Wenn ich den gesamten Weg hernehmen, dann hat auch diesmal wieder das "nichts denken" überwogen. Erfahrungen und Erkenntnisse brachte er mir eine Menge.
Bisher brachte jeder meiner Caminos neue und andere Erfahrungen. Es geht einher mit meiner Gesundung. Dass es Zeit braucht, ist mir mittlerweile klar geworden. Zeit hat eine andere Bedeutung bekommen.
Wenn ich jetzt vor dem Computer sitze und ich über meine Erkenntnisse schreiben möchte, dann kommt im Augenblick nichts. Es ist, wie auch sonst oft. Eine weiße Wand baut sich vor mir auf und auch meine Gedanken schauen so aus, nämlich weiß und nichts da.
Aber auch das gehört zu meinen Erkenntnissen, nämlich damit umgehen zu lernen. Es gehört zu meiner Rehabilitation, die noch lange nicht abgeschlossen ist.
Meinen Wortschatz konnte ich wieder etwas erweitern, besonders in Englisch. In der Zeit am Camino Frances traf ich niemanden aus Österreich und nur zwei Deutsche.
Es war interessant zu beobachten, wie das Gehirn arbeitet. Es begann in Englisch zu träumen und Selbstgespräche führte ich ebenfalls auf Englisch. Deutsch kam tagelang so gut wie gar nicht mehr vor. Das sind neue Erfahrungen für mich.
Die für mich schönste Erfahrung machte ich in der Meseta. Es war ein landschaftlich wunderschöner Abschnitt. Ich hörte Musik und fotografierte viel. Was sich bisher noch nie ereignete, passierte. Zu den gemachten Fotos spielte die Musik im Takt im Kopf, als ob ich beim schneiden eines Films sitze.
Es war mir bisher noch nie möglich, so gestalterisch zu denken. Ein Highlight für mich. Instagram und der Blog helfen mir darin, etwas zu gestalten. Ist ein Bericht zu groß, verliere ich den Überblick. Aber nur durch immer wieder tun komme ich weiter, wenn auch langsam.
Meinem Ziel, einen Vortrag zu gestalten, komme ich näher. Ihn zusammenzustellen ist allerdings das Eine. Dazu auch zu sprechen, das Andere. Ob das Gehirn da mitmacht, wird sich erst zeigen.
Jeder Camino bringt neue Erkenntnisse für das Gehen. Es ist so komplex, dass geringfügige Verbesserungen eine große Wirkung haben können.
Dem Ziel, mehr Automatismus in die Bewegung zu bekommen, habe ich erreicht. Noch fehlt dazu ein bisschen mehr Vertrauen, aber es geht voran.
Auf Asphalt ist es mir möglich, mich fast ungehindert mit jemanden zu unterhalten, ebenso auf ebenen Schotterpisten. Ein riesiger Fortschritt, gegenüber noch vor wenigen Monaten.
Es gelingt mir vieles immer besser. Allerdings nur, wenn es nicht zu schnell ist. Laufen funktioniert noch nicht. Beim Treppensteigen muss ich sehr konzentriert gehen. Unterhaltungen sind dabei kaum möglich.
Ein Manko ist noch die Aufmerksamkeit, wenn mehr als eines gleichzeitig beachtet werden möchte. Auf besonders steinigen Wegen muss ich auf die Füße achten und übersehe dabei in den Weg hängende Pflanzen und Dornen. Das tut manchmal weh. Multitasking geht noch immer nicht, Single-Tasking ist dafür aber zu wenig.
Den größten Fortschritt brachte aber die Sicherheit beim Gehen. Meine Knöchel sind so stark geworden, dass ich fast nicht mehr umkippe. Ein großer Vorteil beim Gehen, bin ich früher doch oft umgekippt. Das viele Training trotz Muskelschwäche hat sich ausgezahlt.
Es sind alles Dinge, die ich schon seit Anfang an Trainiere. Aber der Camino brachte alles auf eine neue Ebene. Therapie im Alltag, unter natürlichen Bedingungen. Denn auch das Leben wieder leben lernen, ist mir hier wieder gelungen.
Allerdings fehlt noch einiges, denn Emotionen und Gefühle kann ich nur beschränkt zulassen. Sie wirklich handhaben zu können, wird noch einige Zeit dauern. Diese Erfahrungen sind aber unumgänglich.
So konnte ich wieder einiges verbessern oder konnte erkennen, woran ich noch arbeiten muss. Um mich nicht misszuverstehen, ich bewege mich noch immer im einstelligen Prozent Bereich der Verbesserung. Von 0 auf 101 bewege ich mich zwischen 35 und 40. Das klingt wenig, aber ich möchte gar nicht wissen, wo ich stünde, wenn ich den Camino nicht für mich entdeckt hätte.
Damit schließe ich, denn das Schreiben ohne Tastatur, die ich ja verloren habe, geschieht mir nicht leicht.
Hallo Jörg, ich komme auch gerade aus der Klinik und will Anfang Mai auf den Camino F.
Allerdings will ich mit Zelt 🏕 und Hund 🐕 gehen.
Hast du ein Tip für mich, welchen Rucksack ich benützen sollte?
Hallo Michael!
Schön das du zum Camino gehen möchtest, besonders mit Hund!
Aufgrund meiner Krankheit bin ich extrem auf Leichtigkeit aus und verwende daher Rucksäcke von Salomon zwischen 500g und 880g Gewicht.
Mit Zelt und Hund wirst du mehr Gewicht zusammen bekommen, daher brauchst du einen stabileren, etwa 1000g bis 1500g. Deuter hat da sicher einen guten im Programm. Auf jeden Fall ist es gut, sich genau zu überlegen, was man wirklich braucht und man eher minimalistisch unterwegs ist. Ich spürte jedes Gramm Gewicht mehr oder weniger.
Auf jeden Fall wünsche ich dir viele schöne Momente und einen tollen Weg. Melde dich doch einmal von unterwegs, wie du so zurecht kommst. Habe einige getroffen, die waren auch mit Hund unterwegs.
Für Fragen natürlich auch vorher.
Liebe Grüße
Jörg
Vielen Dank Jörg, dass Du uns an Deiner Tour teilhaben lässt. Ich wünsche Dir viel Energie und Zuversicht, Gottes Segen möge Dich begleiten. Franz
Danke dir.
Buen Camino
[…] Leben lernen. Überhaupt wollte ich den ganzen Weg nicht an Therapie denken. Ich wollte an meinen Camino Frances im Winter anschließen, der damals so abrupt mit der Corona-Krise geendet […]
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