Das Pferd hat mich schon immer fasziniert, dabei bin ich erst einmal im Leben geritten. Großen Respekt fühle ich vor diesen kraftvollen Tieren. Neben dem Krafttier Pferd bin ich laut chinesischem Horoskop sogar ein "Feuerpferd".
Auf meinem letzten Camino, im Jänner/Februar dieses Jahres, nahm ich einen alten Talisman mit, den ich mir 1995 in den USA, auf einer meiner zahlreichen Reisen, gekauft hatte.
Diese Halskette wollte ich am Crux de Ferro lassen, einem historisch wichtigen Punkt auf dem Camino Frances. Normalerweise bringt man einen Stein von Zuhause mit, als Repräsentant für seine am Lebensweg angehäuften Sünden, um deren Vergebung man bittet. Je mehr Sünden, umso größer sollte der Stein sein.
Dieses Ritual erledigte ich schon auf meinem ersten Camino Frances 2018, diesmal sollte es allerdings etwas für die Bedeutung meines neuen Lebens sein.
Der Talisman erinnert mich an meine Zeit im Extremsport. Gekauft habe ich ihn in Leadville, bei meiner Teilnahme am zweiten Leadville Trail 100, dem damals höchstgelegenen Mountainbike-Rennen der Welt, im Jahre 1995.
Eine indianische Zeichnung auf einem Stein stellt ein Pferd dar, welches wiederum als Symbol für verschiedenste Eigenschaften zählt. Es hat mich angesprochen und in der Folge auf vielen weiteren Reisen begleitet.
Die wichtigsten Symbole wären da:
Eigenschaften, die für mein neues Leben wichtig geworden sind.
Es hat mich damals in vielerlei Richtung angesprochen, aber noch mehr wurden diese Eigenschaften nach dem Hirnabszess für mich wichtig. Besonders wichtig jetzt für mich, diese wiederzuerlangen.
Das Pferd bittet dich, dich mit deinem Körper als Tempel deiner Seele, zu beschäftigen. Öffne dein Herz für deinen Körper. Sie nehmen uns mit auf eine Reise in die Innenwelt.
Es weist uns darauf hin, dass wir hin und wieder unser ungezähmtes Wildpferd freilassen sollen, um uns aus Abhängigkeiten zu befreien.
Das Pferd bedeutet auch Balance zwischen instinktivem und gezähmten Teil der Persönlichkeit. Das Krafttier ist auch Symbol der Lebenslust.
Es symbolisiert die Fähigkeit, im Leben Hindernisse zu überwinden und sein Ziel zu verfolgen, egal was sich einem in den Weg stellt.
Dies ist die Zeit, in der du an deine Grenzen gehen solltest, auch wenn du dir des Ergebnisses nicht sicher bist.
Du hast die Gabe der sicheren Bewegung, also erlaube deinem Pferde-Totem, dir zu helfen.
Lass dein Pferde-Totem deinen inneren Mut wecken, um dir durch diese schwierige Phase zu helfen.
Dein Geist-Tier kann dir helfen, deine innere Kraft zu entfalten.
Der Gebirgszug "Montes de Leon", ist auf dem Weg nach Ponferrada zu überqueren. Am Crux de Ferro, mit seinen 1.500 m Seehöhe, erreicht man den höchsten Punkt am Camino Frances.
Der Original-Haufen aus der Römerzeit soll 300 Meter abseits der Straße liegen, mittlerweile hat sich aber der Pfahl aus Holz, oben mit einem Kreuz aus Eisen, an der Straße durchgesetzt. Es ist bereits Tradition, dass jeder Pilger einen Stein von Zuhause mitbringt und hier ablegt.
Ich war Mitte Februar alleine am Kreuz und konnte ungestörte 30 Minuten dort verbringen. Meine Gedanken waren durcheinander, aber vorherrschend war eine Dankbarkeit, wie ich mein körperliches Befinden seit dem Hirnabszess verbessern konnte.
Auf einer Bank nahe dem Kreuz setzte ich mich nieder. Alles war still, nur der Wind pfiff durch die Bäume. Nur eineinhalb Jahre später saß ich wieder hier. Es war schwierig einen Gedanken fassen zu können, wie Blitze kamen mir Stationen aus den letzten vier Jahren kurz ins Bewusstsein. Wie in einem Film spielten sich verschiedene Gedanken und Erlebnisse kurz in mir ab.
Im Unterschied zu meinem ersten Aufstieg 2018, konnte ich diesmal den Weg besser wahrnehmen. Damals war ich so aufs Gehen konzentriert, dass ich die Landschaft um mich herum nur selten aufnehmen konnte. Das Crux de Ferro lag damals wie ein unüberwindbarer, hoher Gebirgspass vor mir.
