle, wo man mit Zuckungen am Boden liegt.
Meinen schnellen Herzschlag, der nach dem Hirnabszess selbst in Ruhe über 80 betrug, konnte ich durch Ausdauertraining senken. Das dauerte aber dreieinhalb Jahre. Derzeit liegt mein Ruhepuls bei etwa 55. Als Radrennfahrer lag er bei etwa 38. Alleine das Aufstehen von einem Sessel brachte meinen Puls auf 130, der bis heute auf 100 gefallen ist.
Das viele Gehen brachte mir also in allen Bereichen etwas. Wichtig ist das kontinuierliche Gehen bei mir und da waren meine Pilgerwege in Spanien und andere Fernwanderungen das Beste dafür. Natürlich spielen noch viele andere Aspekte eine Rolle, aber Gehen ist für mich die wichtigste Basis geworden. Zu Hause fühle ich mich im Wald am wohlsten.
Kein Jahr war bisher gleich und ich bin manchmal von mir selbst überrascht, wie ich meine Motivation seit so vielen Jahren hochhalten kann. Dieses Jahr ist allerdings erstmalig kein so leichtes für mich, denn es waren erstmals Rückschritte. Besonders mental muss ich es verkraften, dass mir die Pandemie doch mehr zu schaffen machte, als ich dachte.
Auf Kinderspielplätzen werde ich oft daran erinnert, wenn ich das Himmel-Höllenspiel sehe, wo ich stehe. Im Moment ist das Leben wieder weiter fort gerückt, als es schon war. Wieder Leben zu lernen, ist mein vorrangiges Ziel geworden. Dafür arbeite ich an mir. Wieder einmal ins Kino gehen zu können oder am Abend genussvoll Essen gehen zu können, davon kann ich derzeit nur träumen.
Ich bin mir noch nicht wirklich darüber klar geworden, welcher Weg dorthin führen kann. Zunächst heißt es aber einfach weitermachen, dort, wo ich vor der Pandemie aufgehört habe.
"Man muss das Leben gut studieren, und jeden Tag von Neuem ausprobieren."
Da gilt besonders für mich.
"Zurück ins Leben" oder "Rein ins Leben"? Am Camino hatte ich dieses Jahr eine Begegnung, die mich oft zum Nachdenken brachte. Es ging um, "Rein ins Leben" und nicht "Zurück ins Leben".
Allerdings bin ich noch immer recht stark im Gedanken der Therapie verhaftet. Denn tue ich nichts oder weniger spezielles gegen meine Defizite, falle ich sofort im gesamten Bereich zurück. Therapie und Training bleiben also auch weiterhin in meinem Leben.
Es ist, wie schon so oft in den letzten Jahren, eine reine Ansichtssache. Diese Ansicht verändert allerdings viel. REIN oder ZURÜCK ist ein großen Unterschied. Was ist aber der Unterschied?
Das hier niederzuschreiben ist "Therapie", weil ich so alles leichter verarbeiten kann, trotz der Schwierigkeiten mit dem Schreiben. Nachdenken über etwas, ist ebenfalls noch schwierig und endet oft nur mit den sich im Gehirn ewig kreisenden Fragen und keiner Möglichkeit, eine Antwort darauf zu finden. Daher spüre ich zunächst einmal im Körper, wie sich Rein und Zurück anfühlt.
Nun, es fühlt sich anders an, ob ich REIN oder ZURÜCK spüre. "Rein ins Leben" hat etwas Leichtes, fühlt sich gut an und hat etwas nach vorne gerichtetes. Es fühlt sich nach mehr Leichtigkeit an.
Bei ZURÜCK habe ich dagegen immer das Gefühl, ich muss mich umdrehen und es hat etwas Verrenkendes und Mühsameres. Da zeigt es sich wieder, wie wichtig die richtige Wortwahl sein kann. Denn gedachte Worte erzeugen eine Emotion, die wiederum Gefühle erzeugen und diese Gefühle sind körperlich spürbar.
Auf lange Sicht hatten gedachte Worte auch zur Entstehung des Hirnabszess ihren Teil und aus diesem Grund ist das, "wie denke ich über mich", so wichtig. Das bekomme ich immer wieder zum Spüren. Daher ist der Zustand des "Glücklich sein" sehr entscheidend. Bin ich glücklich, habe ich keine schlechten Emotionen, die wiederum oft krankmachende Gefühle auslösen.
REIN ins Leben hat eine besondere Kraft. Kommt eine negative Stimmung in mir auf, brauche ich mir nur "Rein ins Leben" vorsagen oder denken und schon kommt eine positive Kraft und Stimmung auf.
Das war lange mein Leitspruch, der sich mittlerweile allerdings überholt hat. "Zurück" würde heute bedeuten, zurück in mein altes Leben zu wollen. Das möchte ich aber gar nicht, denn würde ich das wirklich wollen, bekäme ich Probleme. Meine Nervenschädigungen sind so stark, dass ich gar nicht ins alte Leben zurückkann. Es hatte lange seine Berechtigung, aber jetzt zählt nicht mehr "zurück", sondern "rein".
Zurück würde bedeuten, dass ich wieder das kann, was ich machte. Der Hirnabszess hatte aber die Aufgabe, dass ich meinem Leben eine Kehrtwendung geben sollte und neu anfangen. Das habe ich getan, aber natürlich kommen immer wieder Gedanken hoch, die etwas vom Alten wieder zurückmöchten.
Besonders anfangs hatte ich von der Sozialversicherung den Druck, wieder als Videojournalist zu arbeiten oder zumindest in Teilbereichen, als Cutter oder so. Das setzte mich unter Druck, wieder etwas zu können, was nicht mehr war und bis heute nicht mehr ist.
Ein solches "zurück" hat mein Gehirn nicht zugelassen. Ich brauchte selber lange, um das zu realisieren. Noch immer bin ich auf meinem neuen Weg, alles in geordnete Bahnen zubringen, es gibt aber kein "zurück" mehr. Es heißt, mit meinen Defiziten zu leben und sie in mein Leben zu integrieren. Die Folgen des Hirnabszess werden mich noch länger begleiten.
Verschiedene Zitate und Sätze sind mir dazu in die Hände gefallen, von denen ich oft nicht mehr weiß, wo sie herstammen:
"Wir alle geraten von Zeit zu Zeit mal ins Stocken.Wir alle machen gelegentlich ein paar Schritte zurück.Jeden Tag müssen wir uns aufs Neue entscheiden, uns auf unser Ziel zuzubewegen. Wirklich leben geht nur nach vorne."
Cheryl Strayed
Leben ist Rhythmus. Alles Leben ist Tanz.
Das Gefühl des Glücks lebt in der Seele.
Es war der Abend in Granon, wo ich in einer Kirche übernachtete. Am Abend saßen alle Pilger zusammen mit den Herbergsleitern und jeder konnte etwas von sich erzählen. Der zum Sprechen dran war, bekam eine Kerze in die Hand und so war im sonst dunklen Raum nur das Gesicht des Sprechenden von der flackernden Kerze beleuchtet.
Es war ein besonderer Abend, an einem besonderen Ort. Ich lauschte den Erzählungen der anderen und sagte selber auch etwas. Ich fühlte mich inmitten des Lebens. Solch ein Gefühl hatte ich vorher noch nie gehabt. Schon davor saß ich beim Ofen, in einer tollen Atmosphäre und in mir breitete sich Frieden aus.
An diesem Abend wusste ich, ich bin zurück im Leben, aber nicht im alten, sondern in meinem neuen Leben. In der Früh, am nächsten Tag, war alles voller Schnee. Trotz niedriger Temperaturen und nassem Weg war ich glücklich. Ich lächelte still in mich hinein und stapfte los. Eine wunderschöne Lichtstimmung am Morgen mit Schnee brachte mich in eine dankvolle, freudige Stimmung.
