Seit über zwei Jahren bin ich einmal die Woche beim therapeutischen Tanzen, unterbrochen nur von meinen mehrwöchigen Fußmärschen oder der Pandemie geschuldeten Lockdowns. Beim letzten Mal war eines der Themen das "Innehalten", welches ich gleich darauf beim Nachhausegehen ausprobieren konnte, da es mich sehr beschäftigte.
Wenn ich gut drauf bin, gehe ich oft die 23 km zu Fuß nach Hause. Meist versuche ich dann das Gelernte gleich am Weg umzusetzen, so auch diesmal. So kann ich es frisch einüben, denn lasse ich mir zu viel Zeit, vergesse ich das meiste.
Da ich mit dem Zug anreise, hatte ich in der Früh noch eine Stunde bis zur Therapie. Diese Zeit nutze ich im wunderschön angelegten Park, um mich darauf vorzubereiten und ruhiger zu werden. Die Zugfahrt strengt mich noch immer an, obwohl sie nur von kurzer Dauer ist.
An diesen Park habe ich gute Erinnerungen, denn es war mein erster Ausflug nach dem Krankenhaus, den ich wohl nie vergessen werde. Ich hatte ein Frisbee mit, aber wegen der fehlenden Propriozeption konnte ich es nicht gescheit halten, geschweige werfen. Gedanklich wusste ich, wie es geht, aber das Gehirn konnte dieses Wissen nicht in Bewegung umsetzen. Beim Versuch zu werfen, fiel mir das Frisbee direkt vor meine Füße.
Damals begann meine lange Reise, um die Tiefensensibilität, wie die Propriozeption auch genannt wird, wiederzuerlangen. Diese Reise dauert bis heute an.
Der Park ist seit Jahren einer meiner Lieblingsplätze, zu jeder Jahreszeit. Dadurch, dass ich wegen der Therapie schon so lange Zeit herkomme, habe ich den Lauf der Jahreszeiten sehr intensiv wahrgenommen.
Jedes Mal ist es anders, von Woche zu Woche. Von der Blütenpracht im Frühjahr/Sommer, die im Herbst zu Ende geht oder der Winter, der seine eigene Atmosphäre hat. Es ist immer ein meditatives Spazieren, zwischen den Bäumen und Pflanzen und bewegt einem zum Innehalten, das diesmal auch eines der Themen beim therapeutischen Tanzen war.
Der Hirnabszess lässt mich oft innehalten, aber es war etwas Neues, es diesmal so bewusst zu spüren. Beim Tanzen geht es ums spüren und es war toll zu erkennen, was dieses Innehalten mit mir macht. Dieses Gefühl benennen zu können, war sehr interessant und ist wieder ein kleiner Baustein in meiner Rehabilitation.
Es war ein nur 5 - 10 Sekunden langes Innehalten, aber anstatt Ruhe kam Nervosität in mir auf. Das Gefühl von Leichtigkeit in der Bewegung wurde durch den Halt unterbrochen, da ich sofort ins Denken kam, dass mich anstrengte.
Ich begann den Fluss von Leichtigkeit, mit dem Wechsel in die Ruhe des Innehaltens zu üben. Das Denken versuchte ich auszuschalten, bzw. wegzulassen, damit ich das Positive am Innehalten, nämlich zur Ruhe zu kommen, schneller wahrnehmen konnte. Ich brauche nicht den Umweg über die Unruhe und Nervosität zu nehmen. Das übte ich ab sofort jedes Mal bewusst.
Das Innehalten ist ein wichtiger Teil beim Gehen für mich, da ich ja viele kurze Pausen brauche. Deshalb nahm ich mir vor, dieses immer wieder Innehalten auf dem Fußweg nach Hause zu üben.
Da meine Propriozeption gestört ist, bin ich auf diese, oftmals nur kleinen Hilfen, angewiesen, die aber in der Gesamtheit eine große Rolle spielen. Durch das therapeutische Tanzen ging ich mit meiner Rehabilitation vor zwei Jahren in eine neue Dimension und erlebe immer mehr Lebensqualität.
Nach dem therapeutischen Tanzen ging es gleich los. Je nach Strecke, sind es 21 bis 24 Kilometer, diesmal waren es 23. Die ersten Kilometer führten entlang des Radweges neben der Straße und ich verwendete die Zeit zum Sammeln des Müll. Auf Aludosen und Plastik war mein Hauptaugenmerk gerichtet und meine mitgenommenen Säcke waren bald voll.
So einen Clean-Up Walk mache ich auf fast jedem meiner Spaziergänge. Es tut mir gut, denn mit dem Hinunterbeugen und bücken trainiere ich meinen Körper und es gibt mir ein gutes Gefühl obendrauf.
Dieses bewusste Innehalten, ist wie eine kurze Pause, ermöglicht mir aber, mich besser zu spüren. So bringe ich mein Nervensystem zur Entspannung und beginne Anspannung zu lösen. Meist ist man abwesend in Gedanken und kann so nicht auf sich hören.
Auf dem Weg nach Hause halte ich des Öfteren inne. Das werde ich auch öfters in den nächsten Tagen machen, nicht nur beim Gehen. Denn Erkrankung geht immer Anspannung zuvor, nur spürt man das meist nicht. Dieser Anspannung vorbeugen, ist die beste Gesundheitsvorsorge. In meinem Fall, nach dem Hirnabszess, bringt Entspannung eine Menge.
Mein gesamtes Körpersystem war gestört und ich brauchte lange, um Verbesserung zu erfahren. Mein Ruhepuls war mit 75 - 80 sehr hoch. Erst nach drei Jahren und zwei Jakobswegen begann er sich auf 50 - 55 zu senken. Eine große Belastung für den Körper, die auch bei äußerer Ruhe und Nichtstun, im Inneren wirkt.
Am Walkabout war ich erstmals in meiner Mitte, ich fühlte mich so gut, wie nie zuvor, seit dem Hirnabszess. Das therapeutische Tanzen hilft mir, mich diesem Zustand wieder anzunähern. So bekomme ich jede Woche neuen Input, der meinen Gesamtzustand verbessert.
Meine Rehabilitation hört noch lange nicht auf, auch wenn seit dem Walkabout das Leben im Vordergrund steht. Immer öfter kann ich auch gehen, ohne den Gedanken an Therapie zu haben. So geht es nach wie vor, Step by Step, zurück ins Leben!