Langlaufen, Muskelschwäche und die innere Stabilität finden!

11. Januar 2021
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6 Minuten Lesezeit

Seit das erste Mal Schnee gefallen ist, hatte ich mehrmals die Gelegenheit auf die Teichalm mitzufahren, um Langlaufen zu gehen. Die Muskelschwäche behindert es zwar, aber es gibt viele gute andere Gründe, es trotzdem zu tun.

Vor zwei Jahren begann für mich das Abenteuer Langlaufen und es war eine gute Entscheidung. Mein Freund Bernd nahm mich an einem Wintertag 2019 zur Teichalm mit. Ohne Erwartungen, aber mit viel Freude stellte ich mich der Herausforderung.

Mit Bernd zum ersten Mal Langlaufen auf der Teichalm
Mit Bernd zum ersten Mal Langlaufen

Die ersten Meter auf der Loipe

Es war ein total gutes Gefühl auf den Ski. Damals stand noch das Gleichgewicht halten im Vordergrund und das ging erstaunlich gut. Die gleitende Bewegung, von einem Bein auf das andere, war relativ gut möglich. Schnelleres fahren, bedeutete aber höheren Krafteinsatz und diese Schnelligkeit konnte mein Gehirn noch nicht verarbeiten.

Langlaufen brachte mir einen ersten Eindruck vom schnellerem Bewegen. Alle 50 bis 100 Meter brauchte ich eine Pause, um meinen Muskeln wieder Erholung zu gönnen. Das Gehirn war gefordert, einen neuen Bewegungsablauf zu lernen. Ich war aber am meisten überrascht, dass ich das mit dem Gleichgewicht so gut hinbrachte. Das Gleichgewichtstraining der letzten Jahre war also nicht umsonst.

Die Teichalm ist für mich sehr gut geeignet, da es nur mäßig steil bergauf geht. Denn wie beim Gehen, habe ich auch beim Langlaufen aufgrund der Muskelschwäche Probleme. Damals wusste ich allerdings noch nichts davon und war der Meinung, dass ich es durch Training verbessern kann. Erst Ende 2019 kam es heraus, dass ich eine schwerere Art der Muskelschwäche habe.

Langlaufen auf der Teichalm
Langlaufen auf der Teichalm

Das bedeutet für mich aber nicht aufzugeben, sondern im Gegenteil, ich werde auch weiterhin alles versuchen. In jedem Fall war das Langlaufen eine Bereicherung, um Gehen zu lernen.

Der nächste Winter war eine Nullnummer

Der Winter 19/20 war untypisch. Auf der Teichalm war kein einziges Mal genug Schnee, um spuren zu können. Da alles andere zu weit weg war und ebenfalls von der Schneearmut betroffen war, ging ich diesen Winter kein einziges Mal Langlaufen.

Ich konzentrierte mich weiter auf das Gehen und die Bewegung. Über das therapeutische Tanzen versuchte ich wieder mehr Leichtigkeit in den Körper zu bekommen. Ich wurde beweglicher und langsam fühlte sich der Körper nicht mehr so schwer an.

Danach fuhr ich zu meinem ersten Camino im Winter. Am Camino Frances konnte ich alles in den letzten Jahren gelernte versuchen umzusetzen. Besonders das therapeutische Tanzen hat mir hier sehr geholfen.

Der Camino war geprägt von Lebenslust, Freude und Glücklichsein. Ich brauchte zwei Jahre um Gehen zu lernen und weitere zwei, um das hier mit meinen Handicaps erleben zu dürfen. Denn Handicaps habe ich immer, aber ich lerne immer besser damit umzugehen.

Lebenslust am Camino

Der Winter 20/21 steht unter der Corona Krise

So gut das 20er Jahr angefangen hat, so sehr überschattete es die Corona-Krise. Ich war überfordert mit all den Regeln und Vorschriften und brauchte lange, um mich zurechtzufinden. Mein Gehirn war überfordert damit.

Einzig das therapeutische Tanzen hat mir über diese schwierige Zeit geholfen, zunächst noch digital auf Zoom und ab Sommer wieder in der realen Gruppe. Alle anderen Therapien sind weggefallen.

Der Winter stand von Anfang an wieder unter der Corona-Krise und der Lockdown unterbrach auch das therapeutische Tanzen. Mit dem ersten Schnee im Jänner bekam ich allerdings die Gelegenheit, wieder Langlaufen zu gehen.

Therapeutisches Tanzen

Veränderte Ziele beim Langlaufen

Diesmal ging ich mit veränderten Zielen an das Langlaufen ran. Nicht mehr um Kraft zu gewinnen, sondern die innere Stabilität möchte ich verbessern. Denn frei Aufrecht zu sitzen, ist noch immer sehr schwierig. Es fehlt mir an der inneren Stabilität, denn mein Bindegewebe ist sehr stark betroffen und es kann seine Wirkung nicht ausüben.