Im Nachhinein gesehen, kam dieser Tag genau zur richtige Zeit. Seit über zwei Jahren war ich nicht mehr mit so vielen Menschen zusammen gesessen und wieder einmal war es der Camino, der mir das Leben näher brachte. Es sollte zwar noch viel auf diesem Camino passieren, aber diesen Abend konnte mir keiner mehr nehmen und diese positive Stimmung nahm ich mit heim.
"Rein ins Leben!", es wartet auf mich. Mit allen Handicaps und Macken, die ich habe. Es bleibt wieder ein langsames Herantasten!
Die Folgen des Hirnabszesses bereiten mir nach wie vor Schwierigkeiten. Der Abszess saß am Thalamus, der Steuerzentrale des Körpers. Durch die Corona-Pandemie musste ich meine Rehabilitation verändern und das war nicht leicht, denn viel Training der ersten Jahre war damit umsonst, wie das Gewöhnen an die Stadt.
Seit der Pandemie ist die Natur noch mehr mein "Rehazentrum" geworden. Das Idita Sport Race in Alaska nannte der Regisseur Gernot Lercher, die größte "Sportarena" der Welt. Heute ist die Natur meine größte "Reha-Arena" der Welt.
Oft geht ein Hirnabszess mit einer gesamten Wiederherstellung aller Funktionen aus. Bei mir ist das nicht der Fall, da der Abszess am Thalamus saß.
Der Thalamus ist die Steuerzentrale des Körpers und betrifft Körper und Geist. Daher bin ich auch noch nach über fünf Jahren in Therapie und Rehabilitation.
Er ist die Sammelstelle für alle Sinneseindrücke, außer dem Geruchssinn. Bei mir kommt es zu Störungen der Oberflächen- und Tiefensensibilität, welche eine Schwere in den Extremitäten zu Folge hat. Motorische Phänomene und eine Halbseitenlähmung kommen dazu.
Die Tiefensensibilität ist für die Eigenwahrnehmung der Motorik wichtig, um seine Lage im Raum zu bestimmen und seine Haltung zu entwickeln. Nur langsam kann ich mich wieder räumlich zurechtfinden und orientieren.
Bergauf und bergab wurde es zwar auch besser, ich habe aber noch immer Schwierigkeiten damit. Solange mein Kopf aufrecht bleibt, habe ich es unter Kontrolle. Muss ich den Kopf neigen, bekomme ich Wahrnehmungsschwierigkeiten, die sich in Schwindel äußern und Unsicherheit. Darum geht es in erster Linie, wenn ich von Wahrnehmung spreche.
Das Training dafür führt mich meist in die Natur. Steile Hänge querfeldein kletternd, bringen mich schnell ans Limit.
Da ich mit allen vieren dahin steige, bin ich außerhalb der Zentriertheit, was mein Gehirn nicht verarbeiten kann. Bleibe ich stehen, muss ich zuerst die Augen schließen, um den Schwindel zu verarbeiten. Nach ein paar Minuten kann ich weiter steigen.
So arbeite ich mich höher und höher. Es ist ein langsames herantasten, wie das Gehen lernen. Körperlich ist es anstrengend, denn die Muskelschwäche lässt mich schnell außer Atem kommen.
Die ersten Jahre war es mir nur wichtig, wieder aufrecht gehen zu können. Jetzt stehen die nächsten Hürden an. Schnelle Lageveränderungen sind mir nicht möglich und daher mein nächstes Ziel. Es würde so viel mehr an Sicherheit bringen, nicht nur im Straßenverkehr.
Seit der Corona-Pandemie halte ich mich fast nur mehr in der Natur auf. Mich an die Stadt zu gewöhnen, habe ich derzeit aufgegeben. Ich genieße die Wunder der Natur und besonders die ersten Frühlingszeichen. Speziell die Bäume strahlen eine Stärke aus und passen sich oft der Natur ganz ungewöhnlich an.
Die Natur ist mir dabei sehr behilflich, meine Wahrnehmung zu verbessern. Allerdings ist es nur in kleinen Schritten möglich, denn nach einem solchen Training brauche ich mehrere Ruhetage.
Sobald es die Pandemie zulässt, möchte ich wieder Pilgern gehen, denn das ist dafür besonders geeignet, meine Wahrnehmung zu verbessern.
Wandern als Therapie, am Grazer Umland-Weg. Brain Fog, chronische Fatigue, Muskelschwäche, meine Beschwerden seit dem Hirnabszess haben viele Namen. Sie haben große Ähnlichkeit mit Long Covid und erfordern nach wie vor Therapie.
Diesmal gings am Grazer Umlandweg, von Straßengel zum Stift Rein und zurück. Der Aufenthalt in der Natur hilft mir, diesen Gehirnnebel wieder ins Gleichgewicht zu bekommen.
Bis zum März 2020 konnte ich mich verbessern, was meine Gedächtnisleistung betrifft. Seit Beginn der Corona-Pandemie trat wieder eine Verschlechterung ein.
Es ist kein richtiges Denken möglich, man vergisst ständig was und es ist kaum möglich, mehr als ein, zwei Seiten eines Buches zu lesen, die Konzentration fehlt. Stimmungsschwankungen, eine mangelnde Fokussierung, Konzentrationsschwierigkeiten mit einer Orientierungslosigkeit, fällt mir seit dem Winterbeginn an mir auf.
Was ist Brain-Fog? https://www.panikattacken-wastun.at/angststoerung-brain-fog/
Ich brauchte von 2016 bis 2019, um meine Gehirnleistung einigermaßen zu verbessern. Nach dem Camino France im Jänner/Februar 2020 war meine Gehirnleistung so gut wie noch nie, seit dem Hirnabszess. Mit Beginn der Corona-Pandemie begann es sich zu verschlechtern. Die Lockdowns und die vielen Regeln, beherrschen meine Denkvorgänge und stellen mich vor besondere Herausforderungen.
Mit dem Winterbeginn trat dieser Brainfog immer wieder auf und hat jetzt einen Höhepunkt. Mein Gehirn kreist ständig um Corona, auch wenn ich es nicht möchte. Es ist schwierig aus diesem Gedankenkarussell auszusteigen und klare Gedanken unmöglich.
Die Ursache dafür kann vielfältig sein, bei mir war es der Hirnabszess. Seit Covid ist es bekannter, denn manchmal erkranken auch Covid Betroffene daran. Es ist aber nicht nur das. Die chronische Fatigue und Muskelschwäche betrifft mich schon seit Jahren. Dazu die fehlende Propriozeption und fertig ist der Salat. Oft weiß ich gar nicht, woran ich trainieren soll oder worauf ich mein Hauptaugenmerk legen soll, weil noch immer so viel notwendig ist.
Was mir sehr hilft, ist Wandern. Das Pilgern in Spanien fehlt mir, denn das hat mir bisher am besten geholfen. Im Gehen wird das Gehirn und das Denken beruhigt. Gut sind neue Wege, wie der Grazer Umland-Weg, denn dann ist das Gehirn damit beschäftigt neues aufzunehmen und kann nicht in eine Endlosschleife fallen, wie es sonst leicht der Fall ist.
Wandern, Pilgern und Gehen ist eine Möglichkeit, dem Brain Frog zu entkommen. Am wichtigsten ist es, im täglichen Leben etwas zu ändern. Das ist seit Corona allerdings anders geworden, denn diese Änderungen sind nur begrenzt für mich möglich. Von der Politik, bis zu den Regeln, belastet zu viel meine Gedankengänge, da bleibt oft kaum etwas fürs Gesund werden über.