Ich war noch beeinträchtigt von der Halbseitenlähmung und die Aufmerksamkeit lag auf jedem Schritt. So kämpfte ich mich langsam höher, wirklich Schritt für Schritt. Die 700 Höhenmeter von Astorga aus, bewältigte ich in zwei Tagen. Für einen Abschnitt von 5 Kilometern, benötigte ich vier Stunden.
Das und noch viel mehr kam mir hoch. Wie sollte ich diesmal mit den Emotionen umgehen? Da ich Angst davor hatte, dass mich die Emotionen überwältigen und ich sie nicht handhaben konnte, versuchte ich sie rational wegzudenken. Das war aber gar nicht so einfach.
Die Bilder und Gefühle in mir waren ja da. Besonders einzelne Stationen des Gehen lernen, im Krankenhaus oder wie ich mich vor zwei Jahren hier hochgewunden hatte. Ich war überglücklich, diese Zeit überstanden zu haben. Ein Jauchzer nach dem anderen entfuhr mir und das tägliche Training der letzten Jahre bekam einen Sinn, den ich zwischenzeitlich angezweifelt hatte, denn objektiv ging bei mir nichts weiter. Allerdings sind es die vielen, vielen keinen Schritte, die oft nicht erkennbar sind, aber in Summe etwas bringen. Das war schön, es auf diese Weise zu erleben!
Dass ich mit meinen Gefühlen und Emotionen noch nicht umgehen kann, war zweitrangig. Es herrschte eine unglaubliche Freude in mir vor und das ist das wichtigste. Ich saß zu Mittag alleine auf dem höchsten Punkt des Camino Frances. Ich wusste, dass hinter mir niemand mehr nachkam und vor mir auch niemand war. Alleine das ich mich dieser Situation aussetzen konnte, war einzigartig. Wer hätte sich vor drei Jahren das gedacht? Sicher nicht die Ärztin, die mich damals darauf vorbereiten wollte, dass sich nicht mehr viel verbessern ließe und ich mich mit dem Zustand abfinden sollte.
Da kommt auch wieder das Pferd ins Spiel. Es vermittelt einem starke Emotionen und man braucht nur ein Pferd zu betrachten, um innerlich ruhiger zu werden. Es vermittelt einem, mit den Beinen fest am Boden verankert zu sein und das Leben mit eigener Kraft zu meistern. Vom Krafttier Pferd lernte ich viel, begleitet es mich doch schon viele Jahre.
Und die Kraft eines Pferdes brauchte ich auch, für den langen Abstieg nach Ponferrada. Auf diesem Weg zeigte sich das unermüdliche Training der Fußgelenke, denn auf steinigem Weg geht es oft steil hinab und ich knickte, im Gegensatz zu 2018, kein einziges Mal um. Ich spürte reines Glücklichsein im Gehen und wäre am liebsten weiter um die Welt gegangen.
Diese Einstellung wurde zu einem der wichtigsten Faktoren in meinem Gesund werden. Dafür nehme ich alles zu Hilfe, was dem dient. Meine Krafttiere sind dazu eine große Hilfe, wenn ich auf sie achte. Für den einen oder anderen mag das befremdlich und nach Hokuspokus klingen, für mich ist es aber ein weiterer kleiner Teil für die Gesamtheit.
Denn es gibt keine Wunderpille, um all meine Defizite zu kurieren. Es sind vielmehr die kleinen Dinge, die meinen Körper wieder in Harmonie bringen und deshalb tue ich alles dafür, Balance und Harmonie in meinen Körper zu bringen. Entscheidungshilfe ist vor allem:
"Bringt es mich weiter oder nicht?"
Ein US-Schwimmer fragte sich immer: "Macht es mich schneller, oder nicht?". Diese Frage hilft ungemein, wenn man sich nicht sicher ist.
Wobei, das hat natürlich nicht immer mit angenehmen Dingen zu tun oder die keinen "Schmerz" bedeuten. Wenn man jedoch ein Ziel vor Augen hat, wird Schmerz zu einem Bestandteil, was einen weiter bringt. "Bringt es mich weiter...?" kann auch sein, tausendmal dieselbe Bewegung zu machen. Ich bin mir, quasi, die Halbseitenlähmung weggegangen.
Nach über 2500 Pilgerkilometern und unzähligen Kilometern Zuhause, behindert sie mich heute kaum noch, obwohl sie noch da ist und in manchen Situationen spürbar ist. Das viele Gehen hat mir wieder Lebensqualität gebracht.
Und das Krafttier Pferd hat mir, wie so viele andere Tiere bisher auch, auf meinem Weg zurück ins Leben geholfen!