Langlaufen fordert mich wesentlich mehr als Gehen, dass ja bekanntlich die effizienteste Art der Fortbewegung ist. Mit dem Skaten merke ich bereits eine spürbare Verbesserung. Es dauert aber lange, bis sich wirklich Erfolg einstellt. Dranbleiben ist wichtig, so wie es schon die letzten Jahre in allem für mich gilt.

Neuer Ski zeigt mir alte Probleme auf

Mein alter Vintage-Ski ist mir gebrochen und es musste Ersatz her. Auf willhaben fand ich innerhalb eines Tages Ersatz und so konnte es weitergehen. Allerdings bedachte ich nicht die Veränderung.

Die ersten drei Jahre verwendete ich nur ein Schuh-Modell. Jegliche Veränderung kostete mir zu viel Energie, an die ich mich nur schwer gewöhnen konnte. Dasselbe passierte mir jetzt auch beim Langlaufen.

Die neuen sind zwar auch schon in die Jahre gekommen, aber technisch weit über dem Niveau meiner bisherigen. Das Skaten hat sich technisch sehr verändert und diese Veränderung hatte ich zunächst nicht am Schirm. Das Material war natürlich besser geworden.

Durch die veränderte Skispannung war ich sehr gefordert, die Mitte des Ski zu finden. Mein Gleichgewicht war damit pausenlos gefordert und damit auch mein Gehirn. Es arbeitete auf Hochtouren und entsprechend schnell war ich erschöpft.

Neue Ski zum Langlaufen
Neue Ski zum Langlaufen

Mein Gehirn stark gefordert

Gerade die Automatik versuche ich schon lange zu trainieren. Das war aber mit den neuen Ski dahin, damit auch die Automatik. Mein Gehirn verlangte alle Aufmerksamkeit und ich fühlte mich wie in den ersten Jahren, beim Gehen lernen. Praktisch jeder Muskel musste angedacht werden, um zu funktionieren. Dazu die Koordination aller Elemente, von Beinen und Armen.

Dementsprechend war ich unterwegs. Von außen mag alles normal ausschauen, aber alles richtig zu koordinieren, erforderte jeden Funken Energie und Konzentration.

Der neue Ski ist auch 10 cm länger und damit hatte ich meine Probleme. Da merkte ich erst, wie wichtig Wiederholungen sind. Nicht umsonst ist das viele Gehen, unter allen Bedingungen, mein wichtigster Teil in der Rehabilitation. Die unzähligen Kilometer am Jakobsweg waren wohl das wichtigste der letzten Jahre.

Für die Automatik ist es ein gutes Anzeichen, ob ich nebenbei mit jemanden Sprechen kann. Das war mir diesmal nicht leicht möglich, so sehr konzentriert musste ich sein. Um das Gleichgewicht zu halten, arbeitet jeder Sensor in mir. Es heißt aber auch, aktiv und bewusst mithelfen. Was an für sich jeder automatisch kann, ist für mich nur denkend zu machen.

Die Leichtigkeit im Langlaufen

Beim Langlaufen fühlt es sich gut an, mit einer Leichtigkeit über den Schnee zu gleiten. Die Leichtigkeit ist seit Ende 2019 mein Thema. Besonders im therapeutischen Tanzen konnte ich große Fortschritte darin machen.

Es geht mir zwar ähnlich wie beim Gehen, besonders wenn es bergauf geht. Darin hat sich nichts geändert. Nur durch viel Training und Üben hat es sich verbessert. Diese Leichtigkeit soll ich immer wieder kultivieren. Langlaufen ist besonders dafür geeignet.

Teichalm

Veränderung

Trotzdem ist es gut, mit diesen veränderten Parametern umgehen zu lernen. Denn auch in der normalen Welt bin ich von Veränderungen umgeben. Die Corona-Krise war sicher die größte in letzter Zeit. Da wird mir wieder merkbar gemacht, warum Corona so schwer für mich ist, wenn mich schon neue Ski so aus dem Gewohnten bringen.

Langlaufen bringt mich aus dem Gewohnten. Im Sport bekomme ich sofort Rückmeldung, wenn etwas nicht passt. Darum ist mir der Sport in der Rehabilitation auch so wichtig, weil er mir aufzeigt, wo meine Grenzen liegen. Mein Ziel muss es sein, diese Latte Schritt für Schritt höher zu legen. Umso höher, umso mehr Lebensqualität habe ich.