Eine weitere wichtige Therapie ist das therapeutische Tanzen, die auch mit Bewegung zu tun hat. Ich schließe es meist danach mit einer Wanderung von Frohnleiten nach Judendorf ab, wo ich das neu Gelernte verfestige. Das Gehen und Bewegen bleibt meine beste Therapie.
Nach einer schlechten Nacht, wegen dem Brain Frog, beschloss ich über den Grazer Umland-Weg nach Rein zu gehen und wieder zurück nach Judendorf. Bei sonnigem Wetter startete ich bei der Kirche in Straßengel. Auf Wald- und Wiesenwegen, legte ich die ersten Kilometer zurück. Seit meinem Sturz am Eis zu Weihnachten, steht das Training an der Koordination an erster Stelle. Diesmal wollte ich aber im Kopf leer werden und dem Gedanken Karussell entkommen.
Nach einem Asphaltstück ging es einen traumhaften Waldweg entlang. Der Wald hat mir schon immer sehr gut geholfen und ich kann mich gar nicht satt daran sehen, an den Bäumen und den Farben. Bergauf, bergab führt mich der Weg in die Schirning, oftmals noch die Kirche Straßengel im Blickfeld. "Waldbaden" ist ja öfter Teil meines Therapie-Planes.
Von der Schirning geht es entlang des Aichkogels vorbei. Meist im Wald, ist es sehr beruhigend für die Augen, den Geist und das Gehirn. Jegliche belastenden Gedanken verschwinden und man steht im Leben, welches die Grundbedürfnisse befriedigt, an erster Stelle dem Atem.
Durch die Muskelschwäche kommt dem Atem eine besondere Bedeutung zu. Es dauerte dreieinhalb Jahre, bis ich den Ruhepuls von 80 nach dem Krankenhaus, auf 55 bis 60 herunterbrachte. Als Radrennfahrer hatte ich 35 und vor dem Hirnabszess noch 45. So stapfe ich aufwärts, auf den Atem konzentriert und ohne Gedankenspiele im Kopf.
Nach 15 Kilometern erreiche ich das Stift und mache gegenüber auf einem Hügel, mit Blick hinunter und über die Gegend, Rast auf einer Bank. Es ist so anders, wenn ich unterwegs bin. Alles fällt von mir ab und ich brauche mich nur um mich selbst spüren und kümmern. Gerade dieses selbst spüren, was ich in mir fühle, ist wichtig.
Die Gegend um Stift Rein gefällt mir und der Grazer Umland-Weg führt durch Wälder, die im Sommer besonders grün sind. Einer der wenigen Vorteile in dieser Corona-Zeit, ist das Kennenlernen meiner Umgebung und das Anfinden von immer noch neuen Wegen, die ich noch nicht kenne.
Von Rein weg, geht es noch auf den Kalvarienberg mit seinem Kreuzweg. Moderne Kreuze säumen den Weg, der an einer Kapelle endet, hoch über dem Gratkorner Becken. Eine tolle Aussicht zum Abschluss. Vorsichtig geht es steil hinunter nach Gratwein. Jeden Tritt muss ich aufpassen und genau überlegen, wo ich den Fuß hinsetzen.
Ich entschließe mich für den direkten Weg von Gratwein zurück nach Judendorf. Den Waldweg hebe ich mir fürs nächste Mal auf. Bald lacht mir die Kirche von Straßengel entgegen und ich schließe die Runde nach über 20 km ab.
Es war diesmal fast ein Pilgerweg für mich. Mehr nach Innen gekehrt, als nach Außen. Ja, Gehen gibt mir Sinn und bringt mich wieder ins Gleichgewicht. Seit meinem Walkabout war ich nicht mehr über mehrere Tage unterwegs, dabei hilft es mir wie kaum was anderes, in meiner Rehabilitation. Das Gehen bringt mich zurück ins Leben.
Aus diesem Grund möchte ich heuer noch Pilgern gehen oder, je nach Pandemie Lage, einen langen Weg in Österreich. Ich habe viel erreicht dadurch in den letzten Jahren in meiner Rehabilitation, wenn es durch Corona auch verzögert wurde.
Mal schauen, wo mich die Pandemie noch hinlässt?
Die letzten Wochen waren ungewohnt anders, als die Monate davor. Ein Sturz am Glatteis zu Weihnachten, hatte neben Prellungen meinen gesamten Körper erschüttert und mein Gehirn durcheinandergebracht. Nach einem ziemlichen Auf und Ab der letzten Wochen, stand dringend ein Auslüften meines Gehirns in der Natur an.
Ähnlich erging es mir vor meinem ersten Jakobsweg 2018. Mein Ziel war damals, im Gehirn wieder leer zu werden. Damals kreisten viele Fragen in mir herum, waren aber nicht weiter oder fertig zu denken. Seit der Corona-Pandemie geht es mir ähnlich. Die vielen Regeln und Bestimmungen fordern mein Gehirn mehr, als mir lieb ist. Dabei brauche ich nach wie vor alle Ressourcen fürs Gesund werden.
Nach vielen Ruhe- und Erholungstagen musste ich in die Natur, denn nur dort findet mein Gehirn die Ruhe, die es braucht. Waldbaden und Bewegung im Wald sollte mich wieder in die Spur bringen. Ich war zwar in den letzten Wochen öfter im Wald unterwegs, aber jeder Schritt musste angedacht werden und langsame Bewegungen waren notwendig. Ich fühlte mich in diesen Tagen zurückversetzt an den Anfang meiner Rehabilitation, vor fünf Jahren.
In Gratkorn ging es in den Wald. Gehen, Bewegung mit einem Tuch und ein wenig Bouldern nahm ich mir vor. Klettern trainiert Kraft, Beweglichkeit, Koordination und die Wahrnehmung. Besonders das Abschätzen wie weit der Griff weg ist und die Koordination dazu, bringt mir viel.
Wobei Klettern und Bouldern eigentlich übertrieben ist. Einfach in den Fels einen Fuß hoch einsteigen und dann hin und her, mehr ist nicht notwendig. Kaum ist die Hand am Fels, geht es nur mehr ums Greifen und die Wahrnehmung, das Gehirn beginnt abzuschalten und sich zu fokussieren.
Durch die Muskelschwäche bleibt mir allerdings nur kurze Zeit zum Üben. Gegen meine ersten Versuche vor 3 Jahren, habe ich allerdings eine Steigerung. Der echte Fels bringt, im Gegensatz zur Kletterhalle, meine Finger viel schneller ans Limit.
Bei der Therapie im therapeutischen Tanzen konnte ich wieder mehr Leichtigkeit in den Körper bekommen, der sich in den letzten Tagen und Wochen, seit dem Sturz, schwer anfühlte. Besonders die Oberschenkel und Arme sind davon betroffen.
Übungen mit Tüchern aus Seide sind besonders erfolgreich, um wieder mehr Leichtigkeit zu spüren. Mit so einem Tuch übe ich zu Hause und im Freien, so wie hier im Wald. Es sind oft die kleinen und spielerischen Dinge, die große Wirksamkeit haben.
Den Tag in der Natur konnte ich genießen und endlich einmal abschalten. Schon in den letzten Wochen habe ich begonnen, in der Natur wieder ins Gleichgewicht zu kommen. Das ist oft nicht einfach, denn die Handicaps begleiten mich jederzeit und erinnern mich jede Sekunde daran.
Da kommen solche Tage recht, um mich anderen Dingen widmen zu können. Im Wald entdeckte ich einen besonderen Baum, der wie aus einem Felsen gewachsen schien. Eine faszinierende Erscheinung, wie er um den Felsen herum wuchs.
Seit Corona hat sich viel verändert und besonders das Leben lernen unmöglich gemacht. Das trifft mich am meisten. Nur wenige Ausnahmen, wie der Walkabout, haben mich das Leben wieder spüren lassen. Die meiste andere Zeit ist mein Gehirn mit den Regeln und Bestimmungen für Corona beschäftigt, damit kommt es kaum klar.
