Das Altstadt-Kriterium Graz ist am 26.Juli, nach vielen Jahren der Abwesenheit, wieder zurück. Aus heutiger Sicht kann ich sagen, dieses Rennen hat 1992 mein Leben nachhaltig verändert. Die Erlebnisse rund um das Rennen waren einer der Gründe, wenn nicht sogar der Hauptgrund, für meinen Wechsel vom Straßenradrennsport zum MTB-Extremsport.
Das Kriterium in Graz war damals eine der wenigen Möglichkeiten als Amateur gegen Profis zu fahren. Außerdem bot es die Möglichkeit, die Mannschaft, die Sponsoren und sich selbst in der Heimatstadt zu präsentieren. Die Wiederbelebung dieses Rennens dient mir dazu, das damals erlebte für mich jetzt nach dem Hirnabszess aufzuarbeiten, zu verstehen und wie ich den Weg zum Mountainbike fand.
Seit dem Hirnabszess ist Aufarbeiten ein wichtiges Thema für mich. Die Gründe, weswegen ich Extremsportler wurde, weiß kaum jemand.
Ich arbeitete damals noch bei der Post als Beamter. Also eigentlich, denn 1992 nahm ich über den Sommer hinweg mehrere Monate unbezahlten Urlaub, um mich ganz dem Radrennsport widmen zu können. Keine lästigen Urlaubsansuchen, um an Rundfahrten teilnehmen zu können, 24 Stunden am Tag trainieren, um besser zu werden und genug Zeit für Erholung zu haben.
Das waren Vorteile, die unbezahlbar waren und sich auch in Ergebnissen niederschlugen. Allerdings waren auch Vorkommnisse dabei, die mich oft am Wert dieser Ergebnisse zweifeln ließen. Das Altstadt-Kriterium war dann die Spitze des Eisberges. Nach einem weiteren Jahr auf der Straße wechselte ich dann aufs Mountainbike endgültig um.
Dieses Rennen war der größte Klassiker Österreichs im Frühjahr, zur damaligen Zeit. Die Wetterbedingungen machen dieses Rennen besonders schwer, es gab immer starken Gegen- und Seitenwind und in diesem Jahr ganz besonders.
Regen, Kälte und Wind, manchmal so stark, dass ich mit der kleinen Scheibe im Flachen gegen den Wind ankämpfte, machten es 1992 wirklich schwer. 500 Meter vor dem Ziel war ich auf Siegeskurs, allerdings streikte dann meine Gangschaltung am Ende des Schlussanstieges und ich konnte nicht mehr hinunter schalten.
Die letzten flachen Meter ins Ziel strampelte ich bei starkem Rückenwind mit nur 53:17. Wenige Meter vor dem Ziel überholten mich noch einige Fahrer und so belegte ich nur den für mich enttäuschenden 5. Rang.
Damit wusste ich zumindest, dass meine Form passte und mehrere gute Ergebnisse in den nächsten Wochen bestätigten das. Wenige Wochen vor der Österreich-Rundfahrt kam der Nationalteam-Trainer zu mir und sagte, ich solle die nächsten Wochen auf mich aufpassen, nur mehr gut trainieren, nicht mehr um Platzierungen zu kämpfen, denn er plante mich fix für eines der drei Nationalteams ein.
Dort dabei sein zu dürfen, dafür arbeitete ich seit Jahren. Ein Traum ging in Erfüllung.
Die nächste Episode passierte mir bei einem gut besetztem Rennen. Obwohl nicht vorgesehen, passierte es trotzdem, dass ich in der 20 Mann Spitzengruppe landete, die vereint zum Zielsprint antrat. Ich wurde Siebenter, schien aber nicht in der Wertung auf. Erst nach Reklamation und dem Studium der Zielkamera wurde ich doch noch nachträglich an die erreichte Stelle gesetzt.
Damals kam eine erste Unzufriedenheit damit auf, von so vielen äußeren Umständen abhängig zu sein, um gute Ergebnisse erreichen zu können. Straßenrennfahren war ein Teamsport und es braucht viele Dinge, um vorn dabei zu sein, aber zum wiederholten Mal übersehen zu werden oder von Funktionären abhängig zu sein, war mir zuwider.
