Heute möchte ich das Gehen ein wenig beleuchten. Die Fortschritte sind unglaublich langsam, seit Anfang an. Aber sie sind da. Es ist eine große Herausforderung täglich daran zu Arbeiten, oft nur an kleinen Feinheiten. Einmal das Gehen auslassen, kann mich Tage zurückwerfen. Das Training dazu ist wie im Hochleistungssport.
Besonders bekam ich es zu spüren, als ich krank war. Eine Woche konnte ich nicht gehen und lag im Bett wegen einer Verkühlung, mit etwas Fieber. So etwas wirft mich Wochen zurück. Besonders die Kondition ist schnell weg. Ich baue unheimlich schnell ab und nur schwer wieder auf.
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Am Anfang war es mir nur wichtig, wieder Gehen und mich fort bewegen zu können. Denn daran hing meine Hilflosigkeit und von der wollte ich wegkommen. Dazu musste ich aber erst die Technik erlernen. Es war nicht leicht zu verstehen, dass man bereits gekonntes, noch einmal von Grund auf neu, lernen muss.
Mein Wille und mein Ehrgeiz trieben mich an. Ich übte und übe noch immer, oft an der Grenze. Meine Grenzen sind Schwindel und Kondition. Es immer ein bisschen weiter hinaus zuschieben ist mein Ziel. Daher gelange ich des Öfteren ans Limit. Habe ich das erreicht, hilft nur hinsetzen oder besser hinlegen. Mein Kopf verlangt nach der waagrechten.
Im Krankenhaus bin ich einige male ohnmächtig geworden und plötzlich umgefallen. Das blieb mir bisher zu Hause erspart. Ich spüre jetzt aber auch besser meine Grenzen.
Es gibt bessere und schlechtere Tage. Faktoren wie, was habe ich am Vortag getan und wie habe ich geschlafen, spielen eine große Rolle. Ungünstige Faktoren werfen mich weiter zurück, als ich in der gleichen Zeit an Positiven erreicht habe.
Eine herausfordernde Diskussion kann mir das Gehen an diesem Tag unmöglich machen. Umgekehrt kann ich mich nach dem Gehen nicht auf eine Diskussion einlassen. Es heißt genau Haushalten mit den Ressourcen.
Es dauerte Monate, bevor ich mich, bei mir zu Hause, an die Steigung zur Straße hinauf wagte. Dazu gibt es eine lustige Geschichte.
Immer wieder nahm ich die Herausforderung der Steigung an. Jeder Schritt wollte erkämpft sein. So ging ich in Zeitlupe die Steigung hoch. Selbst kleine Schritte brachten mich aus dem Gleichgewicht. Hoch konzentriert musste ich bergauf sein. Meine Kondition war durch das lange Liegen sehr schlecht.
Die geringste Anstrengung ließ meinen Puls hochschnellen und tief rasselnd atmen. So kämpfte ich mich Zentimeter für Zentimeter vorwärts. Ich kam mir vor, wie ein Höhenbergsteiger beim Gipfelgang. Ähnliches hatte ich es am Denali und Kilimanjaro erlebt. Da ich 100 % gab, war ich der Meinung eh ein gewisses Tempo zu gehen.
Weit gefehlt. Ich hatte kein Gefühl für Distanzen, konnte nicht abschätzen, wie weit ein Auto noch weg ist und das Gefühl für Geschwindigkeit war weg. Meine höchste Leistungsstufe bergauf war - "gerade noch in Bewegung". Die Wahrnehmung wurde damit ebenfalls zur Herausforderung. Alles an mir war verlangsamt. Das konnte ich erst nach und nach verstehen.
Da geschah etwas, was mich trotz allem zum Lachen brachte. Plötzlich überholte mich eine alte Frau am steilsten Stück. Das wäre nicht so schlimm gewesen, wären da nicht die zwei riesengroßen Einkaufstaschen gewesen.
Dieses Bild, wie sie mir davon zog, zeigte mir beeindruckend, wie ich trotz meiner Anstrengung, langsam vorwärts kam. Damals durfte ich erkennen, dass noch viel Arbeit vor mir lag.
Ich nahm es zum Glück mit Lachen auf, denn ich hätte daran auch verzweifeln können. Im Gegensatz, es motivierte mich. Diese Steigung wurde seither mein Parameter, wie weit ich mich bergauf verbessert habe.
Ein weiteres Erlebnis war das erste Mal in den Wald zu gehen. 500 Meter hin und zurück. Bis zum Anfang des Waldes musste ich ein steiles Stück Asphalt-Strasse schaffen. Allein dafür brauchte ich mehrere Monate, bis ich soweit war. Ich rang um jeden Zentimeter höher zu kommen, bis ich es endlich schaffte. Das erste Mal selbständig wieder im Wald, es war beeindruckend!
So folgte ein Erstes mal dem anderen. Immer weiter brachten mich meine Streifzüge in den Wald. Die Freude war jedesmal groß, wenn ich einen neuen Punkt setzen konnte. Einzig das Bergauf gehen bringt noch Schwierigkeiten und bleibt schwer. Aber ich arbeite daran.
Nur was ich mir vorstellen kann, wird auch eintreffen. Keine Limits von vorn herein setzen, dass ist wichtig.
Wieder normal zu gehen ist mein Wunsch. Das automatisierte Gehen fehlt dazu noch. Das war im Winter leichter zu üben. Im tiefen Schnee ist es einfacher hinzufallen. Ich musste mein Gehirn bewusst ausschalten und den Beinen ihren Gang erlauben.
Ich torkelte wie ein Betrunkener durch den Wald und es durfte egal sein, wenn ich hinfiel. Leider war dazu nicht all zuviel Zeit dafür, denn es gab nur begrenzt lange tiefen Schnee.
Den Wald nutze ich vielfältig aus. Obwohl im Verhältnis zum Tun nur sehr wenig weiter geht, ist es enorm wichtig diese kleinen Schritte dennoch zu setzen. Denn diese kleinen ergeben in Summe letztendlich wieder einen großen Schritt zurück ins Leben.
Im Wald übe ich das Wippen mit demFuß, Treppen steigen und Gleichgewichtsübungen. Ich gehe jetzt wieder öfter ins Fitnessstudio, ziehe aber den Wald vor.
Zurzeit steht wieder mehr die Kräftigung der Beine und des Körpers auf dem Programm. Dort ist es leichter, als zu Hause die spezifischen Übungen zu machen. Vor allem Balance-Übungen sind dabei, um mein Gleichgewicht zu verbessern. Dazu Bodenübungen, Krafttraining und vieles mehr.
Es sind so viele Schräubchen an denen gedreht werden kann, dass sie mir gar nicht immer alle einfallen. Aber ich könnte sie eh nicht täglich praktizieren.
Es hat sich mein Tagesablauf seit Herbst 2016 nicht sehr verändert. Das Hauptaugenmerk liegt noch immer auf der Stärkung des Körpers und auf der Wiedererlangung der kognitiven Fähigkeiten, sowie dem Verbessern der Denkleistung und Merkfähigkeit. Langweilig wird mir also sicher nicht in nächster Zeit. Es ist Herausforderung genug für mich!