Seit Corona befinde ich mich fast nur in Therapie und Rehabilitation und besonders mein Gehirn leidet darunter. Darum war dieser Tag in der Natur so besonders, wie schon lange nicht mehr.
Schon als Energetiker vor über 20 Jahren, war es mein Ziel, Körper und Geist ins Gleichgewicht zu bringen. Denken und Fühlen, sind mit den Organen und deren Funktion nicht voneinander zu trennen. Durch den Hirnabszess bzw. schon vorher, war dieses Gleichgewicht durcheinander gebracht und verursachte den Abszess.
Seit bald sechs Jahren ist mein ganzes Tun darauf ausgerichtet, wieder ins Gleichgewicht zu kommen. Bis Anfang 2020 therapierte und trainierte ich die verschiedensten Bereiche, zu denen auch wieder soziale Kontakte gehörten. Der Camino Norte 2019 und der Winter-Camino im Februar 2020 war eine tolle Steigerung, aber mit dem Beginn von Corona im März 2020 begann eine neue und andere Phase.
Körper und Geist gehören zusammen. Daher ist es sinnlos, den Focus nur auf eines zu legen. Meine Rehabilitation hat ganzheitlich zu erfolgen, denn nur das bringt meinen Körper und Geist zusammen. Manches fällt wegen Corona flach oder ist mir wegen der veränderten Strukturen nicht möglich.
Um nach einer schweren Krankheit wieder ins Gleichgewicht zu finden, sind mehrere Punkte notwendig:
Ich versuche einfach gesund zu leben, als Basis. Gesundes Essen, so gut es geht. Ich bin limitiert beim Kochen, denn aufwendiges Kochen funktioniert für mich nicht, da stoße ich zu schnell an Grenzen des Gehirns. Trotzdem bringe ich es ganz gut hin. Bewegung ist unerlässlich, um gesund zu bleiben. Bewege ich mich weniger, fühle ich mich schnell nicht wohl. Der Schlaf ist die Zeit wo ich mich erhole. 10 Stunden in der Nacht sind mein Minimum. Trotzdem ist nicht entscheidend wie lange ich schlafe, sondern wie munter und erholt stehe ich danach auf. Zum Schlaf in der Nacht, brauche ich noch viele Ruhephasen über den Tag.
Die Psyche gehört zum Gleichgewicht, darum ist darauf Augenmerk zu legen. Aktive Beteiligung ist dabei notwendig, denn nur so kann Veränderung erreicht werden. Trauma-Aufarbeitung, Psychologe oder Selbsthilfegruppen, sind alles Möglichkeiten, die man in Anspruch nehmen sollte. Bei mir gehört auch das therapeutische Tanzen zur psychologischen Hilfe, da es nicht nur Bewegung ist, sondern auch eine entsprechende Geisteshaltung gefördert wird, die der Bewegung dient. Ziel ist es, aufbauende Gedanken und Gefühle zu haben und keine Zeit in negativer Stimmung zu verbringen. Louise Hay sagt:
"Jede Zelle in unserem Körper reagiert auf jeden einzelnen Gedanken, den wir denken."
Louise Hay
Sie verhilft zum Focus auf sich selbst und steigert das seelische Wohlbefinden. Es hilft sehr, sich fokussieren zu können.
Informieren gehört für mich dazu, Eigenverantwortung zu übernehmen. Alles in Bezug auf die Erkrankung, wie mögliche Hilfen, Therapien oder andere alternativer Maßnahmen, die Hilfe versprechen. Vieles was ich mache, habe ich selbst herausfinden müssen, denn über die Ärzte erfährt man kaum was, außer das Übliche. Dabei können alternative Ansätze oft so hilfreich. Das therapeutische Tanzen hätte mir gerade am Anfang so viel gebracht, aber diese Information bekam ich nie.
Das ist einer der schwersten Punkte für mich, da ich erst seit 2019 damit begonnen habe, das soziale Leben zu beginnen. Ich habe es erst zu lernen. Corona hat das allerdings größtenteils zum Erliegen gebracht.
Etwas Schweres auf uns eintreffend, kann es uns aus der Bahn werfen. Neben dem Körperlichen war es unbedingt notwendig, auch ein neues seelisches Gleichgewicht zu finden. Bewältigungsstrategien zu entwickeln, gehörte besonders am Anfang zu meiner Rehabilitation. Immer wieder etwas finden, was mein Problem lösen kann. Diese Herausforderungen nehme ich bis heute immer wieder an.
Mit Verleugnung und Verdrängung muss ich aufpassen und genau abschätzen, wann ist es sinnvoll und wann nicht. Die Handlungsfähigkeit zu erhalten, kann aber oft besser sein und Verdrängung hilft dann.
Immer wieder zwischen hilfreichen und nicht hilfreichen Strategien unterscheiden zu können, um mich an neue Lebensumstände anzupassen, ist wichtig. Es würde mir nichts helfen, die Handicaps zu verdrängen, genauso schlecht wäre es, Themen zu vermeiden, Selbstbeschuldigung, Selbstmitleid oder sich falschen Illusionen hingeben.
Zum Glück habe ich mich nie in der Opferrolle befunden, dadurch war es mir möglich, aktiv an mir zu arbeiten und niemals aufzugeben, auch wenn die Vorzeichen schlecht standen. So hat jeder seinen eigenen Weg zu finden und ich habe meinen gefunden.
Ich habe noch immer eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), wo ich oft nur mit Verdrängung durchkomme. Langsames Aufarbeiten ist wichtig und sehr gut hat mir dabei das Pilgern geholfen.
Psychologische Hilfe und Pilgern ist im Moment aufgrund der Corona Situation nicht so einfach für mich, aber ich befinde mich trotzdem auf einem guten Weg.
Das viele Gehen, Pilgern oder am Walkabout, hat mir bisher am meisten gebracht. Ich habe mich für eine Rehabilitation, abseits einer herkömmlichen medizinischen, entschieden und das Heft selbst in die Hand genommen.
Die Schulmedizin hat Berechtigung in der Akutmedizin und damit sehr gute Erfolge, ist aber weniger in der Nachversorgung für mich gut. Für die Gesundwerdung und -erhaltung hat das österreichische Krankheitssystem nur beschränkt Sachen zu bieten.
Wer geht heutzutage zu seinem Hausarzt und fragt ihn: "Ich fühle mich gesund, was kann ich machen, dass es so bleibt?"
Wer hat das schon einmal gemacht? In Österreich geht man in der Regel nur zum Arzt, wenn man krank ist!
Wieder nur durch Eigenregie kommt man da weiter, denn von der Politik oder Ärzteschaft kommt kaum was. Seit einem Jahr hört man nur übers Impfen, aber nichts vom gesunden Leben und wie das erhalten. Die seit bald zwei Jahren geschürten Ängste und die daraus folgende Probleme werden uns noch viel zu schaffen machen.
Gesundheit ist nicht vorgesehen in unserem Krankheitssystem. Gerade viele alternativen Sachen sind nur in Eigenregie möglich und werden von der Krankenkasse nicht bezahlt oder unterstützt. Das therapeutische Tanzen ist ein Beispiel, was so viel bringen kann. Es geht darum, ins Gleichgewicht zu kommen. Das "Tanzen" bringt mir dieses innere und äußere Gleichgewicht gleichermaßen, dessen Ausdruck in der Bewegung sichtbar wird.
Einerseits der Schwindel, der mich immer wieder taumeln lässt, andererseits das innere Gleichgewicht, das Aspekte wie Gefühle, Emotionen und Kommunikation beinhaltet. Ein Gefühl für sich selbst finden, darin hilft mir das therapeutischen Tanzen.
