Ich habe begonnen mit dem Laufen! Vielleicht ist das zu viel gesagt, aber mein Ziel ist es, während der Schritte beide Beine vom Boden weg zu bekommen.
Langsames Joggen wäre angebrachter zu sagen. Ich hatte diese Flugphase zwischen den Schritten. Nach zweieinhalb Jahren war es endlich soweit.
Ich bin nicht viel gelaufen. Acht bis zehn Schritte vielleicht und das fünf- bis sechsmal. Dazwischen brauchte ich mehrere Minuten Geh-Pause.
Bisher war es immer so, dass ich bei größerer Anstrengung schwindlig wurde und ein Druck im Kopf entstand. Dazu hatte ich noch zu viel mit dem Gleichgewicht zu tun. Das hielt mich bisher ab, mit dem Laufen zu beginnen.
Diesmal war kein Druck im Kopf, nur am Ende war eine Unsicherheit beim Gehen und Stehen da, was wohl mehr den angestrengten Muskeln, als dem fehlenden Gleichgewichtsgefühl geschuldet war.
Was das für mich bedeutet, brauche ich wohl niemand zu sagen. Es ist der Beginn eines neuen Kapitels in meiner Hirnabszess Geschichte und für mein Leben.
Natürlich wird es nicht immer so weitergehen. In der Reha im Sommer habe ich in zwei Einheiten die Bewegungsmuster des Laufens gelernt. Ich muss ja alles neu lernen, auch das Laufen. Danach brauchte ich jeweils bis zu fünf Tage für die Erholung.
Es war ein erster Anfang für mich, wie 2016 das Gehen lernen. Ich kann Gehen, aber es fehlt noch viel in der Zusammenarbeit mit dem Gehirn.
Ich muss noch immer viel Denken, um Gehen zu können. Das ist beim Laufen eine noch größere Herausforderung, weil alles schneller abgeht. Aber der erste Schritt ist getan. Ich musste für diesen sehr geduldig sein und auch in Zukunft noch bleiben.
Es geht nur "Step by Step", ich kann nichts überstürzen. Mein Ziel ist es, im Frühjahr ein- bis zweihundert Meter in einem Stück zu laufen. Läufer werden jetzt lächeln, aber Zeit spielt für mich keine große Rolle mehr.
Ich stand im März 2016 bei absolut NULL. Ich musste nicht nur Gehen lernen, sondern das gesamte Leben neu lernen. Gehen war ein Teil von einem umfangreichen Programm.
Auch das Laufen wird nur einen Teil einnehmen, denn alles andere ist genauso wichtig. Ich schreibe nicht umsonst "zurück ins Leben". Dieses Leben beinhaltet mehr als nur Gehen oder Laufen.
Laufen fällt für mich unter Bewegung und die hat einen großen Stellenwert. Ich habe das Glück wieder Gehen zu können, wenn auch mit Einschränkung. Wäre ich im Rollstuhl gesessen, hätte Bewegung trotzdem eine besondere Bedeutung für mich. Bewegung ist nicht ans Gehen oder Laufen gebunden.
Noch als aktiver Sportler bewunderte ich Menschen, die nach einer Querschnittslähmung ihren Weg zurück ins Leben über den Sport fanden. Damals hatte ich selbst das Gefühl, mein Leben wäre zu Ende, würde ich im Rollstuhl enden.
Erst nach meinem Hirnabszess verstand ich, was in einem vorgeht. Mit einer Behinderung ist das Leben nicht zu Ende, nur anders. Auch für mich ist alles anders geworden.
Das Laufen kann ich nur so angehen wie alles bisher. Langsam und Schritt für Schritt. Beim Gehen benötigte ich Monate für kleine Verbesserungen und ich trainiere sogar jetzt noch täglich Gehen.
Für das Laufen wird es nicht anders sein. Eine besondere Herausforderung wird der Automatismus sein. Da alles schneller geht, müssen Bewegungsmuster automatisch funktionieren. Das ist ein großer Wunsch für die Zukunft, dass in der Bewegung wieder mehr automatisch funktioniert.
Der erste Schritt ist gemacht. Trotzdem muss ich aufpassen, allem seine Zeit im "Lauf" der Dinge zu geben. Geduld und Ausdauer sind gefragt, nichts überstürzen und nichts mit Gewalt vorantreiben.