Jetzt bin ich seit drei Wochen am Camino Norte mit meinen Handicaps unterwegs. Worin habe ich meine Erfahrungen und Erlebnisse seither gemacht?
Die Folgen des Hirnabszess werden mich noch länger begleiten und bleiben immer wieder eine Herausforderung. Erfahrungen und Erlebnisse mache ich dort, wo ich an meine Grenzen stoße und davon gibt es nicht zu wenige.
Diesen setze ich mich zwangsläufig aus. Sobald ich ungewohntes Terrain verlasse, bin ich diesen ausgesetzt. Am Camino Norte sind es die ungewohnt vielen An- und Abstiege, die mich immer wieder an die Grenze kommen lassen.
Bisher übte ich einen Fuß vor den anderen zu setzen. Die letzten Monate machte ich viele Kräftigungsübungen, vor allem, um nicht nur gehen, sondern auch steigen zu können. Das Hochsteigen fordert mir noch viel Energie ab, die ich aber nur begrenzt zur Verfügung habe.
Das schwierigste ist das Kniehohe steigen und das habe ich hier in vielfältiger Form. Treppensteigen ist nach wie vor nur unter Anstrengung möglich. Mit Felsen durchsetzte Wege fordern mir hier bergauf, wie bergab, alles ab.
Es ist ein vollkommen anderes Gehen als am Camino Frances, ein hoch konzentriertes Gehen, denn jeder Schritt muss hier passen und genau hingesetzt werden. Ein intuitive Gehen ist mir unmöglich. Jeder Gedanke und die Konzentration darf nur beim Gehen sein.
Lasse ich mich ablenken, passiert sofort ein Missgeschick. Ich kippe um, komme ins Straucheln oder falle in eine allgegenwärtige Lacke.
Am Camino Frances lernte ich gehen, besonders die Fußschaufel weit genug anheben, um nicht am Boden hängenzubleiben.
Am Norte ist es gesteigert. Die Felsen sind zahlreicher, höher und öfter am Weg. Das heißt für mich, den Fuß hoch genug anzuheben, um nicht ins Stolpern zu kommen.
Da muss ich natürlich mit den Gedanken dabei sein, denn ein Sturz wäre bei zu viel Unachtsamkeit die Folge. Für Außen stehende hat das die Folge, dass ich sehr unnahbar scheine, weil ich immer auf den Boden schauen muss, um nicht zu stürzen. Dabei kann ich rechts und links von mir nichts wahrnehmen, dabei gehe ich nur hoch konzentriert, tief in mich versunken und passe auf, nicht zu stürzen. Unterhaltungen mit anderen am Weg, sind daher auf ein Minimum eingeschränkt.
Es sind aber viel weniger Menschen unterwegs, als am Camino Frances. Jeder geht sein eigenes Tempo, das aufgrund der zahllosen Anstiege und Abstiege sehr unterschiedlich ist.
Manche Abschnitte lege ich in Form von Geh-Meditation zurück. Es ist eine entspannende Art zu Gehen und macht das Gehirn frei.
Das Leer werden ist ebenfalls schon eingetreten. Gehen ohne Gedanken, nur gehen. Eine meiner liebsten Arten, aber nur auf Asphalt durchführbar.
Unter dem Tag bin ich meist alleine. Das Gelände ist zu anspruchsvoll und lässt für mich keine Unterhaltung während dem Gehen zu.
Am Abend habe ich dann allerdings öfter interessante Gespräche mit Pilgern aus aller Welt. Besonders faszinierend für mich, ich kann mich relativ problemlos in Englisch unterhalten und schaffe immer mehr Synapsen herzustellen. Einmal gekonntes ist leichter für mich, als zum Beispiel eine neue Sprache zu lernen.
Es hat sich mittlerweile eingependelt. Die Bewegung ist noch immer Therapie, dafür bin ich aber auch da. Gleichzeitig ist es aber auch wieder Leben, der Camino ist dafür einzigartig. Hier wird beides kombiniert, ein toller Zustand.
Ein Aufkleber unterwegs sagt es sehr treffend:
"The Camino is the best Therapie!"
Was gibt es da noch viel dazu zu sagen?
Ich werde demnächst einen umfangreicheren Bericht und genauere Erlebnisse Posten, wenn ich mehr Zeit habe. Tägliche Neuigkeiten und Bilder gibt es auf Instagram.