Beim Gehen werden ebenso alle diese Aspekte geübt und trainiert. Es sind so viele Dinge zu beachten, dass es eben nur Step by Step vorwärtsgeht und man eine gehörige Portion Geduld aufbringen muss. Ich arbeite noch immer an kleinsten Fortschritten und das im sechsten Jahr.
Gut ist es, immer wieder seine Grundannahmen zu hinterfragen. Sind sie mir noch dienlich oder hilft es mir wirklich noch weiter? Das kann neue Möglichkeiten in sich birgen.
Es sind viele Möglichkeiten, die einem wieder mehr ins Gleichgewicht bringen können und da ist es gut, den eigenen Weg zu finden. Jetzt, in dieser Corona Pandemie, ist das besonders wichtig. Sich selbst wiederzufinden wäre heutzutage nicht nur für mich wichtig.
Das, was ich mache, wäre im Grunde genommen, in abgewandelter Form, für viele wichtig. Nur so kann ein gesundes Augenmaß dafür entwickelt werden, was zu mehr innerer und äußerer Gesundheit verhilft.
Zu diesem Gleichgewicht gehört auch die Harmonie, die nie vergessen werden darf. Mehr darüber ein andermal. Gleichgewicht und Harmonie finde ich zum größten Teil in der Natur.
"Wer in seinem Inneren geordnet und wohl bestellt ist, der kümmert sich nicht um das sonderbare und verkehrte Treiben der Menschen. Nur soweit wird der Mensch gehindert und zerstreut, als er von den Dingen in sich aufnimmt."
Thomas von Kempen
Dieses Mal gebe ich einen Rückblick darüber, was im Jahr 2021 mein monatliches Highlight war. Ein Bild steht für jedes Monat und dazu ein bisschen Text.
Dieses Jahr wird eingehen in ein sehr wechselseitiges Jahr, mit Höhen und Tiefen, wobei mir Tiefen den Ansporn geben, meine Motivation hochzuhalten.
Für den Jänner 2021 nehme ich das Langlaufen, welches mir wichtige Verbesserungen in Sachen Stabilität und Sicherheit brachte.
Mein Gleichgewicht wird immer besser, zumindest wenn ich in Bewegung bleibe. Es geht mal mehr, mal weniger gut. Ständiges Training dafür bleibt notwendig, denn wenn ich nicht übe, geht ist rückwärts.
Langlaufen ist eine gute Möglichkeit, in jeder Situation mein Gleichgewicht halten zu lernen. Außerdem ist es ein gutes Training für meinen Oberkörper und die Arme. Seit Corona bin ich in keinem Fitnessstudio mehr und versuche das Trainieren mit Gewichten zu kompensieren.
Für den Februar habe ich lange überlegt? Neben Langlaufen, Radfahren und viel Gehen, war das therapeutische Tanzen sehr entscheidend für dieses Jahr.
Alles, was ich möchte, ist eine Verbesserung der Wahrnehmung. Das therapeutische Tanzen gibt mir dazu ein immer besseres Spüren, von dem, was ich gerade fühle. Dieses erspüren konnte ich in all meinen anderen Aktivitäten anwenden und damit vorwärtskommen.
Mein Dank gilt meiner Therapeutin Hanna, die mich seit zwei Jahren therapeutisch begleitet und einen wichtigen Teil in meiner Rehabilitation spielt.
Der März war für mich optimal. Im Tal kein Schnee, zum Langlaufen in den Bergen aber dafür genug. Schönes Wetter begünstigte das Wandern in den umliegenden Hügeln meines zu Hause und unterstützen das Gehen lernen.
Bei gemeinsamen Touren mit meinem Freund H., der Schmerzpatient ist, konnte ich das automatische Gehen schulen. Besonders auf Single Trails bergauf, konnte ich mich verbessern, indem wir redeten.
Der April stand neben der Therapie auch unter der Vorbereitung auf den Walkabout und dem Aussuchen der Ausrüstung.
Da ich zum Unterschied beim Pilgern in Spanien diesmal mit Zelt und Unterlegmatte unterwegs war, hatte ich besonderen Augenmerk auf das Gewicht zu legen.
Für mehr als 5 Kilogramm Basisgewicht + Wasser und Essen, ist meine Skelettmuskulatur noch nicht ausgelegt. Durch meine gewonnenen Erfahrungen beim Pilgern und Anleihen aus dem Ultraleichtwandern, konnte ich es ganz gut hinbringen. Weitere Verbesserungen sind eine Kostenfrage.
Ansonsten stand der April weiterhin unter Therapie, Trainieren und Verbessern, in allen Belangen.
Im Mai begann mein Walkabout, mit dem ich einen Abschluss nach fünf Jahren Therapie finden wollte. Ziel war es, die vier Kardinalpunkte, bzw. den östlichsten, nördlichsten, westlichsten und südlichsten Ort von Österreich zu erreichen.
Im Mai erwischte ich sehr viel Regen und die Zeit von Judendorf, zum östlichsten Punkt im Burgenland und weiter durch Niederösterreich, wurde zum Aufarbeiten der Zeit im Krankenhaus und die Jahre danach.
Den ganzen Juni verbrachte ich am Walkabout. Nach dem Aufarbeiten im Mai war jetzt Glücklichsein angesagt. Ich hatte seit dem Hirnabszess noch nie eine so unbeschwerte und glückliche Zeit verbracht, wie in diesen Tagen, rund um Österreich.
Ein Walkabout hat den Sinn, sich seiner Identität bewusst zu werden und das ist mir, zum größtem Teil, auch gelungen. Dieser Weg durch meine Heimat bedeutete mir viel, denn wegen Corona wollte ich in Österreich bleiben.
Im Juli erreichte ich nach 2.100 km wieder Judendorf und beendete meinen Walkabout nach 59 Tagen. und erreichte alle vier Kardinalpunkte Österreichs.
Weitwandern und Gehen gibt mir Sinn im Leben und werde ich weiterhin ausüben. Wieder zurück, brauchte ich lange, um mich daheim einzufinden.
Wieder Leben zu lernen hat sich mit Corona verändert. Statt in die Stadt und ins Kino zu gehen, muss ich mich neu orientieren. Ich bevorzuge seitdem die Natur und die Ruhe. Mit der Hochsensibilität geht es mir damit zwar besser, aber kaum komme ich in den Straßenverkehr, merke ich, wie meine Wahrnehmung abbaute.
Die Anforderungen durch Corona im Lebensalltag, egal ob Einkaufen oder mit der Bahn fahren, kostet mir enorm viel Energie und verringerte meine Konzentrationsfähigkeit.
Den Herbst verbrachte ich öfters im Gesäuse. Das schöne Wetter nutzte ich des Öfteren für Ausflüge, um zu leben und nicht immer im Gedanken der Therapie unterwegs zu sein. Die Ausflüge waren dazu willkommen und brachten eine Abwechslung.
Im Oktober trainierte ich Radfahren, für eine bessere, bzw. schnellere Wahrnehmung. Nach dem Walkabout musste ich mit dem Rad fast bei neu anfangen. Das zeigte mir wieder, wie schnell ich wieder gelerntes verlieren kann.
Dranbleiben ist das Gebot der Stunde und das im richtigen Maße. Im rechten Moment "Innehalten" ist genauso wichtig. Der Walkabout brachte mir viel, aber die Corona-Zeit veränderte meine Rehabilitation und macht Therapie weiterhin nötig. Das neue Leben schaut anders aus, wie es vor Corona war. Das wird mir immer bewusster.