14 Tage vor der Österreich-Rundfahrt war ich in einen Massensturz verwickelt, dessen Verletzungen mich eine Woche nicht trainieren ließen und mich weit zurückwarfen. Die Österreich-Rundfahrt war für mich damit gestorben.
Die Luft war draußen, denn mein größtes Saisonziel hatte ich damit nicht erreicht. Aber noch war ich freigestellt von der Arbeit als Postbeamter und so versuchte ich mich erneut für die restliche Zeit zu motivieren und gut zu trainieren. Eine Eigenschaft, die mir heute, nach dem Hirnabszess, zugute kommt. Nicht aufgeben, niemals und unter keinen Umständen.
Zwei Tage nach der Tour de France fand das Altstadt-Kriterium statt. Die Profi-Stars waren Sean Kelly, Acasio da Silva, Harry Maier und dazu kam noch die heimische Elite.
Eine nasse Straße am Anfang war nicht einfach, kam mir aber entgegen. Schon bei den ersten Wertungen konnte ich punkten und ich hielt mich immer in den vordersten Positionen auf. Es gab ein gutes Gefühl, gegen Weltklassesprinter wie Sean Kelly fahren zu können.
Dazu war die Stimmung wie nirgendwo sonst in Österreich und die 30.000 Zuschauer waren Weltklasse. Riesiger Jubel begleitete uns rund um die Strecke und besonders die Kopfsteinpflasterpassage die Bürgergasse hoch, verursachte Gänsehaut.
Allerdings machte ich die Rechnung ohne den Wirt. Ich hatte am Ende sechs Punkte erreicht, was für einen Platz, unter den ersten zehn normalerweise locker gereicht hätte. Mein Name wurde aber nicht zur Siegerehrung aufgerufen. Ok, dachte ich, dann hat es eben nicht für die ersten zehn gereicht, war mein erster Gedanke. Mein Präsident des Radklubs und der sportliche Leiter hatten keinen Überblick und so fuhr ich am Abend nach Hause.
Am nächsten Tag schlug ich die Zeitung auf und sah, dass ich hinter Roland Königshofer, dem besten Amateur, den sechsten Rang belegt hätte, aber nicht aufschien. Der folgende Anruf beim Veranstalter brachte hervor, dass mich ein Rennkommissar mit einer Runde Rückstand führte, die ich aber nie hatte. Ich kann es mir nur so erklären, dass ich mit einem meiner Teamkollegen verwechselt wurde. Ich war bitter enttäuscht, denn wieder einmal wurde ich nicht belohnt.
Dass so ein Fehler beim Heimrennen, vor 30.000 Zusehern, möglich ist, war mir unverständlich. Ich verzichtete auf jeden Protest, es war sowieso schon zu spät. Betroffen entschloss ich mich, noch in derselben Woche einen Flug nach Australien zu buchen, um an der Australien Bike Challenge im September teilzunehmen, welche die erste West-Ost Durchquerung per Rad von Australien werden sollte. Es war mein Einstieg ins Abenteuerradrennen, von dem ich nicht mehr Los kommen sollte.
Ich hängte zwar noch eine Straßensaison 1993 an, aber dieser Ausflug nach Australien sollte mein Leben verändern. Dort lernte ich den Amerikaner John Stamstad kennen, der mir von einer Reihe toller Rennen in den USA erzählte, darunter auch das Iditasport Race in Alaska. Dieses Rennen sollte mein Leben nachhaltig verändern.
Bei diesem Rennen war ich alleine verantwortlich, was das, was ich werde. Keine Betreuer oder Funktionäre, ich alleine hatte es in der Hand etwas zu werden oder eben auch nicht. Das zu managen, wurde meine neue Aufgabe, in deren Folge ich auch meinen Beamtenjob an den berühmten Nagel hängen sollte.
Dreimal die Crocodile Trophy, die Kenia Sport Safari und natürlich das Iditasport Race, dass ich 1997 exequo mit Harry Maier gewinnen konnte waren, waren die Folge.
Alle 📸 vom Altstadt-Kriterium in Graz ©Klaus Krasser