Stabilität und Langlaufen

Nachdem ich die Muskelstärke vor zwei Jahren kaum verbessern konnte, spürte ich aber als Nebeneffekt eine verbesserte Stabilität. Dieses Jahr nehme ich das Langlaufen her, um es zu verbessern. Jeder kleinste Schritt bringt mich weiter, stabiler durchs Leben gehen zu können. Mein Bindegewebe ist einfach noch immer zu schwach.

Mir ist klar, dass die Fortschritte klein sind und oft nicht merkbar. Das ist aber kein Grund aufzuhören. Es kann sein, dass ich im Sommer so nebenbei bemerke, dass ich länger aufrecht sitzen kann. Das mag für manchen ein unbedeutender Grund sein, für mich bedeutet er aber mehr Lebensqualität.

Es stellt sich kaum jemand die Frage nach mehr Stabilität? Für mich ist es allerdings eine Frage nach Lebensqualität. Mit mehr Stabilität kann ich besser Autofahrten überstehen oder an einem Tisch sitzen. Darum hat es, wie viele andere Dinge auch, eine hohe Bedeutung für mich.

Langlaufen auf der Teichalm

Was ist noch möglich?

Dieses Jahr nutze ich den Winter erstmals voll aus. Es wird mir noch immer schnell kalt, aber ich funktioniere besser bei tiefen Temperaturen und kann mein Training beibehalten.

Wie ich allerdings auf tiefe Kälte reagiere, wie sie für Ende Jänner vorhergesagt wird, ist abzuwarten. Das fällt unter die Kategorie Veränderungen.

Noch tue ich mich schwer mit zu großen Veränderungen. Es dauert um ein vielfaches länger als früher. Dranbleiben ist wichtig und Voraussetzung dafür, dass ich nicht aufgebe. Mein Leben ist und bleibt nach wie vor eine Gratwanderung. Ich habe mich vom Tiefpunkt heraus gekämpft und bin bereit, noch des Öfteren meine Komfortzone zu verlassen. Allerdings immer in meinem Tempo und Geschwindigkeit.

Als Abschluss noch ein Spruch von Antoine de Saint-Exupery, den ich auf einem kleinen Zettel auf meinen Computer geklebt habe:

"Bewahre mich vor der Angst, ich könnte das Leben versäumen. Gib mir nicht, was ich mir wünsche, sondern was ich brauche. Lehre mich die Kunst der kleinen Schritte."

Antoine de Saint-Exupery

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4 comments on “Langlaufen, Muskelschwäche und die innere Stabilität finden!”

  1. Wieder voll motiviert!!!! Super Jörg, habe erst gestern wieder meine Langlaufski ausgepackt, weil wir endlich wieder Schnee haben. Werde es jetzt auch angehen! Das mit der Stabilität in der Mitte war ja auch meine große Schwäche, das hat sich erst im Laufe des vergangenen Jahres durch tägliche Trainingseinheiten langsam und spürbar gebessert. Danke für deinen ermunternden Blog

  2. Hallo Jörg,
    Prima, dass ihr dieses Jahr mit genügend Schnee gesegnet seid, dass Langlauf bei euch möglich ist. Das ist doch eine schöne Abwechslung zum Gehen und eine zusätzliche Möglichkeit andere Körperregionen zu trainieren.

    Auch wenn sich manchmal Hindernisse in den Weg stellen (z.B. der Ski kaputt geht), ergeben sich doch immer wieder neue Möglichkeiten.

    Das Leben schickt dir ja wirklich immer wieder Übungsmöglichkeiten, um Veränderungen zu praktizieren. Mach weiterhin alles in deinem Tempo, dann klappt das schon. Deine Charaktereigenschaften helfen dir dabei.

    Du motivierst auch mich bei manchen Dingen, etwas mehr in die Umsetzungskraft zu kommen . Manchmal, wenn mir etwas unbequem erscheint, neige ich schon mal zur „Aufschieberei“.

    Du siehst , wir haben alle unsere Baustellen:
    ▶️wo wir noch nicht da sind ... wo wir aber hinwollen.

    Also machen wir erst mal mit kleinen Schritten weiter, um an unsere Ziele zu kommen.

    Schönen Tag noch !

    1. Danke! JA, die kleinen Schritte. War erst heute beim therapeutischen Tanzen mein Thema.
      Ich bekomme immer wieder tolle Lern Aufgaben, aber mit dem Ski habe ich nicht auf diese Art gerechnet.
      Wichtig ist, wie du schreibst, im eigenen Tempo bleiben.
      Viel Erfolg mit den "Aufschiebereien".
      Danke und liebe Grüße
      Jörg

Ich bin Jörg, wohne in der Nähe von Graz und blogge hier über meinen Weg zurück ins Leben, das ein Hirnabszess 2016 völlig auf den Kopf gestellt hat.
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