Der November wurde schwieriger mit meiner Rehabilitation. Das Wetter, der erste Schnee, es wurde kälter, das alles zerrte an mir. Alles Bedingungen, die mir das Leben schwer machen. Meine im Sommer gewonnene Leichtigkeit verschwand langsam und wich wieder mehr der Schwere.
Übungen vom therapeutischen Tanzen verwendete ich wieder vermehrt, um mehr Leichtigkeit zu erfahren, was aber gar nicht so leicht ist, machten doch die Kälte und der Schnee meine Bewegungen schwerfälliger. Der Herbst/Winter ist eine Zeit, die es zu Übertauchen gilt.
Ein auf und ab im Dezember. Der Lockdown ließ mich wieder auf die Therapie fokussieren, Therapie in Eigenregie allerdings. Wandern zu Vollmond soll meine Wahrnehmung verbessern und die restliche Zeit verbrachte ich im Balance-Park oder ich machte Übungen zu Hause.
Bei einer Wanderung stürzte ich am Glatteis, was mir zunächst eine Prellung am Handgelenk einbrachte. Die Erschütterung war aber so hart, dass mein gesamter Körper geprellt zu sein schien. Es war meine erste stärkere Verletzung seit dem Hirnabszess, vor über fünf Jahren. Ich habe seither viel erlebt, muss aber nach wie vor sehr vorsichtig bei meinen Bewegungen sein.
Der Walkabout hat sicher alles andere überstrahlt und er hat mich wieder einen Schritt weiter gebracht. Ich darf mich aber nicht darauf ausruhen, denn Rückschläge werfen mich noch immer zu weit zurück.
Das Jahr 2021 ist mit der Corona-Pandemie allerdings ein Jahr, welches wieder einmal, wie das Vorjahr, meine Rehabilitation sehr verlangsamte.
...aber wie lautet mein Motto:
"Never give up!"
Zum Abschluss wünsche ich jedem ein gesundes, gutes neues Jahr und das sich jedem seine Träume erfüllen mögen und schließe mit einem Zizat von Antoine de Saint-Exupéry:
"Die Zukunft soll man
nicht voraussehen wollen,
sondern möglich machen."
Das Glück des Gehen können, ist gerade in dieser Corona-Zeit von unglaublichem Wert für mich. Denn die Glücks- und Freudengefühle finde ich hier, wie kaum sonst wo. Früher führten mich meine Wege durch die ganze Welt, seit dem Hirnabszess und im Speziellen seit Corona, habe ich die heimische Gegend zu schätzen gelernt. Einer meiner Lieblinge ist der Gratkorner Rundweg.
Im nördlichen Bergland von Graz, speziell im Westen der Mur, kenne ich mittlerweile die meisten Wanderwege und fast jeden Gipfel. Die Natur hat einen besonderen Stellenwert bekommen, denn sie ist meine Therapie Nummer eins geworden.
Es ist mein liebster Weg, den ich auch dann gehe, wenn ich nichts verbessern oder trainieren möchte. Dieser Weg führt von der Industrie in die Natur. Ein Gegensatz, der größer nicht sein könnte.
Man befindet sich bald in den Wäldern hinter Gratkorn. Wanderwege wechseln mit nicht allzu langen Asphaltstrecken ab. Mittlerweile kenne ich den Weg zu allen Jahreszeiten und bei jedem Wetter.
Durch das Pilgern und Wandern konnte ich wieder zurück ins Leben finden. Ich konnte damit meinem Leben einen Wandel geben, der ohne das Gehen so nie möglich gewesen wäre.
In diesen Wäldern übe ich die Praktiken, wieder gehen zu können. Ich brauchte lange, bis ich mich überhaupt so weit wagen konnte. Diese Wege geben mir so viel, auf ihnen lerne ich Lebensweisheiten, die es mir ermöglichten, wieder zu gehen.
In der Natur verarbeite ich die Krankheit, dieses einschneidende Erlebnis in meinem Leben. Mein Gehirn funktioniert nicht mehr wie früher, es ist mir seit dem Krankenhaus vor bald sechs Jahren geblieben, dass ich nur auf das Jetzt reagieren kann. Daher stresst mich vieles, besonders die Stadt, denn dort ist es hektisch und dem kann mein Gehirn nur schwer folgen. Dort funktioniere ich nicht.
Im Wald und der Natur komme ich zur Ruhe, beobachte Lebensgesetze, die mir helfen und mich unterstützen. Corona überfordert mein Denkvermögen, daher gehe ich kaum mehr in die Stadt, sondern ziehe die Natur vor.
Der Winter war früher meine liebste Jahreszeit. Heute mag ich ihn noch immer, wenn es auch bedeutet, zu üben und trainieren. Ich leide unter der Kälte, die mein Nervensystem und die Gelenke angreift. Dabei muss ich aufpassen, aufgrund meines Nicht-Funktionierens, nicht zu glauben, dass es schlechter geworden ist.
Gerade im Schnee gehen kostet besonders viele Ressourcen. Die Zeit und Länge ist im Winter verkürzt, ich gelange weit schneller ans Limit. Auf Schnee zu gehen, ist vergleichbar mit einem Feld übersät mit kleinen Murmeln.
Meine Propriozeption ist dabei besonders gefordert. Daher ist jeder Tritt ein besonderes Training und hilft mir im Sommer, besser zu gehen.
Der Gratkorner Rundweg ist von mir zu Hause weg, rund 16 Kilometer lang und zählt zum Grazer Bergland. Er bietet abwechslungsreiche Wegstrecken und am höchsten Punkt mit dem Höchwirt auch eine Einkehrmöglichkeit.
Mein erster großer Weg nach dem Hirnabszess war der Camino France in Spanien. Auf ihm und allen weiteren lernte ich mich besser selbst zu verstehen und wie ich die Welt sehe. Genau das richtige für meine Situation, nach dem Hirnabszess.
"Du bist, was du denkst!"
Buddha
Mein Denken muss erst gefüllt werden. Am besten gelingt mir es, wenn ich gehe. Zu Hause oder auf langen Fernwanderwegen. Da ich bin, was ich denke, versuche ich mein Denken gleich mit guten Sachen zu füllen, die mich weiterbringen.
So geht es Schritt für Schritt vorwärts, obwohl es im Winter einem Rückschritt gleichen mag.
So lerne ich viel am Gratkorner Rundweg und auf anderen Wegen. Der Weg bewegt mich und meinen Geist und das gibt mir Freude und motiviert mich, weiter an mir zu arbeiten und vorwärtszukommen.
Hier geht's zu meinem ersten Camino Frances, wo es um das Nicht-Denken geht
Verstehen kann man das Leben rückwärts; leben muss man es aber vorwärts.
Søren Kierkegaard
dänischer Schriftsteller, Theologe und Philosoph (1813 - 1855)
Es gibt zwei Arten des Gehen, die ich anwende. Nach mittlerweile über fünf Jahren und trotz der vielen Weitwanderwege, habe ich noch immer Gehen zu lernen.
Eine Strategie ist es (neben einigen anderen), durch möglichst viele Wiederholungen, die Bewegung im Gehirn zu verankern. Das können nicht viele nachvollziehen, aber 30.000 km seit dem Hirnabszess haben mir viel gebracht.
Das Gehen zu automatisieren, ist mir nach wie vor ein großes Anliegen und notwendig, um eine Entlastung des Gehirns zu erreichen. Ich muss mich sonst zu viel auf den Bewegungsablauf konzentrieren, was viel Energie kostet und nichts anderes zulässt.
Mich während des Gehens zu unterhalten oder Musik zu hören ist eine gute Taktik dafür. Je nach Wegunterlage geht das besser oder schlechter.
Das andere Gehen ist einfach um des Gehens willen, so wie die meistens das tun. Von A nach B gelangen, zum Einkaufen oder zur Post gehen oder aus Freude am Gehen - für die meisten normal, doch nicht für mich. Denn selbst nach drei Caminos und dem Walkabout, nicht an meinem Gangbild oder an der Gang-Koordination zu arbeiten, ist nur schwer möglich, denn die Defizite sind immer präsent.
Dieses "Nichts wollen" und trotzdem etwas tun, kann ein schmaler Grat sein, auf dem ich nur zu leicht ins "Verbessern wollen" kippe. Das "Leben lernen" ist in dieser Corona-Krisenzeit noch schwerer geworden und in vielen Bereichen sogar unmöglich.
Die Fußsohle besitzt 250.000 Nervenenden. Nerven, die bei mir nicht mehr richtig funktionieren. Darin sind Bewegungssensoren enthalten, die einem die Stellung des Gelenkes anzeigen und andere, die einem Kälte und Hitze spüren lassen. Sie ermöglichen uns, im Wald über Wurzeln, steil bergauf oder bergab zu gehen und auch schräg, ohne viel darüber nachzudenken.
Die Sicht ist ein weiterer Faktor, der großen Einfluss hat. Bei Finsternis hat man oft zögerliche und ängstliche Bewegungen, beim Vorsichtigen hinunter tasten mit den Füßen, von Stufe zu Stufe. Dieses Gehen ist am ehesten mit meinem vergleichbar. Da merkt jeder die fehlende Propriozeption. Mir fehlt sie noch immer, aber 30.000 km zu Fuß, haben mir mittlerweile viel Übung gebracht.
Bei mir ist das auch am hellen Tage und nur durch die bisher vielen tausenden zu Fuß zurückgelegten Kilometer, erarbeite ich mir das Gehen ansatzweise zurück. Ansatzweise deshalb, weil mir eben noch immer die Automatik fehlt, die in Kombination mit der Halbseitenlähmung das Gehen nach wie vor schwer macht.
Ich habe vielleicht keine Verbesserung im Sinne, dass es besser oder repariert wird, aber ich kann immer besser damit umgehen und habe Dinge erreicht, die nicht als selbstverständlich anzusehen sind. Dranbleiben ist wichtig, denn die Wahrnehmung geht sonst schnell wieder verloren.
Ich werde nie den Tag vergessen, als ich bei einer Kontrolle im LKH Graz, fast ein Jahr nach dem Krankenhaus von einem Arzt gesagt bekam, ich solle mich nicht so anstrengen, im Gegenteil, ich solle es endlich akzeptieren, dass meine Defizite und Zustand so bleiben wird und es wird sich nichts mehr verbessern.
Damals konnte ich mit vielen Pausen ein paar hundert Meter gehen, danach war ich erschöpft für den Rest des Tages. Ich zuckte nur mit den Schultern und sagte:
"Wenn SIE das glauben, wird es für SIE schon stimmen. ICH glaube an etwas anderes und werde weiter üben und trainieren."
Ein Jahr später ging ich Pilgern und erreichte nach insgesamt zwei Monaten Santiago de Compostela, nach 800 Kilometern Fußweg. Ich stolperte zwar mehr, als ich ging, aber ich legte den Grundstein dazu, meine Halbseitenlähmung und die Propriozeption zu verbessern.
Es war ein Auftakt zu mehreren Pilgerfahrten, die für mich Therapie im Alltag war. Ein "Reha-Alltag", der mich wieder näher ans Leben brachte und der mir bisher mehr als jeder mehrwöchige Reha-Aufenthalt zu Hause war.
Als ich Monate später die quartalsmäßige Abrechnung der Sozialversicherung bekam, haute es mich fast von den Socken. Mit dem gleichen Geld welche die sechswöchige Reha gekostet hat, hätte ich ein Jahr lang Pilgern gehen können. Ich möchte damit nicht sagen, dass die Reha nichts gebracht hat, aber im Vergleich dazu, eineinhalb Monate Pilgern, hat mir in Summe mehr gebracht und ich wäre gerne länger unterwegs gewesen, aber dafür reichte meine Mindestpension nicht. Leider ist Pilgern für mich seit Corona nicht mehr möglich. Damit habe ich meine wichtigste Therapie verloren.
Mein größter Antrieb ist die Freude, überhaupt wieder gehen zu können, egal wie. Es geht mal besser, mal schlechter. Trotzdem genieße ich noch heute jeden Meter, den ich zurücklegen kann. Gerade jetzt im Lockdown ist der Wald noch mehr denn je mein Freund. Das Gewöhnen an die Stadt habe ich seit letztem Jahr aufgegeben.
Beim Pilgern und Weitwandern trainiere ich effizientes Gehen mit minimalem Aufwand. Ich kann es nicht oft genug sagen, wie froh ich bin, mich wieder selbständig fortbewegen zu können.
Dabei geben mir die kleinen Dinge am Weg Freude und ich beachte Sachen, die mir früher nicht aufgefallen sind. Das hat bestimmt auch damit zu tun, dass ich immer auf den Boden schauen muss, um zu sehen, wo ich hin steige. Dabei fallen mir immer wieder neue Dinge ins Auge, ein besonderer Stein, ein Käfer oder eine sonstige Besonderheit, die mich umgibt.
"Weise ist nicht jemand, der viel weiß, sondern der zu leben versteht, der es versteht, mit sich selbst und mit den anderen umzugehen und die vielfältigen Herausforderungen des Lebens im beruflichen wie im privaten Bereich meistert, auch und gerade dann, wenn es schwierig und leidvoll wird!"
Unbekannt
So lautet eine Erklärung, was Philosophie ist. Ich bin kein Philosoph, allerdings entspricht mir diese Art, mein Leben zu sehen. Weisheit verdankt man nicht Büchern, sondern der aufmerksamen Beobachtung natürlicher Gesetzmäßigkeiten und des menschlichen Miteinanders. Das beobachte ich jetzt seit mehreren Jahren. Auch das Chinesische iGing handelt von den Naturgesetzen und ist mir oft eine Hilfe, besser zu verstehen.
Ein gutes Leben bedeutet für mich, "naturgemäß" leben zu können. Da komme ich wieder zu meinem Hirnabszess. Es war mir davor nicht mehr möglich, "naturgemäß" zu leben, ich war im Hamsterrad des Lebens gefangen. Der Hirnabszess gab mir die Möglichkeit, auf eine neue Art zu leben.
Mit dem Beginn des Lockdowns habe ich mich wieder entschieden, dem "Gedanken der Therapie" zu folgen. Es gibt mir Struktur und Routine. Leben lernen geht im Moment eh wieder nicht, darum konzentriere ich mich erneut darauf, gesundheitlich weiterzukommen. Das bedeutet, Gehen und Wandern ist die erste Wahl, dazu Kräftigungs-, Gleichgewichts- und Wahrnehmungsübungen.
Bei jeder Wanderung erfreue ich mich an der Natur und dem Rhythmus den sie vorgibt. Im Wald und der Natur fühle ich mich gut aufgehoben. Die Stadt und viele Menschen stressen mein Gehirn, stattdessen bin ich viel beim Wandern oder halte mich in der freien Natur auf.
Gerade zu Corona-Zeiten bringen mir die verschieden Arten zu gehen Struktur und Routine ins Leben. Das Gehen ist außerdem eine Lebensschule, bringt mich seelisch und geistig weiter und hilft mir Gesundheit in allen Belangen zu finden!
Der Winter ist da und wie schon letztes Jahr, beschäftige ich mich mehr mit der Rehabilitation und Therapie, die ich in Eigenregie machen kann. Immunsystem und Bewegung ist sowieso das Gebot der Stunde. Der Lockdown ist zurück und damit gibt es wieder mehr Therapie, statt Leben.
Im Frühjahr/Sommer dieses Jahres wollte ich aus dem "Gedanken der Therapie" aussteigen und dem Leben wieder mehr Platz einräumen. Das ist mir erstmals mit und nach dem Walkabout sogar gelungen. Es ist gar nicht so leicht zu erklären, wie das gemeint ist, denn ich sehe das Leben anders als früher und anders, als es wahrscheinlich die meisten anderen tun.
Routinen sind wichtig für mich, egal ob für Therapie oder Leben. Mein Gehirn tut sich schwer damit, dazwischen hin und her zu switchen. Wenn, dann kann ich mich auf eines konzentrieren und muss das andere hintanstellen. Jetzt heißt es eben wieder Therapie, die ich wieder in Eigenregie unternehme und mir auch die Pläne dafür selbst zusammenstelle.
Das dauert immer ein paar Wochen, bis ich mich an die Routinen gewöhne. Ohne sie würde es zu chaotisch ablaufen und ich würde mich in zu vielem verlaufen. Das Ergebnis wäre Rückschritt in meiner Heilung und so versuche ich immer, dass mir bestmögliche zu machen. Lasse ich mir zulange Zeit, um Routinen zu lernen, kann es ins Gegenteil umschlagen. Darum versuche ich mich möglichst schnell an neue Routinen zu gewöhnen, was jedoch einige Zeit dauern kann.
Gerade die Regeln wegen Covid-19 stellen mein Gehirn immer wieder vor Herausforderungen, da sich dauernd etwas ändert. Von den derzeitigen Diskussionen halte ich mich fern, denn sie belasten mein Gehirn und fordern Ressourcen, die ich dringend für anderes brauche.
Zunächst war ich zwei Jahre ausschließlich in Therapie, bis ich nicht mehr konnte. Der Jakobsweg 2018 war damals ein Ausbruch aus diesem Leben und brachte Therapie und gleichzeitig Leben. Jeder Schritt war damals unter dem therapeutischen Gedanken und trotzdem brachte mir der Camino auch das Leben näher. Ich fand einen guten Weg, der mir bestmögliche Heilung versprach.
Dieser Weg ist seit Corona beendet und ich finde mich nur schwer damit zurecht. Am besten ging es mir noch in den bald letzten zwei Jahren am Walkabout. Mein Gehirn war immer wieder herausgefordert, allerdings konnte ich doch die meiste Zeit in Wald und Wiese verbringen und mein Gehirn von diesem ewigen auf und ab der Regeln entlasten. Es waren die unbeschwertesten zwei Monate seit der Pandemie-Zeit.
Derzeit arbeite ich an meiner Balance, wofür ich viel Zeit im Park verbringe. Dazu noch an der inneren Stabilität arbeiten, ist eine wichtige Grundlage für alles Weitere. Dieses Balancieren täte eigentlich jedem gut und ist jedem zum Empfehlen.
Für mich bedeutet es eine Lebensnotwendigkeit, denn ich habe Fähigkeiten verloren, die auch im Alter stark abnehmen und die man allerdings braucht. Ich kämpfe so gegen die Folgen des Hirnabszess an und gleichzeitig auch gegen das natürliche Altern.
Zum Glück finde ich Freude darin und das schon seit Jahren. Hätte ich eineinhalb Jahre nach dem Hirnabszess dem Arzt bei einer Kontrolle geglaubt, wäre das alles nie möglich geworden. Ich hätte mich zufriedengegeben und damit abgefunden, den Weg in die Küche und aufs WC zu schaffen und den Rest des Tages liegend zu verbringen.
Trotz der gestörten "Wahrnehmung im Raum", habe ich zu einem möglichst selbstbestimmten Leben zurückgefunden. Der Einsatz ist natürlich enorm, daher vergleiche ich gerne mein Leben mit Leistungssport. Mit dem Einsatz von heute, hätte ich damals im Radrennsport ein vielfaches erreicht. Der Walkabout war für mich wie ein Olympiasieg und die vielen kleinen Erfolge am Weg, stellten Erfolge im Sport sowieso in den Schatten.
In Wirklichkeit stehen diese oft kleinen Erfolge von Menschen aus der Reha-Klinik, weit über jedem sportlichen Erfolg. Leider sieht man diese Menschen so gut wie nie, denn ich bin nicht der einzige, der diese Leistung vollbringt. Und wenn ich sehe, wie all diese Menschen unter (der Politik) der Pandemie auf viele weitere neue Hindernisse stoßen und eigentlich vergessen werden!
Gerade Neuro-Training ist notwendig, um Asymmetrien und Dysbalancen im Körper zu verbessern und aufzuheben, nicht nur für mich. Die Körperhälften werden separat im Gehirn gesteuert und koordiniert, daher kann das Trainieren der schwächeren Seite sehr hilfreich sein, für mich sogar ein unbedingtes muss.
Der Winter hat mit Schnee Einzug gehalten. Der Balance-Park ist mit dem Training zu Hause abgelöst. Trotzdem wird das Bewegen im Freien, auch wegen des Lockdown, nicht beendet. Gerade im Schnee kann das Gleichgewicht gut trainiert werden und alles, was ich jetzt mache, hilft mir im Sommer. Auch im Radrennsport hat gegolten, der Sieg wird im Winter gemacht!
Außerdem trainiere ich das, was vielen Älteren oft fehlt, nämlich die Trittsicherheit. Es ist etwas, dass für mich so wichtig ist, da es die Lebensqualität so sehr verbessert. Da Nervenweiterleitungen zerstört sind, fehlt mir die Propriozeption oder die Wahrnehmung im Raum. Rund 30.000 Kilometer zu Fuß waren notwendig, um dort hinzukommen, wo ich jetzt bin. Es gibt mir Sicherheit, an der ich allerdings immer üben und dranbleiben muss. Es kann schneller retour gehen, als ich mir wünsche.
Eine weitere tolle Möglichkeit für die Verbesserung der Propriozeption ist der Frisbee-Parcour im Judendorfer Park. Das ist auch mit Schnee eine gute Sache.
Es hilft mir zu lernen, Abstände abzuschätzen und ist somit ein gutes Training für die Wahrnehmung. Dazu kommt das Hinunterbeugen, um das Frisbee aufzuheben, denn Lageveränderungen des Körpers verursacht noch immer Schwindel. Es ist ein immerwährendes Training in alle Richtungen. Solange ich kann, werde ich weitermachen.
Gehen ist aus gesundheitliche Sicht ein optimaler Ausdauersport, auch das Gehen über mehrere Tage, Wochen oder Monate. Es passiert meist im aeroben Bereich und ich kann meine eigene Strecke festlegen, mein Tempo und die Dauer.
Man hat sehr viel Zeit, um über sich nachzudenken und wird mit sich selbst konfrontiert. Für mich ist das Gehen nach wie vor eines der schönsten Dinge, die ich tun kann.
Eine Neuigkeit habe ich mir zugelegt. Da mir beim Gehen oft gute Gedanken und Formulierungen einfallen, suchte ich nach einer Möglichkeit, sie festzuhalten. Es wurde ein Diktiergerät mit Spracherkennung, damit ich später die Sprache schriftlich in den Computer übertragen und bearbeiten kann.
Aus diesem Grund bin ich verstärkt am Lernen, meine Gedanken besser in Wörter fassen zu können und diese aus dem Gehirn raus zu bringen. Es geht nicht immer wie gewünscht, aber es hilft mir, vieles festzuhalten, was bisher verloren war.
So bleibe ich motiviert, neues zu lernen. Corona und die Pandemie bleiben weiterhin eine Herausforderung, so wie meine Rehabilitation.
Das "Leben lernen" wird jetzt anders, als ursprünglich gedacht und wie ich im letzten Blog geschrieben habe:
"Es ist, wie es ist!" (...auch wenn es mir nicht immer gefällt)